Thijs und Anthony, danke, dass Ihr heute mit uns ausführlich über RNR Classics sprecht. Ehe wir uns Eurem in Varsenare und damit in unmittelbarer Nachbarschaft zur legendären Rekordstrecke (Jaguar, MG etc.) auf der Autobahn bei Jabekke liegendem Unternehmen zuwenden. Was waren Eure frühesten und die Passion weckenden automobilen Erinnerungen?
Thijs Verhage (Gründer von Rock 'N Roll Classics): „Das Feuer in mir wurde entfacht, als ich mit einem Freund und dessen Großeltern unterwegs war. Ich war damals neun und entdeckte in einem Geschäft ein riesiges Ferrari-Buch, auf dessen Cover ein damals neuer Testarossa abgebildet war. Mit Hilfe der Großeltern meines Freundes kaufte ich es auf der Stelle und verschlang es während meiner Kindheit viele Abende lang. Die Leidenschaft für klassische und generell für Sportwagen hat mich seitdem nie verlassen und jetzt, da ich selbst einen Testarossa in der Farbe Prugna Metallizzato besitze, schließt sich der Kreis! Was auch nie verschwunden ist, ist das Buch: Es liegt immer noch, wenn auch in etwas „gebrauchterem“ Zustand, auf dem Tisch in meinem Wohnzimmer!“
Anthony Vander Stichele: „Für mich begann auch alles in sehr frühen Jahren. Ich kann mich nicht einmal an die erste Erinnerung oder Anekdote erinnern – mein Vater ist ein großer Autonarr und bei allem, was wir taten oder unternahmen, waren immer Autos im Spiel. Es wurde für mich zu einer Herausforderung, jede Marke und jedes Modell zu kennen und zu erkennen. Alles daran faszinierte mich. Immer wenn ich von weitem einen Motor hörte, musste ich herausfinden, zu welchem Auto er gehörte. Als ich ungefähr 12 Jahre alt war, entwickelte ich eine große Obsession für den Mercedes 190E und besondere für die 16V-Versionen. Als ich mit 18 Jahren einen 190er als mein erstes Auto kaufte – da waren sie noch erschwinglich – war das der Beginn meines Klassiker-Erlebnisses.“
Mit dieser Vorgeschichte ist es keine Überraschung, dass Ihr beide lebenslange Petrolheads seid! Könnt Ihr uns dennoch etwas mehr über Euren Background und die Anfänge Eures Unternehmens erzählen?
Thijs: „Mein Großvater gründete 1949 ein Motorradgeschäft und arbeitete bis zu seinem Tod im Jahr 2001 darin. Er war ein BMW-Motorradhändler und verkaufte auch Suzuki und Kreidler. Ich bin buchstäblich zwischen den alten, unrestaurierten FN, Saroléa, Villiers und natürlich BMW, Suzuki und Kreidler aufgewachsen. Einige dieser Motorräder habe ich noch! Die Bikes weckten mein Interesse an alten Maschinen und das erwähnte Buch das an Autos. Seit ich neun war, stand für mich fest: Oldtimer und Sportwagen sind das, was ich machen will!“
Anthony: „Aufgrund meiner Leidenschaft für Autos war mir klar, dass ich etwas im Oldtimergeschäft machen wollte. Aber wo fängt man als Student, der gerade sein Wirtschaftsstudium abgeschlossen hat, an? Darüber hinaus ist die Classic-Car-Branche ein Nischensektor, in dem es nur wenige Stellenangebote gibt. Dann traf ich vor etwa sechs Jahren Thijs und RNR Classics und hatte sofort das Gefühl, dass ich hier hingehöre. Gemeinsam gelang es uns, RNR Classics von einem Start-up in einen professionellen One-Stop-Shop zu verwandeln, der Kunden auf der ganzen Welt unterstützt.“
Es scheint, als sei es vorherbestimmt gewesen, dass Ihr Euch trefft. Wie würdet Ihr die Anfangstage des Unternehmens beschreiben?
