„Das ist mein Enzo-Ferrari-Look“, grinst John Collins, im Bürostuhl zurückgelehnt, die Beine lässig auf den Schreibtisch hochgelegt und die Augen hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Der Talacrest-Gründer darf sich mehr als andere Markenkenner mit Il Commendatore vergleichen, hat er doch seit 1986 über 1.750 klassische Ferrari im Gesamtwert von über einer Milliarde US-Dollar verkauft. Dabei begann seine Karriere zunächst ganz anders, nämlich im Fotojournalismus. Da berichtete er über nahezu alles – vom Tod der monegassischen Prinzessin Grace Kelly über die Jagd auf Seehunde bis zu einem Papstbesuch in Irland. „Ich schlich mich durch eine Absperrung und kletterte auf das Dach eines Dixi-Klos“, erinnert er sich stolz an den Termin in Irland. „Woraufhin mir all diese Priester ihre Kameras hochreichten, damit ich für sie ein Foto des Papstes machte.“
Neben dem Hang zur Fotografie hatte der gebürtige Schotte jedoch auch den Ferrari-Virus schon immer im Blut. Sein Talent, diese Autos nicht nur zu fotografieren, sondern auch gleich eine dazu passende Story zu schreiben – was in den 1970er Jahren ungewöhnlich war – erwies sich als lukrativ. So lukrativ, dass er sich schon nach nur einem Jahr als Freelancer einen brandneuen Ferrari Dino kaufen konnte. „Ich verdiente in diesem Jahr 11.000 Pfund Sterling, wovon ich 7.000 sofort in den Dino, meinen ersten Ferrari, steckte“, erinnert sich Collins. „Ich war damals einer der bestbezahlten Fotojournalisten der Welt. Einfach, weil ich an einem Tag als Fotoredakteur, am nächsten als Reporter und am übernächsten als Fotograf arbeiten konnte.“ Ein fehlgeschlagener Geschäftsdeal zwang Collins jedoch 1987, seinen geliebten Dino zu verkaufen. In der Folge gründete er, bizarr genug aus heutiger Sicht, seine Firma Talacrest. Und das kam so: „Ein Händler gab mir 41.000 Pfund für meinen Dino. Und ein paar Tage später sah ich, dass er den Wagen für 69.950 Pfund weiterverkaufte. Da dachte ich mir: Was der kann, kann ich schon lange! Ich lieh mir von einigen Freunden 300.000 Pfund, machte Anzahlungen für Autos im Wert von drei Millionen Pfund und schaltete für sie sechs Monate vor Zahlungsfrist meine Anzeigen.“ Collins mutige Geschäftspraktiken führten zu einem Aufschrei bei den Händlern, von denen er die Autos erworben hatte. Doch das Pokerspiel ging auf: Im ersten Jahr setzte Talacrest zwölf, im nächsten schon 30 Millionen Pfund um.
Schnell erwarb sich das Unternehmen den Ruf, immer nur mit den allerbesten Ferrari zu handeln. Und bei einem Blick ins glorreiche Bildarchiv von Talacrest wird deutlich, warum. Da finden sich im früheren Showroom in Egham, Surrey neben zahllosen weiteren Preziosen echte Ferrari 250 Testa Rossas mit Ponton-Karosserie, heiße „P“-Modelle, Daytona-Rennversionen und gleich zwei (!) lässig nebeneinander auf dem Vorhof geparkte 250 GTO. „Ich hatte all diese Autos auf Lager“, sagt Collins, „was heute nicht mehr möglich wäre.“ Gerüchteweise sollen in dieser Zeit sogar Ferrari-Vorstände aus Italien ihren Besuch beim benachbarten britischen Ferrari-Importeur dazu genutzt haben, am Talacrest-Showroom vorbeizufahren, um einmal ein paar wirkliche Ferrari-Exoten zu bestaunen. Unvermeidlich, dass manche Autos auch wieder den Weg zurück zu Talacrest fanden. Wie zwei von drei Ferrari 330 LMB-Rennversionen, die Collins zusammengenommen schon neun Mal verkauft hat. Doch ist neben Ferrari auch noch Platz für andere Marken. So kann sich Talacrest rühmen, unter anderem den Le Mans-Sieger Aston Martin DBR1 und den „fehlenden“ Mercedes-Benz Silberpfeil W154 vermittelt zu haben.
