Das hat Madonna zu ihrer besten Superstar-Glanzzeit nicht geschafft: Als Anfang der zwanziger Jahre die bildschöne Josephine Baker erstmals die Bühne betrat, und in einem Bananenröckchen zu unerhörten Rhythmen wild tanzte, stand ganz Paris Kopf. Die schwarze Amerikanerin, die man heute eher eine Performancekünstlerin nennen würde, inspirierte Alexander Calder zu einer seiner typischen beweglichen Skulpturen, Henri Matisse widmete ihr ein Bild, Le Corbusier vergaß den weißen Kubus und zeichnete sie und der puristische Wiener Architekt Adolf Loos - ein weiterer Vorreiter der Moderne - entwarf für sie ein schwarzweiß gestreiftes Haus komplett mit Pool für Unterwassershows.
Der Schriftsteller F. Scott Fitzgerald („Der große Gatsby”) taufte damals die Epoche zwischen den beiden Weltkriegen The Jazz Age und beschrieb damit nicht nur den Siegeszug der Musik ehemaliger Sklaven in New Orleans, die in kürzester Zeit bis nach Europa reichte und deren ungestüme Lebensfreude und andersartige Rhythmen müde Traditionen sprengte. Dass Jazz immer mehr war, als nur der Soundtrack zu einem völlig neuen schöpferischen Lebensgefühl, beschreibt die Ausstellung „I Got Rhythm. Kunst und Jazz seit 1920” im Kunstmuseum Stuttgart. Deutsche Expressionisten wie Max Beckmann und Ernst Ludwig Kirchner tanzten den Charleston in den Berliner Varietés und übertrugen diesen für die Alte Welt unkonventionellen Beat in die Farben und Formen ihrer Bilder, Piet Mondrian feierte in einem seiner berühmtesten Bilder den Boogie Woogie. Und es gab Jazz-Größen wie Miles Davis, der nicht nur Picasso verehrte, sondern auch Impulse seiner künstlerischen Zeitgenossen wie Jackson Pollock in seine Kompositionen einfließen ließ.
Erstmals kann man dank dieser Ausstellung, die einen der berühmtesten Songs der Gerschwins zum Leitmotiv wählt, verfolgen, wie sich der junge Jazz und die Anfänge der klassischen Moderne befruchteten. Mit der Emigration vieler Künstler in die USA und dem Aufblühen einer starken Kunstszene im New York der fünfziger Jahre, fanden auch Free und Cool Jazz in der Avantgarde der Abstrakten Expressionisten Seelenverwandte. Und selbst Junge Wilde wie Arnold Oehlen und Jean-Michel Basquiat wurden für ihre Bildwelt nicht allein von Rap und Rock, sondern von Jazz-Klassikern wie Monk, Gillespie oder Mingus inspiriert. „Jazz ist ein gutes Freiheitsbarometer,” hat kein geringerer als Duke Ellington einmal festgestellt. Denn auch darauf wirft die Schau in Stuttgart einen Blick: Die Anerkennung und Bewunderung, welche die meist schwarzen Musiker von ihren Künstlerkollegen erfuhren, fand erst sehr spät einen gesellschaftlichen Widerhall.
Übrigens: Besucher können auf Kopfhören die Musik von Louis Armstrong und anderen hören, während sie die Ausstellung betrachten.