Auf der Hunaudières-Geraden erreichte „Moby Dick“ wahnsinnige 366 km/h.
Mit Porsche typischer Gründlichkeit gehen die Stuttgarter ihr aktuelles Le-Mans-Vorhaben an. Ein eigenes Projekt-Team mit rund 200 Mitarbeitern ist derzeit ausschließlich damit beschäftigt, zum Start der kommenden WEC-Saison im April 2014 alles auf Sieg zu programmieren. Neben den verschiedenen 6-Stunden-Rennen bildet dabei das 24-Stunden-Langstreckenrennen den absoluten Höhepunkt der Mission „The return to Le Mans“. Und um den Ehrgeiz weiter anzufachen, stellt Porsche am Hockenheimring demonstrativ eine Erfolgsgeschichte zur Schau, die tatsächlich ihresgleichen sucht: 800 Porsche-Fahrzeuge sind in 62 Jahren Renngeschichte in Le Mans an den Start gegangen. 103 Erfolge und insgesamt 16 Gesamtsiege zieren die Bilanz.
Kein anderer Hersteller war in Le Mans erfolgreicher – Le Mans gilt bei Porsche als das „sportliche Wohnzimmer“. Mit dem 911 GT1 errang Porsche 1998 den letzten Gesamtsieg. Ein Auto wie ein rollendes Forschungslabor: Das Basismodell musste gemäß Reglement straßenzugelassen sein. Das Chassis bestand aus leichter und hochfester Kohlefaser und rennt mit einem Doppelturbo-Boxermotor noch heute 350 km/h in der Spitze.
Mit einem stärkeren Auto muss der Coup gelingen!
Noch unter einem ganz anderen Vorzeichen stand das erste Le-Mans-Engagement, damals im Jahr 1951. Es war das dritte 24-Stunden-Rennen nach Kriegsende überhaupt. Porsche folgt der Einladung des Le Mans-Rennleiter Charles Faroux und startete mit einem 356 SL (Super Leicht) mit Aluminiumkarosse. Radabdeckungen sollten den Luftwiderstand minimieren. Auguste Veuillet und Edmonde Mouche fuhren mit 46 PS und 118 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit einen Klassensieg ein. Der Anfang war gemacht.
Porsche will jetzt dran bleiben. 1953 folgt das 550 Coupé mit leichterer Karosserie und besserer Aerodynamik. Zwei Solex-Fallstromvergaser bringen den 1,5-Liter-Motor auf nun 78 PS Leistung. 1958 ist die Zeit für den 718 RSK Spyder angebrochen. Edgar Barth und Paul Frère gewinnen mit dem RSK und der Startnummer 31 die 1,5-Liter-Klasse und werden Vierte der Gesamtwertung – die Ambitionen zahlen sich mehr und mehr aus. Ein weiterer Vorstoß gelingt mit dem wunderbaren 904 Carrera GTS in avantgardistischer Metall-Kunststoff-Verbundweise: die Gesamtränge Sieben, Acht, Zehn, Elf, Zwölf und der Klassensieg in der GT-Klasse bis zwei Liter Hubraum markieren den Revieranspruch. Mit einem stärkeren Auto muss der Coup gelingen!
Mehr fliegen als fahren
Doch fünf Jahre sollte es noch dauern, bis Porsche den 917 an den Start bringt. Und erst ein Jahr später, 1970, holt der 917 Kurzheck mit der Startnummer 23 den ersten Gesamtsieg nach Stuttgart. Am Steuer: Hans Herrmann und Richard Attwood, die sich bei der Marter abwechseln. Vor der Hinterachse: der erste Zwölfzylindermotor von Porsche. Ein 4,5-Liter Aggregat, welches den nur 830 Kilogramm leichten Rennwagen mit 580 PS einheizt. Top-Speed: 340 km/h. Fahrgefühl: jenseits von Gut und Böse. Mehr fliegen als fahren. Denn tatsächlich war der 917 alles andere als aerodynamisch ausbalanciert. Das änderte sich auch nur wenig mit dem ein Jahr später startenden 917 Kurzheck, der es nun auf 600 PS bei 800 kg bringt. Immerhin reduzieren die Haifischflossen am Heck den Luftwiderstand um elf Prozent. Gijs can Lennep und Helmut Marko siegen mit 222,30 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit.
Le-Mans-Siege am laufenden Band
Jetzt hat Porsche endgültig das Rennfieber gepackt. 1974 folgt der 911 Carrera RSR Turbo 2.1, doch erst mit dem Typ 935 räumt Porsche ab 1976 in der „Gruppe 5“ wieder richtig ab. 1979 schlägt der nächste Gesamtsieg zu Buche. Parallel entsteht in kürzester Zeit der 936/77 für die „Gruppe 6“ – ein irres Gefährt mit beinahe possierlich kleinen Rädern und offenem Cockpit, aber 360 km/h schnell. Der mit zwei Turboladern ausgerüstete Spyder gewinnt 1976 und 1977. Doch die wohl brutalste Interpretation des Themas 911 symbolisiert „Moby Dick“, Werkskennung 935/78. Noch heute geht der 3,2-Liter Doppelturbo extrem forsch nach vorne. Auf der Hunaudières-Geraden erreichte Moby Dick wahnsinnige 366 km/h Spitzengeschwindigkeit.
„Der erste Porsche mit aerodynamischen Ground-Effect war der Typ 956“, erinnert sich Manfred Jantke, damals Pressechef bei Porsche. „Damit hatten wir alles richtig gemacht!“ Die weiß-blaue Flunder im Rothmanns-Livree beginnt gleich mit einem Dreifachsieg und räumt noch bis 1985 die Gesamtsiege ab. Der Nachfolger vom Typ 962 holt ebenfalls noch drei weitere Gesamtsiege: 1986, 1987 und 1994. Und spätestens mit dem Triumph des 911 GT1 im Jahr 1998 wird nun auch dem letzten Zweifler klar, wo die Latte für 2014 liegt: ganz oben. Auch wenn sich bei Porsche damit freilich noch niemand offiziell zitieren lassen möchte.
Fotos: Porsche