Vergessen Sie Magnus Walker!
Vergessen Sie Magnus Walker aus Kalifornien - wenn es einen Guru für klassische Porsche 911 gibt, dann ist es Manfred Hering aus Wuppertal! Für Elfer-Freunde sind die Hallen seiner Firma „Early 911s“ so etwas wie das Louvre der Boxersportwagen: Hunderte Varianten des Zuffenhausener Sportwagenklassikers lagern hier in allen Formen und Zuständen. Mehr Porsche findet man wohl nur bei Porsche selbst. Hier kann man über seltene Modelle im Werkszustand staunen oder davon träumen, aus einer der zahllosen unrestaurierten Rohkarosserien den perfekten Porsche 911 entstehen zu lassen. Denn auch was die originalgetreue Restaurierung der Klassiker angeht, ist Manfred Hering mittlerweile weit mehr als ein Insider-Tipp. Wir haben dem Hausherrn inmitten seiner 911er einige Fragen gestellt.
Vom Werber zum Porsche-Guru
Was ist Ihre älteste automobile Erinnerung?
Ich war ein Jahr alt und saß bei meinem Großvater auf dem Porsche-Traktor. Er hatte eine Gärtnerei und ist bis heute mein großes Vorbild, weil er immer seinen eigenen Weg gegangen ist und sehr mutig und zielstrebig war.
Bevor Sie sich mit „Early 911s“ selbstständig machten, arbeiteten Sie in der Werbebranche. Hatten Sie schon damals diese Leidenschaft für Autos? Und für Porsche?
Ich konnte mich für das Design der Fahrzeuge begeistern, aber die Technik war damals für mich noch sekundär. In Amerika würde man „Trailer Car“ sagen. Mittlerweile ist mir die Technik genauso wichtig.
Understatement, Sportlichkeit und nachhaltiges Investment
Warum nur Porsche?
Zuerst einmal, weil ich in Deutschland geboren bin. Und dann ist Porsche für mich die einzige Marke, die Understatement, Sportlichkeit und nachhaltiges Investment verkörpert.
Was ist die Philosophie, das Konzept von „Early 911s“?
Porsche zu restaurieren und zu einhundert Prozent in ihren Auslieferungszustand zurückzuversetzen. Dabei haben wir drei Vorgehensweisen. Erstens: Fahrzeuge mit Originallack technisch in Neuzustand zu versetzten und ihre Patina zu erhalten. Also das Interieur reinigen, gegebenenfalls beschädigte Teile aus alten Sitzen herausnehmen und ersetzen. Das ist allerdings nur sehr selten möglich. Zweitens: Alles rundum erneuern. Drittens: Fahrzeuge mit Patina selbst entstehen lassen.
50 Mann für alle Fälle
Und welche Dienstleistungen bieten Sie an?
Wir machen mit unseren 50 Mitarbeitern – darunter allein fünf Sattler, fünf Motorenbauer und sechs Karosseriebauer – alles selbst. Nur Entlacken und Lackieren können wir noch nicht. Das wird ab 2015 oder 2016 in einem gerade in Planung befindlichen Neubau geschehen. Dort entsteht auch eine Porsche-Akademie und eine Stellfläche für 100 Fahrzeuge, auf der Kunden ihre Porsche archivieren können.
Sie arbeiten nicht „à la carte“, sondern versetzen immer das ganze Auto in den Originalzustand zurück – stimmt das?
Ja, in den Zustand der Werksauslieferung. Deshalb haben wir ja auch 250 Projekte auf Lager, so dass der Kunde sich bei uns sein Wunschmodel in seiner Lieblingsfarbe aussuchen kann.
Hunderte Porsche auf Lager
Wie viele Projekte sind im Moment verfügbar?
Zehn Porsche 911 2.0 von 1965, dreißig 2.0 S von 1966 bis 1969, vierzig 2.2 S, sechzig 2.4 S, 15 Carrera RS 2.7 von 1973 bis 1976, vierzig 3.0 Turbo, sieben ehemalige Polizeiautos sowie mehrere Porsche-Rennwagen und andere spezielle Modelle.
Die Werte alter Porsche gehen seit einigen Jahren steil nach oben. Sind Ihre Kunden eher Menschen, die Autos kaufen, um sie zu fahren oder eher um sie als Investmentobjekt zu verwahren?
Unsere Kunden kommen aus allen Bereichen. Wir haben Liebhaber, die eine komplette Sammlung besitzen oder ihre aktuelle Sammlung optimieren möchten, aber auch vermögende Menschen, die das Risiko in ihren Portfolios breiter streuen wollen. Zu uns kommen Jungunternehmer, die anstelle eines neuen Porsche lieber einen alten kaufen, oder Erben, die ein gutes Investment suchen. Es kommen sogar auch Firmenbesitzer, die einen seltenen Porsche kaufen und als Sicherheit in ihre Firma stecken.
Gründe für den Porsche-Boom
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für den Porsche-Boom der letzten Jahre?
Ein klassischer Porsche ist ein extrem nachhaltiges Investment. Er bietet ein tolles Image, viel Fahrspaß und er ist sehr zuverlässig. Man riskiert keinen Wertverlust wie bei einem modernen Porsche. Bei Kapitalbedarf ist relativ er einfach wieder zu verkaufen. Momentan ist auf dem Weltmarkt einfach sehr viel Cash im Umlauf und der Markt kann die Nachfrage nach guten Autos nicht mehr decken. Zudem muss man speziell in Deutschland als Privatmann den Veräußerungsgewinn bei einem Fahrzeugverkauf nicht versteuern. Und es gibt die Ein-Prozent-Regelung für Firmenautos – hier muss lediglich ein Prozent vom ursprünglichen Kaufpreis monatlich versteuert werden. Bei einem Porsche 2.4 S Coupé, der 1972 etwa 30.000 D-Mark gekostet hat, wären es circa 150 Euro im Monat.
Ganz persönliche Lieblingsporsche
Welcher ist Ihr Lieblingsporsche?
Ich habe mehrere Lieblingsporsche, die Bestandteil unseres Museums sind: Der erste Porsche 968 Turbo S, der ehemalige Pressewagen. Ein sehr früher 911. Der ehemalige 3.0 Turbo von Ferry Porsche. Ein 911 Carrera Rallye, der bei der Rallye Akropolis und in San Remo gefahren ist. Und Polizei-Porsche in verschiedenen Varianten.
Wenn Sie Ihren Traumporsche kaufen könnten mit unlimitiertem Budget, welcher wäre das?
Ein Porsche 356 America Roadster und Steve McQueens Porsche 911 2.2 S aus dem Film „Le Mans“.
Und welcher ist für Sie der technisch überragendste Porsche aller Zeiten?
Der Porsche 993 GT1.
Auch andere Marken haben schöne Töchter
Und zum Schluss, ganz unter uns: Gibt es auch Modelle anderer Marken, von denen Sie träumen?
Ja, von einem Aston Martin DB5 Shooting Brake und einem Lamborghini Miura SV.
Fotos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2015.