Der definitive, der ultimative Rennsportwagen von Ferrari? Da hat wohl jeder seine eigene Meinung – doch dürfte zumindest Einmütigkeit darüber herrschen, dass auf einer Shortlist der Ferrari 500 TR nicht fehlen darf. Wie die wunderbaren Aufnahmen eines aktuell bei den schwäbischen Restaurierungs-Spezialisten von Mechatronik zum Verkauf stehenden Exemplars zeigen, wirkt der 500 TR in seiner fließenden Scaglietti-Haut klein und juwelengleich – obwohl er ein wahrer Favoritenschreck war und die frühe Rennhistorie von Ferrari maßgeblich mitprägte.
Am 26. April 2021 ist es genau 65 Jahre her, dass Ferrari auf der New York Auto Show von 1956 das Tuch vom brandneuen 500 TR zog. Der Messestar beeindruckte die Besucher nicht nur durch sein Äußeres, sondern auch durch das, was unter der Haube saß – nämlich nicht der fast schon obligatorische V12-Kurzhuber von Gioacchino Colombo, sondern eine unter Leitung des zu Ferrari zurückgekehrten Ingenieurs Vittorio Jano überarbeitete Version des schon 1951 von Aurelio Lampredi entworfenen Vierzylinders. Der Zweiliter-DOHC-Motor mit Doppelzündung erhielt unter anderem neue Weber-Doppelvergaser, verstärkte Lager, ein leichteres Schwungrad sowie eine neue Kurbelwelle und wurde anders als zuvor mit dem jetzt vollsynchronisierten Getriebe verblockt. Neu für Ferrari war auch das erstmals mit Schraubenfedern bestückte Fahrwerk.
Das sichtbare Zeichen der motorischen Überarbeitung waren die rot lackierten Kappen der Zylinderköpfe – sie verliehen dem Auto als erstem Ferrari den Beinamen „Testa Rossa“. Der 500 TR erschien zu einem Zeitpunkt, als Ferrari als Hersteller noch nicht einmal ein Jahrzehnt existierte und unter diesem Markennamen erst weniger als 100 Autos auf die Straßen gebracht hatte. Zur gleichen Zeit hatte das „Springende Pferd“ aber bereits mächtig Eindruck in allen Klassen des Motorsports hinterlassen, von den Grand Prix-Rennen bis zu Langstrecken-Events mit GT-Fahrzeugen. Die Monoposti der Formel 1 und 2 feierten unter anderem zwei WM-Siege mit Alberto Ascari in 1952 und ’53, dank der Vierzylinder von Lampredi. In den Jahren 1953 und 1954 holte Ferrari darüber hinaus beide Male die WM-Krone der neu ausgeschriebenen Sportwagen-WM und unterlag 1955 dem neuen Gegner, dem Mercedes 300 SLR, nur um einen einzigen Punkt.
Auch wenn er 1955 die Firma verließ, lebte Lampredis Erbe weiter fort. Und es war eine Version seines Zweiliter-DOHC-Motors, die schon in den Kundenversionen des Ferrari 500 Mondial und 750 Monza ihr Potential bewiesen hatte. Doch im 500 TR wurde der Vierzylinder nun – wie beschrieben – nahezu auf Grand Prix-Standards aufgerüstet. Mit einem Trockengewicht von lediglich 680 Kilo und 180 PS wartete der 500 TR mit einem siegverdächtigen Mix aus schneller Beschleunigung, gutmütigem Handling und einer Höchstgeschwindigkeit von 245 km/h auf – ausreichend, um gegen die größeren, schwereren und PS-stärkeren Gegner à la Maserati A6GCS und Jaguar D-Type bestehen zu können.
