Für den ernsthaften Sammler, der nach einem bedeutenden und möglichst vielseitig einsetzbaren Rennwagen Ausschau hält, passt dieser Porsche 911 Carrera 3.0 RS von 1974 wie die Faust aufs Auge.
Im Laufe eines Jahres könnte der neue Besitzer, falls gewünscht, mit dem Boxer an so unterschiedlichen Events wie der Tour Auto oder Modena Cento Ore teilnehmen, eine komplette Saison in Peter Autos beliebter Classic Endurance Racing Serie bestreiten und den Porsche auch noch dahin zurückbringen, wo er seine wohl größten Erfolge errungen hat: Zum Circuit de la Sarthe und damit zu Le Mans Classic. Und überall würde man diesen aufregendsten aller luftgekühlten 911er mit offenen Armen empfangen.
Im Modelljahr 1974 verkaufte Porsche laut Firmenchronist Jürgen Barth 109 Exemplare des straßenzugelassenen Carrera RS 3.0, von denen 56 für Renn- und Rallyeeinsätze umgebaut wurden. Dünnere Bleche, die Karosserie mit dem neuen Walflossen-Heckspoiler, ein von allem Firlefanz befreiter Innenraum und der 230 PS (bei 6200 U/min) starke Dreiliter-Sechszylinder-Boxer mit Bosch-Doppelreihen-Einspritzung machten den RS zu einem Gerät, das selbst PS-stärkeren Konkurrenten den Schneid abkaufen konnte.
Dieses Exemplar mit Chassisnummer 911 460 9107 bewährte sich gleichermaßen bei Asphalt-Rallyes wie auf der Rundstrecke. Neben Starts bei über 40 Rallyes, dem Sieg des legendären Franzosen Jean-Pierre Jarier bei den 6 Stunden von Dakar von 1977 und einem Klassensieg bei der Rallye Monte Carlo ragen zwei Top-Ergebnisse bei den 24 Stunden von Le Mans heraus. 1976 steuerten Raymond Touroul und Alain Cudini den Carrera 3.0 RS auf Platz sechs im Gesamtklassement ; 1977 reichte es für ein diesmal zu Dritt agierendes Piloten-Trio zu Platz zehn und einem Klassensieg.
„Hier handelt es sich um einen sehr bekannten Carrera 3.0 RS, der im Gegensatz zu vielen anderen Modellen dieser Baureihe eine geradlinige und sehr einfach zu rekonstruierende Geschichte besitzt“, sagt Robert Fellowes von Henderson Fellowes, jener Classic Driver Händler, bei dem dieser unglaublich spezielle Porsche aktuell zum Verkauf steht. „Für einen Sammler, der das volle authentische Erlebnis eines historischen Renn-Porsche erleben will, ist diese Historie von großer Bedeutung und wird auch bei allen Event-Organisatoren Berücksichtigung finden – mit zwei zeitgenössischen Le Mans-Starts verfügt er über beste Referenzen.“
Dass sich dieser Wagen gleichermaßen auf der Renn- wie Rallyestrecke zuhause fühlte, mag heute ungewöhnlich klingen. Doch trifft diese „go anywhere, do-anything“-Einstellung auf viele andere Fahrzeuge aus den 70er- und 80er-Jahren zu. Man konnte sie im Showroom kaufen und von dort sofort zur Rennstrecke fahren. „Mit ein paar Änderungen an der Getriebeübersetzung, am Interieur – Beifahrersitz für Rallyes etc. – und unterschiedlichen Sponsoren-Aufklebern konnte man solch einen 911 in sehr kurzer Zeit für Einsätze auf der Rundstrecke oder Rallyepiste vorbereiten – falls nötig binnen weniger Tage.“
Wenn man ehrlich ist, war der Porsche 911 schon immer der beste Allround-Sportwagen. „Auf andere Weise wurde mir das wieder einmal bewusst, als ich miterlebte, wie 2010 der britische Motorjournalist Chris Harris einen Porsche 997 GT3 RS von Weissach zum 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring fuhr“, erinnert sich Fellowes.
„Biss auf die für Motorsporteinsätze vorgeschriebenen Dinge war das Auto absolut serienmäßig. Harris qualifizierte den 911 weit vorn im Feld und landete auf einem respektablen 13. Platz im Gesamtklassement. Es gibt viele Parallelen zu unserem 74er-Carrera 3.0 RS, der bei einer Straßenrallye wie der Modena Cento Ore fahren kann, um einen Monat später bei Le Mans Classic dieHunaudières-Gerade herunter zu preschen.“
In der Tat gibt es kaum einen anderen Klassiker, der seinem Käufer ein so unglaublich breites Einsatzspektrum eröffnet wie dieser Porsche 911 Carrera 3.0 RS. Startberechtigung, Originalität, Seltenheit, Historie, Schönheit – alles Schlagworte, welche das Herz von Sammlern höher schlagen lassen. Dieser Porsche hat sie alle. Also, wohin zuerst: Tour Auto oder Spa Classic?
Fotos: Henderson Fellowes © 2020