Wir haben uns bei Classic Driver oft mit den Entwicklungen des großen Alois Ruf und seinem gleichnamigen Tuningunternehmen in Pfaffenhausen beschäftigt. Wenige würden bestreiten, dass ein von RUF konzipiertes Auto schon als etwas ganz Besonderes gilt. Doch der „weiße Pegasus“, der aktuell von Porsche-Spezialist Jan B. Luehn angeboten wird, ist im Kreis seiner Stallgefährten sogar noch mehr als besonders.
Dieses „fliegende“ Exemplar wurde 1996 von dem japanischen Enthusiasten Jun Takeyama bestellt, Präsident von Japans RUF Owner´s Club, ein persönlicher Freund von Alois Ruf und ein Mann, der das jüngste, auf der 993-Baureihe basierende CTR2-Modell enorm bewunderte. Aber der Japaner wünschte sich noch mal mehr aus Pfaffenhausen: Sein CTR2 sollte – ohne Ausnahme - der schnellste und extravaganteste der Welt sein.
Um diesen Wunsch zu erfüllen, wurde zunächst eine fabrikneue 993-Karosserie vom Porsche-Werk bestellt, eine Grundlage, die allen 29 gebauten CTR2 gemein war. Aber dieses Exemplar erhielt eine ganze Reihe von Modifikationen, die es leichter und aerodynamischer machen sollten. So entfernte man unter anderem die Regenrinnen, es wurden von RUF entwickelte vordere Kotflügel aus Karbon-Kevlar eingepasst, die außerdem über einmalige Lufteinlassschlitze verfügten, welche die Karbonfaserhaube flankierten. Hinzu kamen ein vorderer Stoßfänger, von RUF entworfene und gebaute Spoiler und Seitenschweller, Aluminiumtüren sowie Heck- und Seitenfenster aus Lexan-Polykarbonat.
Aber es war am Heckende dieses CTR2, dass die Eingriffe wirklich radikal wurden. Bedeutend breiter als beim serienmäßigen 993, wurde eine kombinierte Spoiler-Lufteinlasseinheit integriert, Intercooler für die beiden Turbolader wurden in die Karosserie montiert, Lüftungsschlitze und Auslässe für die beiden zentralen Auspuffrohre in den Stoßfänger verbaut.
Takeyama forderte, dass sich dieses Rennwagen-für-Straße-Leitmotiv auch im Interieur widerspiegeln sollte – an Stelle der relativ luxuriösen CTR2-Serienkabine erhielt er als ein Merkmal die schlichtesten Fußmatten, federleichte Recaro-sitze, Türpaneele aus Karbon, Fünf-Punkt-Gurte von Sabelt und ein Armaturenbrett, dass nicht nur mit Alcantara ausgekleidet war, sondern auch noch in Lightweight-Alcantara.
Takeyama meinte es mit seinem Ansinnen wirklich ernst. So verlangte er zusätzlich, dass die Heizungseinheit nach links gerückt werde, um schnellen und einfachen Zugriff auf den Turbo Boost Control zu haben, der sich verlockenderweise nur einen Fingerzeig entfernt von der Schnellentriegelung des RUF-Lenkrads befindet. Diese befindet sich – nicht minder wichtig – in Nähe des Zündungs-Trennschalters und verbundenen Feuersystems.
Im Heck dieser sonderangefertigten Perfektion thront der luftgekühlte Twin Turbo-Sechszylinder-Boxermotor mit 3,6 Liter Hubraum, der sorgfältigst von RUF aufgebaut wurde und mit RUF-eigenen Einspritz- und Auspuff-Systemen komplementiert worden ist. Das manuelle Sechsganggetriebe stammt zusammen mit dem Sperrdifferential ebenfalls aus dem Hause RUF und schickt 520 PS bei 5.800 Umdrehungen an die Heckachse, die den nur 1.330 Kilo leichten weißen Pegasus fliegen lassen (übrigens wiegt der CTR2 der Serie 50 Kilo weniger).
Eingefangen wird dieses weiße Wunderwerk von Bilstein-Gasdruckstoßdämpfer, riesigen 360mm-Scheibenbremsen, in die speziell für RUF gefertigte Brembo-Bremssättel greifen und ästhetisch geformten 18-Zoll-Modularrädern von Speedline.
Takeyama behielt dieses Auto über viele Jahre und fuhr damit bei Track Days und RUF-Veranstaltungen. Aber diese Einsätze sieht man diesem leichten CTR2 wahrlich nicht an, den der Enthusiast achtete von Anfang an darauf, dass die Unterseite gewachst wurde, ebenso wurde die Karosserie mit einem Schutzfilm versehen und die Speedlines wurden gegen Track-Räder getauscht, ehe er seine Sonderanfertigung auf einer Rennstrecke entfesselte.
Aus dem Besitz von Takeyama wanderte der einzigartige CTR2 zum legendären Tokioter Händler Bingo Sports und wurde schließlich 2016 nach Belgien zum neuen Eigner exportiert. Dieser ließ sich aber nicht von der Fülle der Unterlagen, die das verwöhnte Leben des Autos in Japan dokumentierten, beirren – er sandte das Auto zurück zu RUF, wo es einem umfassenden Service unterzogen wurde, dessen finanziellen Rahmen vermutlich kein Auge trocken ließ.
Im Januar des darauf folgenden Jahres stellte ein Porsche-Experte in Belgien einen nicht minder umfassenden Bericht – 63 Seiten! – über diesen One-off zusammen und stellte am Ende fest: „Das Auto wurde bis heute etwas über 18.500 Kilometer gefahren und sieht aus, als wäre es so gut wie gar nicht bewegt worden. Hier zeigt sich, dass die Vorbesitzer sich erstaunliche Mühe bei der Pflege gaben und es behandelten, wie es das auch zu verdienen hat.
„White Pegasus ist der ultimative CTR2, denn er ist der einzige in einer Serie von 29 Fahrzeugen in Leichtbau. Aufgrund seiner einmaligen Charakteristik, des makellosen Zustands und der Tatsache, dass RUF-Autos immer mehr an Sammlerwert gewinnen, kann man sicher davon ausgehen, dass dieses Exemplar in Zukunft eine Wertsteigerung erfahren wird.“
Was kann man dieser Einschätzung noch hinzufügen, außer: „White Pegasus, wir wollen dich – was muss man tun, um mitfliegen zu dürfen?“
Photos: Mario Bok © 2022