Zwischen 1976 und 1991 war Nicholas Mee für Aston Martin als offizieller Vertragshändler in London tätig. Er spielte eine Schlüsselrolle in der Transformation der finanziell stark angeschlagenen Marke zu einem erfolgreichen Unternehmen. Mit seinem Wissen und seinen Kontakte nutzte Mee die Herausforderung der weltweiten Wirtschaftsrezession der frühen 1990er Jahre, um sich mit seiner Firma Nicholas Mee & Company selbständig zu machen. Seitdem hat sich das Unternehmen als eine der ersten Adressen für Aston Martin weltweit etabliert. Der Fokus liegt vor allem auf den Modellen der V8-Epoche, die Mee zu einem großen Teil noch als Neuwagen höchstpersönlich verkauft hatte. Der Showroom und die Werkstatt mit ihrem besonderen Flair befinden sich im Westen Londons. Als offizieller Spezialist für Aston Martin Heritage kümmern sich das Nicholas Mee und sein Team um Verkauf, Pflege und Restaurierung aller Aston Martin – von Sportwagen der DB-Serie bis zum jüngsten DB9. Classic Driver hat ihn besucht.
Was sind Ihre frühesten Erinnerungen an ein Auto?
Als Kind saß ich während Fahrten auf dem Motorway auf dem Rücksitz des Triumph Herald meiner Mutter. Die British School auf Motoring bot ein Hochleistungs-Fahrtraining an, zu deren Flotte auch einige Aston Martin DB6 und Jaguar E-Types zählten. Meine Mutter hat mich bei unseren Fahrten immer darauf aufmerksam gemacht, wenn im Rückspiegel etwas richtig Schnelles auftauchte. Ich verdrehte mich dann in meinem Sitz, um zu staunen, wenn ein DB6 an uns vorbei geschossen kam. Das war sehr cool, und seitdem haben mich diese Autos fasziniert.
Lag es somit auf der Hand, eine Karriere im Automobilbereich zu suchen?
Als ich die Schule abgeschlossen hatte, bekam ich einen Job bei einer Organisation namens Henleys, die ein großes Netz an Vertrieben und Händlern im Raum London vor allem für Automobile von British Leyland unterhielt. Meine Arbeitsplatzbeschreibung lautete Sales Training, was zwar sehr beeindruckend klang, aber nichts anderes beinhaltete, als 18 Monate lang in der Werkstatt dem Schlosser zu assistieren. Danach habe ich nochmals 18 Monate bei einem Gebrauchtwagenhändler in Miami verbracht – wenn ich nicht gerade am Strand war.
Wie begann Ihre berufliche Beziehung zu Aston Martin?
Im Jahr 1973 kehrte ich nach England zurück und fing als Verkaufsassistent bei H. R. Owen in Kensington an. So stieg ich unter der Leitung des Sales Managers Tony Nugent beruflich langsam nach oben. 1976 verließ er das Unternehmen, um Aston Martin Sales zu gründen und nahm mich mit. Nicht nur, dass ich kaum etwas über die Marke wusste, ich hatte auch meine Bedenken, nachdem ich zum ersten Mal einen Aston Martin bewegt hatte. Das hat sich dann alles gelegt, und ich blieb dort bis 1991.
Wie hat sich das Unternehmen in dieser Zeit verändert?
Es war eine spannende Periode, denn wir verkauften zunächst ein veraltetes Produkt an eine skeptische Klientel, um dann im Lauf der Zeit das Geschäft profitabel zu machen und schließlich 60 Prozent des Inlandverkaufs von Aston Martin für uns verbuchen zu können. Ab 1989 galten die Autos als Premiumprodukte, was für den Käufer bedeutete, dass er bei der Abholung bereits einen Profit von 20 bis 30 Prozent auf seinen Neuwagen erzielen konnte. Ich erinnere mich an zwei Fälle, in denen ich neue Autos an Kunden aushändigte, die dann ans Ende der Straße fuhren und dort die Fahrzeuge an einen weiteren Händler mit Profit weiterverkauften.
Was sind Ihre besten Erinnerungen an diese Epoche?
