Wer das 2014 in der Münchener Ausstellung „BMW 507 – Lost and found“ erstmals gezeigte Original gesehen hat, wird seinen Augen nicht trauen: Das von der Automobilredakteurin Jackie Jouret 2009 in einer Lagerhalle für Kürbisse in der Half Moon Bay bei San Francisco aufgespürte Auto war nicht mehr als ein ziemlich abgerockter Roadster mit zerfledderten Sitzen, abblätterndem rotem Lack und einer von Rost zerfressenen Karosserie. Zustand: 5 minus! Zwei Jahre später glänzt der BMW 507 mit Chassis 70079 nun wieder wie neu und in seiner Originalfarbe „Federweiß“. Als eines von nur 251 gebauten Exemplaren, die von Designer Albrecht Graf Goertz mit unsterblich schönen Linien bedacht und von einem 150 PS starken BMW 3,2 Liter-V8 standesgemäß angetrieben wurden.
Dass dieser historisch wichtigste aller BMW 507 heute in Weiß statt Rot erglänzt, wird manchen Elvis-Fan irritieren. Denn während seiner Militärdienstzeit in Germany – sie dauerte immerhin von Oktober 1958 bis März 1960 – hatte der Rockstar das Auto umlackieren lassen. Angeblich, weil weibliche Fans mit Lippenstift immer wieder Liebesbotschaften auf der Karosserie hinterlassen hatten. Nach dem Ende seiner Zeit bei der Army ließ der Rockstar das Auto zurück in seine Heimat bringen, wo er kurz darauf bei einem Chrysler-Händler in New York als „Elvis Car“ zum Verkauf stand. Dort erstand ein DJ und Hot Rod-Hobbyfahrer aus Alabama namens Tommy Charles den BMW 507 für 4500 US-Dollar - und rüstete ihn für Renneinsätze mit einem Chevy-Kompressor-V8, Borg-Warner-Getriebe und einer Chevy-Hinterachse aus. Über den jungen Air Force Piloten Lloyd Cattle gelangte der Wagen dann 1968 zu Jack Castor. Der Autosammler hatte ihn in einer Kleinanzeige entdeckt und überführte ihn auf eigener Achse von Arizona nach San Francisco. Jack fuhr den BMW noch bis 1973, ehe er ihn einmottete. Er besorgte zwar noch zwei BMW V8-Motoren und einige Kleinteile, doch zu einer Restaurierung kam es nie.
Castors Wunsch war es, dass der Wagen zu BMW zurückkehren sollte. Was dann 2014 auch geschah. Die Bestandsaufnahme der BMW-Restaurateure unter Leitung von Franz Kutscher war zunächst ernüchternd: Der Scheunenfund hatte weder Motor noch Getriebe, die Hinterachse stammte von einem Chevy und das Armaturenbrett war so verfremdet, dass es ganz neu gegossen werden musste. In allen Ritzen nistete zudem Rost. „Wir waren erschrocken über den jämmerlichen Zustand. Vor allem, wenn man bedenkt, wie teuer der 507 einmal war und welche Vorbesitzer der Wagen hatte“, so Kutscher, der das Ganze unverblümt als „Edelschrott“ bezeichnete.
In der Tat, die Vorbesitzer. Nachdem Chassis 70079 zunächst 1957 auf dem IAA-Stand von BMW in Frankfurt geglänzt hatte, ging es mit dem Kennzeichen M-JX800 für Tests an Fachjournalisten. Zugleich machte der berühmte „Bergkönig“ Hans Stuck mit genau diesem Modell im BMW-Auftrag Werbung bei vermögenden Kunden und VIPs – darunter nach Erinnerungen seines Sohnes Hans-Joachim auch bei Elvis, dem er einen BMW 507 bei einem Rennen in Monthléry bei Paris demonstriert haben soll! Daneben fuhr der vor dem Krieg auf Auto Union erfolgreiche Deutsch-Österreicher mit dem Roadster in er Saison 1958 Rennen zur Europa-Bergmeisterschaft: am Rossfeld, Schauinsland und im schweizerischen Ollon-Villars. Jedes Mal reichte es zum Klassensieg. Vor seiner Auslieferung an Elvis trat der 507 sogar noch in dem von den Bavaria Filmstudios gedrehten Film „Hula Hopp Conny“ auf. Erst dann ging er am 12. Dezember 1958 als Gebrauchtwagen an das BMW-Autohaus Wirth in Frankfurt. Dort übernahm Elvis dann am 20. Dezember aus der Hand einer Miss Hessen die Schlüssel.
„Der Deal mit dem 2014 leider verstorbenen Jack Castor war, dass wir das Auto nur bekommen, wenn wir es absolut originalgetreu wieder aufbauen“, sagt BMW Classic Sprecher Benjamin Voss. „Denn Castor war auch ein großer Stuck-Fan - die Elvis Connection spielte für ihn eher die geringere Rolle!“ Angesichts dieses Briefings erübrigt sich die Frage, warum BMW das Auto nicht in Rot beließ. Zumal eine bei BASF in Auftrag gegebene Farbspektrenanalyse ergeben hatte, dass der Elvis-507 in seinem bewegten Autoleben insgesamt achtmal neu lackiert worden war. Zwischenzeitlich sogar in Schwarz, am Ende dann wieder in Rot.
Es gab ohnehin größere Probleme für die vor einer Mammutaufgabe stehenden BMW-Restaurateure. Es ging schon los mit dem vorderen Hilfsrahmen und dem Getriebetunnel: „Der vordere Rahmenträger war wegen des Einbaus des Chevy-V8 teilweise entfernt oder ausgeschnitten worden“, weiß Voss. „Zugleich wurde der Getriebetunnel ausgeflext.“ Erst nachdem Träger und Kardanwellentunnel entsprechend modifiziert worden waren, konnten ein neu zusammengebauter BMW V8 samt daran angeflanschtem ZF-Vierganggetriebe installiert werden. Eine große Herausforderung war auch das Auffinden eines Original-Differentials aus Aluminium. Doch nach einiger Suche fand sich auch dieses Ersatzteil und verhilft dem Sportwagen nun zusammen mit der ebenfalls wieder originalgetreuen Hinterachse zu neuer Vortriebskraft. Da Authentizität höchste Priorität genoss, muss sich der Ex-Elvis-507 rundum mit Trommelbremsen begnügen. Denn erst BMW jüngeren Datums verzögerten per Scheibenbremsen. Höchste Handwerks- und Improvisationskunst erforderten die hoffnungslos verschlissenen Sitze. Lediglich das Original-Stahlgerüst war noch zu gebrauchen. Auf dem Untergerüst wurden dann die Stahlfedern angebracht und diese mit einer Gummikokosmatte überspannt. Ein damals übliches Material – und anders als die heute verwendeten Schaumstoffe ein 100-prozentiger Naturstoff. Die Narbung des zweifarbigen Lederbezugs wurde anhand von Fotos rekonstruiert.
BMW will den neugeborenen Elvis-BMW erstmals am 21. August 2016 in Pebble Beach vor Publikum ausstellen. Zusammen mit einigen weiteren blau-weißen Preziosen im Rahmen einer „100 Jahre BMW“-Sonderschau. Danach soll er noch ein wenig in den Staaten auf Tournee gehen, ehe er dann Teil der BMW Group Classic Sammlung wird. Ob weiß oder rot – wir denken, Elvis würde das Auto ganz sicher gefallen. „Be Bop A Lula - she’s my baby!“