Thijs: „Ende 2015 wurde offenkundig, dass das Geschäft mit klassischen Autos professionalisiert werden musste. Ich sah eine Gelegenheit, die Erfahrungen, die ich bei einem der größten Mercedes-Benz-Händler Belgiens gesammelt hatte, in ein Oldtimergeschäft einzubringen. Der Anfang war hart, ich musste mehr oder weniger bei Null anfangen, mit praktisch keinem Budget, ohne Kunden, ohne Autos und ohne Techniker, nur mit dem festen Glauben an den Plan. Sehr bald hatte ich zum ersten Mal Glück, als unser erster und heutiger Meistertechniker zu uns stieß. Unser allererster Kunde war der Besitzer eines Aston Martin DB4, der nur ein paar Kilometer von unserem ersten workshop entfernt eine Panne hatte. Er googelte eine Werkstatt und fand uns – just als wir dachten, die Tage unserer wenig beeindruckenden Werkstatt seien gezählt. Es stellte sich heraus, dass das Auto eine Menge Probleme hatte, die der Besitzer uns alle beheben ließ. Er war so zufrieden mit der Qualität der Arbeit, dass er uns einige seiner anderen Autos reparieren ließ und RNR bei seinen Freunden weiterempfahl. Das bedeutete nicht nur ein erstes echtes Einkommen für uns, sondern er ist RNR seitdem treu geblieben. Das festigte unser Ethos: Was auch immer Sie tun, liefern Sie nie weniger als die beste Qualität!“
„In den ersten Jahren erlebten wir die Höhen und Tiefen, die man erwarten konnte, aber wir wuchsen weiterhin sehr schnell. Wir fanden den besten Karosseriebauer weit und breit und konnten uns einen ebenso talentierten Motoren-„Rebuilder“ sichern, die beide ihre eigenen Abteilungen ausbauten und leiteten. Anthony kam genau zum richtigen Zeitpunkt zu uns, und gemeinsam brachten wir RNR auf ein ganz neues Niveau. Vor drei Jahren konnten wir unsere neue Werkstatt kaufen und ab dann starteten wir richtig durch! RNR beschäftigt jetzt insgesamt 25 qualifizierte Fachleute. In jedem Einzelnen brennt die Leidenschaft und fließt Treibstoff durch die Adern, was es uns erlaubt, selbst die schwierigsten und anspruchsvollsten Aufgaben anzugehen und ein exzellentes Ergebnis zu liefern.“
RNR Classics kümmert sich um alles, vom Verkauf über die Restaurierung bis hin zu Motorenrevisionen. Es klingt, als ob Ihr eine ganzheitliche Lösung für alle aktuellen oder zukünftigen Besitzer von Oldtimern und Sportwagen anbietet?
Thijs: „In der Tat. Die Idee war von Anfang an, alles intern zu erledigen. So sind wir nicht von anderen abhängig und können Qualität, Budget und Zeitplan fest im Griff behalten. Dieser Ansatz macht uns auch zukunftssicher in einer sich ständig weiterentwickelnden Welt. Unsere verschiedenen Abteilungen sind: Verkauf, Werkstatt, Motor- und Getriebe-Shop und Karosserie-Shop. Wir haben gerade die Übernahme einer weiteren Werkstatt abgeschlossen, die auf die Restaurierung und den Umbau elektrischer Komponenten wie Anlasser, Zündverteiler und Lichtmaschinen spezialisiert ist. Ab nächsten Monat geht also eine weitere Abteilung und zusätzliches Personal an den Start!“
Wie unterscheidet sich Euer Restaurationsservice von anderen Spezialisten in der Branche? Die Möglichkeit, so viele verschiedene Services – vom Motorumbau bis hin zu Lackier- und Karosseriearbeiten – in-house durchzuführen, trägt doch sicher dazu bei, den Restaurationsprozess zu rationalisieren?