Ich erinnere mich vor allem an die Menschen, die ich kennenlernen durfte. Eine Chance, die ich als Steuerberater oder Architekt niemals gehabt hätte. Ich habe Mitglieder aus Königshäusern getroffen, Sportidole, Filmstars und Pop-Legenden. Elton John schwebte immer wieder mit seiner gesamten Entourage herein – möglicherweise unter dem Einfluss gewisser Substanzen – und bestellte locker eine Handvoll der Automobile in unserem Showroom. Teil dieser Erfolgsstory zu sein, hat schon Spaß gemacht.
Wie hart hat Ihr Unternehmen die britische Rezession der späten 1980er und frühen 1990er Jahre getroffen?
Die Welt schien 1990 aufgrund dieser großen Rezession auseinander zu fallen – genau zu dem Zeitpunkt, als der Aston Martin Virage eingeführt wurde. Galt das Modell in der ersten Jahreshälfte noch als Premiumprodukt, wurde es innerhalb weniger Tage zu einer finanziellen Belastung. Der Abschwung war so schlimm, dass Kunden, die ein Auto bestellt hatten, es nicht mehr bezahlen konnten. Es war eine schwierige Zeit mit vielen Auseinandersetzungen. Aber wir haben dieses Tal ganz gut gemeistert, weil wir auch Konflikte nie gerichtlich klären lassen mussten. Ich erinnere mich an die spektakuläre Insolvenz einer AG, die dann von den 41 Shareholdern gerettet wurde. Das Unternehmen hat dann auch das bei uns bestellte Auto erhalten. Ob es benutzt wurde, weiß ich nicht. Ziemlich schwierig, wenn sich 41 Menschen einen Wagen teilen müssen.
War das der Grund, weshalb Sie sich mit einem eigenen Business selbständig gemacht haben?
Ende 1991 hat sich Astons damaliger CEO Victor Gauntlett zurückgezogen. Drei Jahre zuvor hatte er Aston Martin-Anteile an Ford verkauft, die während der Wirtschaftskrise mehr Einfluss genommen haben. Ich hatte ein sehr enges Verhältnis zu Victor und wollte auch aufhören. Walter Hayes wurde als neuer CEO eingesetzt. Er sagte mir, dass er nicht vorhatte, Mitarbeiter zu entlassen, sondern Arbeitsplätze überflüssig zu machen – und meiner würde nicht dazu gehören. Darauf wollte ich, dass man mir den direkten Zugang zu ihm garantieren sollte. Er sagte nein, und ich entschloss mich, ohne Abfindung zu gehen. Das war riskant, denn ich hatte eine junge Familie zu ernähren. Aber schon eine Woche später rief mich Victor an und lud mich in sein Büro in Andover ein. Wir saßen beim Lunch, als er ein Papier mit einer Liste von ungefähr 25 Autos herausholte und mich fragte, was ich ihm für deren Verkauf berechnen würde. Wir haben einen Deal gemacht, und wir hatten unseren Bestand. Ich startete als Händler, mietete mir eine Mews-Garage in Kensington, entwarf ein Logo für das frischgebackene Business und meldete mich bei früheren Kunden. So fing das alles an.
Was macht einen Aston Martin so begehrenswert?
Erfolgreiche Menschen wollen sich nicht mit dem Alltäglichen umgeben – sie wollen sich die schönen Dinge des Lebens gönnen. Natürlich sind Autos das ultimative Spielzeug, außerdem sind Aston Martins attraktiv, weil sie Sportwagen sind, die von Hand in geringen Stückzahlen gebaut werden und durch ihr Aussehen viel über den Besitzer aussagen. Sie machen sich nicht mit Protzerei bemerkbar, sondern signalisieren Noblesse, Geschmack und Diskretion. Sag Menschen bei einer Dinnerparty, dass du einen Porsche 911 fährst und sie werden kein Interesse zeigen. Aber wenn man sich als Aston-Fahrer zu erkennen gibt, dann werden sie plötzlich hellhörig.
Finden Sie, dass klassische Aston Martin im Gegensatz zu anderen Topmarken unterbewertet werden?
