Wie erobert man die Käufer jenseits des Atlantiks, wenn man Enzo Ferrari heißt? Man gibt keine Marktforschung in Auftrag, befragt keine potenziellen Käufer nach ihren Wünschen – man baut einfach ein wunderschönes Auto mit kraftvollem Motor und luxuriöser Ausstattung und zeigt damit den Amerikanern, wie überzeugend sich der Nimbus Ferrari von der Rennstrecke auf die Straße übertragen lässt. Ursprünglich sollte der Ferrari 500 Superfast wie sein Vorgänger mit der Ziffer 400 ebenfalls Superamerica heißen. Doch kurz vor der Premiere auf dem Genfer Automobilsalon 1964 wurde das elegante Coupé mit den zierlichen Säulen, dessen aerodynamische Form aus Pininfarinas Superfast-Studien gespeist wurde, umbenannt. Der Ferrari 500 Superfast war zu seiner Zeit nicht nur der wohl schönste Gran Turismo, er war mit seinem Zwölfzylindermotor und 400 PS auch der schnellste.
Wie Deutschland und Italien, so erlebten auch die Vereinigten Staaten in den Fünfzigerjahren einen Wirtschaftsboom, der wieder die Lust auf luxuriöse Automobile weckte. Bereits 1956, das Jahr in dem auch der Ferrari 250 GT Tour de France das Werk in Maranello verließ, gab Enzo Ferrari für den neuen Wachstumsmarkt den Ferrari 410 Superamerica in Auftrag – allerdings nicht beim bewährten Partner Pininfarina, sondern bei der Carrozzeria Ghia, deren Designer für das 340 PS starke Coupé tatsächlich Heckflossen ans Heck modellierten, die unverkennbar vom Formenrepertoire amerikanischer Stylisten aus Detroit entlehnt worden waren. Dagegen spielte die Karosserie des Ferrari 500 Superfast wieder die Kraft in subtiler, italienischer Eleganz aus.
Von dem schmalen Kühlergrill, eingefasst von offenen Scheinwerfern, führt die Silhouette des Ferrari 500 Superfast in einem langen, sehnigen Bogen zum abgeschnittenen Heck, dessen aerodynamisch optimierte Codatronca-Form an Ferraris Dominanz im Motorsport erinnert. Getragen von schlanken Säulen mündet das Dach in ein großzügiges Heckfenster. Im Interieur entfaltet sich die Schneiderkunst der Lederspezialisten und der filigrane Einsatz von Chrom und Leder für die Sitze des Coupés, die Ummantelung des Schaltknaufs und der Mittelkonsole. Der Superfast erhielt mit gutem Grund seinen Namen, denn Ferrari gab damals die Höchstgeschwindigkeit mit 280 Stundenkilometern an. Doch dieses Potenzial dürften die damaligen Besitzer nicht ausgeschöpft haben, denn wie man auf den Bildern unseres Fotografen Rémi Dargegen sieht, hat dieses Exemplar im Blau des italienischen Himmels auch maßgeschneidertes, weinrotes Gepäck an Bord. Als klassischer Gran Turismo mit weicherer, an den amerikanischen Geschmack angepasste Federung, war er für Reisen und Ausfahrten konzipiert und nicht für wilde Hetzjagden im Motodrom. Denn Mitte der Fünfzigerjahre hatte auch Italien begonnen, das Netz der Autostrade auszubauen. Neue Schnellstraßen, die eine Einladung an dieses großartige Coupé aussprachen.
Der Ferrari 500 Superfast debütierte 1964 auf dem Automobilsalon in Genf. Bis 1966 wurden gerade einmal 37 Stück gebaut. Man mag sich in Maranello zwar einen größeren Erfolg in den USA versprochen haben, aber gerade diese Seltenheit ist für heutige Sammler bestechend. Unser Modell mit Ferrari Classiche-Zertifizierung wurde 2017 in Scottsdale für annähernd drei Millionen Dollar von Gooding & Company versteigert. Es stammt aus der ersten Serie, die man an den jeweils elf seitlichen Luftauslaßschlitzen erkennt. Später erhielt der Superfast je drei Lamellen am Kotflügel. Dieses traumhaft schöne und pfeilschnelle Coupé aus der Ära der legendären Playboys, weckte sofort das Interesse des Jet Sets. Zum Zirkel der Käufer zählten natürlich Gunter Sachs, ebenso wie der griechische Reeder Peter Livanos, der Aga Khan, der Schah von Persien, Filmstar Peter Sellers und die Milliardärin Barbara Hutton.
Sie alle vertrauten auf die mühelose Kraftentfaltung des 5,0-Liter-V12, um an der Riviera oder in Cortina d'Ampezzo vorzufahren, aber aus heutiger Sicht verbergen sich unter dieser unvergleichlichen Form alle Attribute eines ersten Supersportwagens. Denn auch der Motor des 500 Superfast war etwas Besonderes. Mit Weber-Doppelvergasern und zwei oben liegenden Nockenwellen wurde dieser Zwölfzylinder zwar von Aurelio Lampredi entwickelt. Doch an diesem sogenannten „großen” V12 aus dem 410 Superamerica hatte kein geringerer als Gioacchino Colombo Anteil, der diesem Motor technische Optimierungen des kleineren V12 aus den Ferrari 250 und 330 mit auf den Weg gab.
Der luxuriöse 500 Superfast wich nach seinem Produktionsende dem Ferrari 365 California Spyder. Damit endete auch Ferraris Vorstoß, die Enthusiasten in den Vereinigten Staaten mit großen, so opulenten wie schnellen Sportwagen zu gewinnen. Aber der Begriff Superfast wanderte nicht endgültig in die Archive von Maranello – das beweist der moderne Ferrari 812 Superfast.
An dieser Stelle bedanken wir uns sehr beim Besitzer des Fahrzeugs, der unserem Fotografen Rémi Dargegen freundlicherweise erlaubte, den Ferrari 500 Superfast im kalifornischen Monterey zu fotografieren.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2018