Bei Mechatronik kennt man sich mit den anspruchsvollsten Modellen von Mercedes-Benz bestens aus – im Showroom und der Werkstatt steht alles von 300 SL bis zu CLK GTR und dazu noch eine beeindruckende Anzahl von Fahrzeugen mit Einhorn-Status und ohne Stuttgarter Stern. Trotz dieses hochkarätigen Angebots besitzt das Auto, um das es sich heute dreht, eine Art Alleinstellungsmerkmal, nicht nur wegen der Geschichte der Wiederentdeckung nach fast zwanzig Jahren auf einem Parkplatz, sondern auch, weil es sich um eines der großartigsten Schöpfungen aus den frühen, prägenden Jahren von AMG handelt.
Dieses durch und durch eingestaubte Dornröschen ist ein Mercedes-Benz SL 73 AMG von 1999. Affalterbach-Kenner werden wissen, dass 1999 zugleich das Jahr war, in dem die DaimlerChrysler AG Mehrheitseigner bei AMG wurde und damit das Unternehmen transformierte und mit Mercedes-AMG GmbH in den Namen, den wir heute kennen, umbenannte. Damit ist dieser SL der Baureihe R129, der am 28. Juli 1999 für eine SL 73-Konversion an AMG geliefert wurde, eines der frühesten Autos überhaupt, die nach der Fusion entstanden sind.
Schon im Verlauf der 90er Jahre hatte AMG alles darangesetzt, dem keilförmigen R129 soviel Leistung wie möglich zu entlocken. Das fing mit den 385 PS des 500 SL 6.0 AMG in 1990 an und wurde nur noch aberwitziger, als AMG immer mehr Power in die Modelle packte. 1993 folgte der SL 60 und 1998 der SL 70 und SL 72. Der SL 70, der dann schon 496 PS entfesselte, aber der Wahnsinn entwickelte erst richtig Methode mit dem ultra- extremen SL 73, der die Kraft von 526 PS auf die Straße brachte.
Von dem SL 73, der extrem selten offiziell beworben oder in Verkaufsbroschüren auftauchte, wurden weniger als 85 Stück gefertigt. Ehe sie nach Affalterbach für ihre finale Umwandlung gefahren wurden, starteten sie als Topmodell SL 600 komplett mit AMG Styling Package. Die Metamorphose kostete kolossale 99.180 DM, womit der Listenpreis auf über 350.000 DM schoss und den SL 73 zu einem der teuersten Autos damals machte. Das Kronjuwel innerhalb der Verwandlung des SL 73 war dieses technische Kunststück eines Motors: Ein aufgebohrter 7,3-Liter-V12, der Baureihe M120, der im legendären CLK GTR Super Sport als 7,3 l. zum Einsatz kam, später auch im ikonischen Pagani Zonda S zum Einsatz kam. Eine recht teuflische Verwandtschaft für einen gereiften Grand Tourer.
Abgeschlossen und genehmigt vom TÜV in Affalterbach am 11. August, 1999, wurde dieser SL dann in die Pflege seines ersten deutschen Besitzers, Wolfgang Lanzendörfer, übergeben. Dessen Namen ist immer noch auf den Türschwellen und dem Ganghebel verewigt. Für sein einmaliges Auto wählte Lanzendörfer auch eine spektakuläre Konfiguration: Er verband Bernsteinrot Metallic, übrigens der einzige SL 73 in dieser Farbkombination, mit zweifarbigem Designo-Leder in schwarz und rot für das Interieur. Rote Karbonfaser-Elemente sorgten für weitere Ausrufezeichen im Cockpit.
Nach einem Service im Mai 2001 und dann wieder im Juni 2003 wurde der SL 73 von seinem zweiten Besitzer 2005 bei einer Auktion ersteigert. Dieser neue Eigner nutze den SL73 im Laufe eines Jahres ausschließlich für wenige Bewegungsfahrten mit rotem Händlerkennzeichen, ehe er ihn dann endgültig parkte. Somit findet man heute, mehr als 24 Jahre nach Auslieferung und Erstzulassung noch immer nur einen Haltereintrag im originalen deutschen Fahrzeugbrief, welcher zusammen mit sämtlichen Werksunterlagen und originaler SL73 Bordmappe dem Fahrzeug beilag. Mehr als 17 Jahre später setzte sich der Besitzer mit Mechatronik in Verbindung, mit der Überlegung, das Auto eventuell Instandsetzen zu lassen. Aber als Mechatronik von der Geschichte und Bedeutung dieses AMG erfuhr, entschloss man sich, das Auto selbst zu erwerben.
Nach einer umfassenden Fahrzeugwäsche, welche die Spuren von 17 Jahren Einlagerung entfernte, wurde festgestellt, dass der Wagen noch immer seinen Erstlack besaß. Die Spezialisten bei Mechatronik machten sich an die Arbeit, um diesen wundervollen SL 73 zu ehemaligem Glanz zu verhelfen, unter anderem untersuchten sie den Motor per Endoskop, bevor Zündspulen und Einspritzdüsen gereinigt werden konnten, die Zündkerzen wurden ebenfalls ersetzt.
Die Kraftstoffanlage wurde genauso geprüft, die Kraftstoffpumpen, sowie die Filter ersetzt, zudem wurden alle Flüssigkeiten ausgespült und ebenfalls ersetzt, um ganz sicher zu gehen, dass sich der mächtige V12 in bester Gesundheit befindet. Die letzten Schritte bestanden darin, die Fahrwerkshydraulik einem Service zu unterziehen. Zu guter Letzt erhielt der SL 73 neue Michelin Pilot Sport 5-Reifen. Nach Abschluss sämtlicher technischer Arbeiten, fand eine umfangreiche Lack-und Innenraum Aufbereitung in der hauseigenen Detailing-Abteilung statt, welche den Wagen, abgesehen von geringen Gebrauchsspuren nahe an den Auslieferungszustand von 1999 zurückversetzte.
Dank dieser Arbeiten sieht der SL 73 heute wieder so strahlend aus wie an jenem Tag, als er bei AMG die Produktion verließ. Zum Auto gehört das originale Panorama-Hardtop, die kompletten Unterlagen, darunter die SL 73-Bedienungsanleitung und Serviceheft. Nun ist endlich dieser SL in dem Zustand, der einem der besten Exemplare der seltensten und frühesten AMG-Meisterstücke nach der Fusion gebührt. Interessant ist auch, dass sich dieser SL 73 optisch kaum von seinen anderen R129-basierten Gefährten unterscheidet. Nur das Emblem und die Zwillings-Endrohre lassen vermuten, dass sich unter der Motorhaube ein 7,3-Liter-Monster verbirgt. Was einen Sleeper, ein Auto, das erst auf den zweiten Blick seine Power offenbart, angeht, dürfte wenig cooler sein, als dieses Wunderwerk in Bernsteinrot. Sollten Sie auch ein seltenes Mercedes AMG-Modell in Ihrer Garage stehen haben und mit dem Gedanken spielen es zu verkaufen, dann wenden Sie sich vertrauensvoll an Mechatronik, welche immer auf der Suche nach besonderen Sammlerstücken aus Affalterbach sind!
Photos by Kevin Bitz