Anthony: „Der ‚All-in-House‘-Ansatz war anfangs eine harte Nuss, hat sich aber in den letzten Jahren sowohl für uns als auch für unsere Kunden als wahrer Segen erwiesen. Wir haben viel in die Rationalisierung von Prozessen sowie in die Organisation und Effizienz investiert, um nicht nur unseren Kunden die bestmögliche Kommunikation bieten zu können, sondern auch interne Arbeitsabläufe zu optimieren. Wir glauben fest an das belgische Motto „Einigkeit schafft Stärke“ und das zeigt sich in allem, was wir tun. Jede Abteilung strebt danach, in dem, was sie tut, die Beste zu werden, und alle Fortschritte, Verbesserungen und Qualitätsgewinne werden, wenn möglich, an die anderen Abteilungen weitergegeben und dort umgesetzt. Für uns ist die Organisation ein ebenso wichtiger Geschäftszweig wie alle anderen, und wie bei allem, was wir tun, sind Qualität und Ergebnisse gefragt!“
Was ist Eure Restaurierungsphilosophie – konzentriert Ihr Euch auf ‚fabrikneue‘ Umbauten oder behutsame Restaurationen? Oder wird das Vorgehen durch das konkrete Auto bestimmt?
Thijs: „Natürlich erfordert jedes Auto eine spezielle Herangehensweise, und sein Besitzer hat immer eine Vorstellung davon, wie sein Auto instandgesetzt oder restauriert werden soll. Wir streben immer danach, das vom Besitzer gewünschte Ergebnis zu erzielen, weichen jedoch nie von unseren einfachen Grundprinzipien ab. Erstens machen wir nie Abstriche bei der Qualität. Wenn wir aus dem einen oder anderen Grund bei einer Restaurierung oder Reparatur nicht nach Perfektion streben dürfen, sollten wir das Projekt nicht in Angriff nehmen. Unser Name wird noch Jahrzehnte mit einem fertigen Auto verbunden bleiben, daher muss jedes einzelne Projekt ein Ausweis unserer Expertise und unserer Handwerkskunst sein.“
„Zweitens sind wir stets bestrebt, ein Auto so originalgetreu wie möglich zu erhalten. Wenn irgendein Teil oder ein Karosserieblech gerettet werden kann, bringen wir es in den ursprünglichen Zustand zurück und verwenden es erneut am Auto. Es ist leicht, einem Auto seine Seele und seinen Charakter zu nehmen, indem man seine Teile durch völlig neue ersetzt. Aber das ist nicht das, wofür wir stehen. Qualität kann Hand in Hand mit Originalität gehen, wenn man weiß, was man tut und versteht, was getan werden muss.“
2024 war nicht gerade ein starkes Jahr für die Industrie. Was denkt Ihr, hat 2025 für die Sammlerauto-Welt parat?
Anthony: „2024 erwies sich als herausfordernd, aber unser ständiges Streben nach Verbesserung hat es tatsächlich zu einem guten Jahr für uns gemacht. Wir hatten bereits im Vorfeld begonnen, mehr Youngtimer zu kaufen und zu verkaufen, und dadurch hat unsere Werkstatt jetzt bereits viel Erfahrung mit diesen Autos. Es war vorauszusehen, dass in den letzten anderthalb bis zwei Jahren Youngtimer und Performance Cars den Markt im Sturm erobern würden. Wir sehen diesen Trend jedoch nicht als Ersatz für die Klassiker, sondern als willkommene Ergänzung sowohl für den Markt als auch für unsere Werkstatt. Es ist eine positive Entwicklung, die verschiedene Menschen für die aufregende Welt der Sammlerautos aktiviert und sie einbezieht. Viele Modelle werden weiterhin eine „Normalisierung“ ihrer Werte erleben, während die Preise für „Blue Chip“-Autos weiterhin neue Höhen erklimmen werden. Der Schwerpunkt des Marktes wird sich weiterhin in Richtung jüngerer Modelle verlagern, aber wir glauben, dass die Grundprinzipien gleichbleiben werden.“
RNR Classics hat eine unglaublich vielfältige Auswahl an Autos auf Lager. Aber welche begeistern Euch im Moment am meisten, sowohl aus der Sicht eines Enthusiasten als auch eines Sammlers? Gibt es bestimmte Modelle oder Autotypen, die Ihr dieses Jahr besonders im Auge behalten werdet?