Wir sind neugierig drauf, wie Collins die in den letzten Jahren dramatisch gestiegenen Preise für außergewöhnliche Ferrari-Modelle bewertet. Und wie ein Mann, der schon alle Höhen und Tiefen des Geschäfts erlebt hat, die aktuelle Marktlage einschätzt. „Ich bin nicht glücklich über das stark gestiegene Preisniveau“, kommentiert er. „Doch wenn ich die Wahl zwischen einem GTO für 50 Millionen und einem Picasso für 100 Millionen hätte, wüsste ich, für wen ich mich entscheiden würde.“ Eine gewisse Schuld für die Schieflage des Marktes sieht er auch bei den Auktionshäusern, die manche Autos zu unrealistisch hohen Schätzpreisen offerierten. „Die wirklich wertvollen Objekte sind dagegen nicht betroffen. Doch wurde sehr viel spekuliert mit Modellen wie dem Ferrari 275 oder dem Lusso. Doch haben sich die Preise mittlerweile wieder etwas begradigt“, so seine Beobachtung. „Es war Wahnsinn, bei bestimmten Fahrzeugen in zwei Jahren von 500.000 auf zwei Millionen Pfund zu gehen, doch nun hat sich der Markt wieder stabilisiert und beruhigt.“
Erwägt Collins angesichts des Booms bei jüngeren Sammlerfahrzeugen auch den Handel mit modernen Ferrari? „Ich liebe die neuen Modelle, habe einen F12 TdF und einen La Ferrari – doch ich verkaufe sie nicht, weil ich Ferrari nicht verärgern will. Ich kaufe seit den 1970er Jahren neue Ferrari und die Firma respektiert mich, weil ich mit den Autos nicht spekuliere.“ Collins beeilt sich zu betonen, dass die Liebe zu den Autos und die Freude, sie zu fahren, die primären Motive beim Kauf eines klassischen oder modernen Ferrari sein sollten – nicht so sehr die damit verbundene Wertanlage. „Ich habe das Vierfache dessen angeboten bekommen, was ich für meinen F12 TdF bezahlt habe. Doch verkaufen kommt nicht infrage, dazu liebe ich ihn zu sehr.“
Der überhitzte Markt veranlasste Collins im Jahr 2016 zu einer kurzen Auszeit, in der er ein Buch über seine Firma schrieb, das er nun für wohltätige Zwecke verkaufen will. Doch schon Ende des Jahres feierte er mit dem öffentlichen Verkaufsangebot für den zweiten jemals gebauten Ferrari 250 GTO – dem Star unserer Weihnachts-Coverstory – ein beeindruckendes Comeback. „Ich dachte, dass ich am besten mit einem großen Aufschlag zurückkommen sollte, sprich einem GTO“, schmunzelt er. „Es ist der neunte GTO, den ich zum Verkauf hatte und ich mag es sehr, dass er nicht rot ist. Es gibt so viele Makler, die diese Autos anbieten, doch ist das meiste unseriös. Einer versuchte sogar, mir diesen GTO anzubieten, von dem ich ja wusste, dass er in meiner Garage stand!“
Zusammen mit seinem geliebten Schäferhund Beth genießt es Collins, nun wieder an vorderster Front des Marktes zu agieren. Zu seinen Zukunftsplänen zählt die Eröffnung einer Zweigstelle in Dubai – ein absolut logischer Schritt, wurde Talacrest doch 2016 als Anerkennung für seine internationalen Handelsaktivitäten mit dem Queen’s Award for Enterprises ausgezeichnet. „Ich freue mich darauf, Autos zu kaufen, die ich noch nie zuvor besessen habe“, sagt Collins. Nur zu verständlich, dass einer wie er, der so ziemlich jeden bedeutenden Ferrari für eine gewisse Zeit besessen hat, in der Jagd nach „neuen“ Rennpferden Erfüllung findet. Am Ende steht jedoch weiter das Ziel, die Reputation von Talacrest als weltweit führenden Händler klassischer Ferrari zu erhalten. „Ich bin nicht Ihr typischer Autohändler. Was ich erreicht habe, ist in dieser Form heute nicht mehr möglich“, stellt er ohne verstecktes Eigenlob fest. So oder so ist John Collins ein Teil der Ferrari-Legende, des Ferrari Mythos – und welch größeres Kompliment könnte es geben?
Fotos: Tom Shaxson for Classic Driver © 2017