Im Vergleich mit Ferrari ohne Frage, aber Ferrari ist auch viel größer. Ein Mann kam einmal in den Showroom und teilt mir mit, dass es nur drei Klassen von Autos in dieser Welt gibt: Sportwagen, Limousinen und Grand Tourer. Ferrari baue seiner Meinung nach die besten Sportwagen, Rolls-Royce die besten Limousinen und Aston Martin die besten Grand Tourer. Er hatte nicht ganz unrecht, doch ein Sportwagen ist attraktiver als ein Grand Tourer, weil er keine Leistungsabstriche in punkto Komfort machen muss. Die klassischen Ferrari-Modelle, die jetzt zu astronomischen Summen gehandelt werden, sind die reinrassigen Sport- und Rennmodelle. Die großen 2+2-Exemplare mit V12-Motoren sind lange nicht so begehrt.
Was gestaltet sich die Zukunft für den Markt der klassischen Aston Martin?
So wie sich die Marke in den letzten 10 bis 15 Jahren durch hervorragende Modelle global entwickelt hat, so erwacht auch in den neuen Märkten das Interesse an klassischen Aston Martin. Wenn jemand in Dubai gerade mit Erfolg sein Geschäft verkauft hat und mit dem Erlös eine Klassikersammlung zusammenstellen möchte, dann steht ein Aston Martin unbedingt auf der Wunschliste. Das war vor 10 Jahren nicht der Fall.
Was würden Sie Kunden raten, die ihren ersten klassischen Aston Martin erwerben wollen?
Die Autos, die ich am meisten schätze, sind auch die mit der höchsten Qualität. Es gibt genügend Exemplare, die mangelhaft restauriert wurden und nicht vernünftig laufen. Ich habe das Glück, diesen Unterschied zu erkennen, nicht zuletzt, weil ich phänomenal viele V8 noch als Neuwagen gefahren und ausgeliefert habe. Es ist befriedigend, wenn sich der Kreis schließt. Wir haben gerade einen grünen Vantage Volante in der Werkstatt, den ich als Neuwagen ausgehändigt habe. Er hatte nur einen Besitzer, der das Auto 7.500 Meilen bewegt hat. Als er die Volante verkaufen wollte, hat er uns ausfindig gemacht. In der Dokumentation befinden sich sogar noch Notizen, die ich seinerzeit seiner Sekretärin schickte.
Welche Klassiker sollten wir 2017 im Auge behalten?
Ich stamme aus der Ära der V8 und halte sie für großartige Autos. Der Verkauf war damals schwierig, weil wir Leuten ein veraltetes Produkt anboten, dass für die Kunden als unzuverlässig und teuer in der Pflege galt. Aber im Gegenteil! Gut erhaltene Autos aus dieser Zeit sind zuverlässig und haben einen höheren Wert, als die DB-Serie. Für 250.000 Pfund beispielsweise bekommen Sie eine V8 Volante mit geringer Laufleistung, kompletter Service-Dokumentation und in bestem Zustand – statt einem klapprigen DB6 mit großen Leerstellen in der Service-Historie. Ich bin sicher, dass der Virage in den nächsten Jahren immer mehr Fans bekommt. Leider wird er immer noch von vielen als nicht sonderlich gut entwickeltes Fahrzeug angesehen. Aber letztlich erfüllt er die wesentlichen Anforderungen an einen großen Klassiker: Er sieht gut aus, ist selten, ist komfortabel, entstammt einer berühmten Marke und als eher mechanisch ausgelegtes Auto dürfte man auch wenig Probleme mit ihm haben.
Wie verhält es sich bei den modernen Aston Martins?
Den DB9 sollte man beobachten. Als der DB7 vorgestellt wurde, dachten viele, dass die hohe Produktion das Ende der Exklusivität einläuten würde. Sie haben sich getäuscht, denn der DB7 wird als Vantage, GT oder Zagato längst gesammelt. Was einen Klassiker ausmacht, ist wie viele Menschen ihn besitzen wollen gegenüber der hergestellten Stückzahl – vergessen Sie nicht das Potenzial eines globalisierten Markts. Aston Martin mag rund 15.000 Exemplare des DB9 hergestellt haben, aber auf globaler Ebene ist das eine sehr kleine Zahl. Dieser Grand Tourer besitzt klassische Formen und ist mit einem Preis von 40.000 Pfund durchaus in Reichweite vieler Interessenten. Noch sind gute Exemplare erhältlich.
Fahren Sie am Wochenende auch einen Aston?
Nein, ich besitzeein paar alte Mercedes-Benz. Ich habe mich mein ganzes Leben mit Aston Martin beschäftigt, da macht ein wenig Abwechslung Freude.
Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2016