Thijs: „Wir haben tatsächlich das Glück, unsere Leidenschaft und unseren Traum leben zu können, und ja, das bedeutet, dass wir alle möglichen Marken, Typen und Versionen von Autos lieben. In letzter Zeit hatten wir viele verschiedene Ferrari und Lamborghini, und sie kommen immer gut an, je spezieller, desto besser. Wir suchen immer nach sehr schönen Benz-Modellen mit dickem Motor, wie dem SLR oder dem SL65 AMG, und wir sind fest davon überzeugt, dass die Topversionen des früher weniger beliebten Porsche 996 zu den stärksten Aufsteigern gehören werden. Man kann mir gerne jederzeit einen 996 GT2 Clubsport anbieten. Natürlich werden die Big Five und die sonstigen Klassiker von Ferrari immer extrem begehrt sein, doch man sollte auch weitere exotische Supersportwagen der Neunziger und 2000er-Jahre nicht vergessen. Aber auch ein wirklich originaler Vorkriegs-Bugatti mit einer großartigen Geschichte lässt unser Herz höherschlagen, und fast jedes Auto mit einer ausgefallenen Farbe oder anderen Extras kommt gut an. Wir haben sogar persönlich einige Renault Twingo der ersten Serie mit Schiebedach und Suzuki Samurai mit verrückten Aufklebern gekauft, nur zum Spaß!“
Wir sind froh, dass wir mit unserer Twingo-Besessenheit nicht allein sind! Wenn ein Kunde sein neues Auto für Rennen oder Rallyes nutzen möchte, könnt Ihr ihm auch dabei helfen? Welche anderen After-Sales-Services bietet Ihr an?
Anthony: „Obwohl wir als Hobby Motorradrennen fahren und eine ganze Reihe von Trackdays mit Oldtimern und Youngtimern absolvieren, für die wir unsere eigenen getunten Motoren bauen, sind wir in der Rennsportwelt nicht wirklich professionell aktiv. Sehr dagegen in der Oldtimer-RT-Rallye-Szene, für die wir jedes Jahr eine große Anzahl der dort startenden Autos warten. Wir sind der exklusive technische Partner der beiden größten und wichtigsten Oldtimer-Rallye-Events in Belgien – dem Zoute Grand Prix und der Le Grand Tour/Le Petit Tour –, zu denen wir pro Event bis zu fünf Serviceteams mit jeweils zwei Technikern entsenden. Wir sind darüber hinaus der exklusive Vertriebspartner der Marke mit den besten Rallye-Wegstreckenzählern: Blunik. Natürlich betreuen wir auch Autos unserer besten Kunden bei Events wie der Mille Miglia, den Spa Ferrari Days und dem ICE St. Moritz. Und ja, wir sind nicht nur als Service-Dienstleister dabei, sondern nehmen auch selbst an Wettbewerben teil, versuchen, gute Ergebnisse zu erzielen und dabei Spaß zu haben! Letztes Jahr erreichten wir beim Zoute Grand Prix mit einem atemberaubenden Veritas von 1936 (auf Basis eines BMW 315-Chassis) den ersten Platz in der Kategorie Vorkriegswagen und den zweiten Gesamtrang!“
Letzte Frage: Was hält die Zukunft für Rock ‘N-Roll Classics bereit?
Thijs: „In Belgien gibt es ein Sprichwort: Stillstand ist Rückschritt! Seit anderthalb Jahren arbeiten wir an einem Projekt, das kürzlich in den sechsten Gang geschaltet wurde. Wir sind jetzt in die Testphase eingetreten, und die ersten Ergebnisse sehen sehr vielversprechend aus. Es ist noch zu früh, um Genaueres zu verraten, aber keine Angst, es kommen rechtzeitig Neuigkeiten!
Ansonsten werden wir bei der diesjährigen Rétromobile in Paris vertreten sein. Also schaut zu, dass Ihr auf unserem Stand vorbeischaut und ein belgisches Bier mit uns trinkt!“
Fotos: Sian Loyson