Die Weltpremiere des 500TR in New York ließ auf Ferraris Zielgruppe schließen – den zahlungskräftigen amerikanischen ‚Gentleman Driver‘. Und es war dann auch ein solcher, der als Erster einen Ferrari 500 TR in Empfang nehmen durfte – das Auto mit Chassisnummer 0634MDTR. John V. Quackenbush, so sein Name, hatte sich auf MG TC und Austin Healeys die Hörner abgestoßen, ehe er für die Saison 1955 auf einen Ferrari 250 MM umsattelte. In der erste Hälfte der darauffolgenden Saison verzeichnete er, nun auf einem 500 Mondial, nur bescheidene Erfolge. Doch kaum war er im Juni auf seinen neuen Ferrari 500TR umgestiegen, ging es für Quackenbush schon an seinem ersten Wochenende mit dem Auto aufwärts: Platz vier und zwei bei den Lawrenceville Nationals.
Im Anschluss fuhr Quackenbush das Auto mit Begeisterung zwölf weitere Monate, unter anderem im Elkhart Lake Sprint (Zweiter), beim Lake Erie GP (Erster) und bei den 6 Stunden von Road America (Zweiter in der Klasse). Doch bei einem weiteren Event an gleicher Stelle gab der hart strapazierte Motor dann seinen Geist auf. Ferrari lieferte einen korrekten Ersatzmotor – der seitdem im Auto verblieb – was es Quackenbush und seinen Kollegen Dick Hogue und Graham Shaw erlaubte, den geliebten 500TR noch zwei weitere Jahre lang einzusetzen, ehe er an einen neuen Besitzer in Kanada verkauft wurde.
Für die nächsten zwanzig Jahre blieb der Ferrari dann mehr oder weniger im Dämmerschlaf, bis er beim renommierten Ferrari-Spezialisten Tom Selby von Grand Prix SSR in Setauket im Bundesstaat New York einer qualitativ hochwertigen Karosserie-Restaurierung unterzogen wurde. Von 1985 bis 1986 nahm sich dann Mike Depudja, ein Ingenieur aus Denver, Colorado, den mechanischen Komponenten an. 1999 schloss sich dann der Kreis, als der Ferrari nämlich wieder zurück nach Italien gelangte. Wo er sofort aus seinem Rentnerdasein gerissen und in eine zweite, hektische Wettbewerbskarriere geschickt wurde. Diese führte in der Folge zu sieben Einsätzen bei der Mille Miglia sowie Starts beim Oldtimer Grand Prix auf dem Nürburgring und der Maserati Ferrari Historic Challenge in Mugello. Nach einer im letzten Jahr bei Ital-Auto aus Köngen bei Esslingen durchgeführten Komplettüberholung des Motors steht dieser bemerkenswerte Krieger der Rennpisten in voll fahrbereitem Zustand zum Verkauf. Wieder bereit für den nächsten Renneinsatz.
„Da nur 19 Exemplare des Ferrari 500TR gebaut wurden, handelt es sich um ein sehr seltenes Modell – umso mehr, als dieses Exemplar noch die Original-Karosserie sowie auch die originale Motor- und Getriebeeinheit besitzt, dazu den Original-Ersatzmotor aus 1957“, verrät uns Pascal Stephan von Mechatronik. „Der Originalzustand wurde 2009 von Ferrari Classiche bestätigt und neben seinen Erfolgen bei historischen Motorsport-Events holte der Testa Rossa auch schon Preise bei diversen Concours.“
In der makellos aufgetragenen Werksfarbe „Rosso“ – dunkler und subtiler als das gewöhnlichere „Rosso Corsa“ – trägt der Ferrari 500 TR stolz Aufkleber seiner letzten Event-Auftritte. Und gibt sich eindeutig als Springendes Pferd zu erkennen, das nur auf das Kommando wartet, wieder losgaloppieren zu dürfen. Und was müssen Sie tun, um sich hinter der minimalistischen Windschutzscheibe ins wunderschön ausgeschlagene Cockpit des TR500 zu schmiegen? Die Antwort ist einfach: Nehmen Sie Ihr Telefon zur Hand und wählen Sie die Nummer von Mechatronik. Und welche Zahl auch immer man Ihnen dort nennen wird: Die Investition wird sich lohnen!
Fotos: Stephan Bauer © 2021