Was gäbe es für einen besseren Grund, im Frühling nach Mailand zu fahren, als den Salone del Mobile, wo die großen Möbelmarken ihre Neuheiten vorstellen? Doch natürlich ist es nicht nur die Messe selbst, die Designer, Händler und Journalisten aus aller Welt in dieser Woche wieder einmal in die italienische Kreativhauptstadt lockt. Satellitenmesse wie die Furiosalone bringen die Designschau in die Innenstadt und in fast jedem Hinterhof kann man dieser Tage einen kleinen Showroom, ein Atelier oder eine Ausstellung entdecken, in dem die Design-Avantgarde ihre Entwürfe zeigt.
Salone del Mobile
Arper, Cassina, B&B Italia, Flos, Minotti, Molteni & C, Poliform, Thonet, USB, Vitra, - keine große Marke aus der Welt des Interior Designs, die sich nicht beim Salone del Mobile präsentiert. Mit über 2.000 Ausstellern, die sich auf mehr als 200.000 Quadratmetern präsentieren, und über 300.000 Fachbesuchern aus mehr als 160 Ländern ist der Salone del Mobile jedoch kein Ort zum entspannten Flanieren und Entdecken. Wer den Salone in einem Tag "bezwingen" möchte, braucht eine intelligente Agenda und gute Schuhe. Wer in Rho nach unbekannten Namen und frischen Ideen sucht, wird derweil beim Salone Satellite in Halle 13 und 15 fündig.
Design Districts
Ganz Mailand verwandelt sich in dieser Woche in ein Design-Festival unter freiem Himmel - und jedes Viertel hat sein eigenes Programm. Der populärste Innenstadt-Parcours ist auch in diesem Jahr wieder die Tortona Design Week im einstigen Arbeiterviertel im Südwesten der Stadt. Wer hier wirklich alle Pop-Up-Events, Ausstellungen, Cocktailparties, Atelier-Eröffnungen, VIP-Präsentationen und Design-Talks besuchen will, darf an Essen und Schlaf nicht mehr denken. Doch auch in anderen Quartieren ist einiges los - etwa in den "5 Vie", einem Verbund aus fünf Straßen im Herzen der Stadt, im Brera Design District, dem traditionellen Künstlerviertel, oder in San Gregorio Docet, wo in diesem Jahr unter anderem die Wallpaper Arcade die Trendsetter auf den Plan ruft. Unser Tipp: Nicht mehr als 2 Design Districts pro Tag ansteuern und lieber einen Showroom weniger besuchen, dafür aber bei einem Espresso und der Leica in der Hand das bunte Treiben auf den Straßen beobachten.
Auto trifft Design
Auch viele Autohersteller nutzen den Salone del Mobile, um sich in kreativer Umgebung zu präsentieren. Die Cityflitzer-Marke Mini beweist ihre Kompetenz für kreative Raumnutzung unter dem Motto "Do Disturb" mit einem urbanen Wohn-Sharing-Konzept. Land Rover hat sich mit dem Designer Odo Fioravanti zusammengetan, das gemeinsame Projekt "Freeride" ist vom neuen Range Rover Evoque Convertible inspiriert. Im Audi City Lab dreht sich bei einem Design Talk mit Daniel Libeskind und Ingo Maurer am 15. April alles um Lichtdesign (und den neuen Audi Q2). Lichtkünstler Maurer lässt für Audi zudem die brutalistische Hochhaus-Ikone Torre Velasca in neuer Farbe erstrahlen. Im Superstudio Più in der Via Tortona gibt es derweil das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Jaguar und der Turiner Designschule IED zu bestaunen - im Zentrum steht der neue Jaguar F-Pace. An ein Speedboat der 1950er Jahre erinnert derweil der Öko-Roadster Setsuna aus Zedernholz und Birke, den Toyota im Opificio 31 präsentiert. Verpassen sollte man auch nicht Lee Brooms Salone del Automobile: einen Lieferwagen, in dessen Laderaum eine neue Lampenkollektion durch die Straßen von Mailand gefahren wird.
Triennale di Milano
Nach 20 Jahren Pause kehrt in in diesen Tagen auch die Triennale di Milano, eine internationale Kunst- und Designausstellung mit zahlreichen Einzelschauen und Events in der ganzen Stadt, nach Mailand zurück. Höhepunkte sind die Architekturausstellung "Rooms" im Palazzo della Triennale, die sich mit dem Konzept des Wohnraums auseinandersetzt, die Schau "Architecture as Art" im Pirelli Hangar Bicocca, sowie die Design-Retrospektive "La bellezza quotidiana", die den großen Italienischen Gestaltern gewidmet ist. Wer sich für die Zukunft des Automobils und die Evolution der Mobilität interessiert, sollte zudem auch die Ausstellung “Quattroruote Road to (R)evolution” in der Villa Reale di Monza nicht verpassen.
Handarbeit in der Arkade
In der altehrwürdigen Arcade in der Via San Gregorio rückt das britische Design-Magazin Wallpaper unter dem Titel "Handmade" nun schon zum siebten Mal die Handwerkskunst in den Mittelpunkt. Im Hotel Wallpaper* gibt es Objekte und Möbel zu sehen, die von renommierten Möbelmarken in Zusammenarbeit mit internationalen Designern eigens für diese Ausstellung entwickelt wurden. Thonet etwa interpretierte seine Bugholz-Tradition zusammen mit dem belgischen Gestalter Sylvain Willenz neu - und zeigt einen eleganten Beistelltisch mit Rohrgeflecht. Wir sind zudem sehr gespannt, den vom amerikanischen Theaterregisseur Robert Wilson entworfenen Kronleuchter sowie die von David Rockwell für die chinesische Marke Stellar Works konzipierten Sechzigerjahre-Mad-Men-Möbel live zu erleben.
Der Lauf der Dinge
Wem nach einem derartigen Design-Marathon noch der Sinn nach körperlicher Ertüchtigung steht, der sollte sich am Donnerstagmorgen um 07.15 Uhr am Nike Space in der Via Orobia einfinden: Nike Milan und das Magazin Monocle haben zwei Lauftrainer von Weltrang eingeflogen, die den morgendlichen Rundown durch die Innenstadt begleiten. Das wohlverdiente Frühstück kann man sich im Anschluss bei Makers & Bakers, einer von Airbnb initiierten und von Ambra Medda kuratierten Experimentalbäckerei, schmecken lassen. Einen Becher mit Stracciatella-Eis und die passenden Möbel dazu findet man derweil bei Hem Ice Cream Social in der Via Varese in Brescia. Und sogar Design-Superstar Tom Dixon ist neuerdings unter die Gastronomen gegangen, ohne Reservierung dürfte man in seinem Pop-Up-Restaurant jedoch kaum eine Chance auf einen Tisch haben. Wohin die ganze Schlemmerei führt, wird zu guter Letzt in der von Luca Cipelletti kuratierten Ausstellung "The Shit Evolution" demonstriert: Alle Design-Objekte und Möbel bestehen aus, nun ja, Sie wissen schon. Wie schrieb das Magazin Wallpaper dazu so schön? "Merdacotta is the new terracotta."
Fondazione Prada
Letztlich ist die Mailänder Designwoche natürlich auch eine gute Gelegenheit, endlich die im vergangenen Jahr eröffnete Fondazione Prada zu besuchen. Neben der aktuellen Ausstellungen "L'image volée" des Foto-Illusionisten Thomas Demand und Goshka Macugas fulminantem Puppentheater "To the Son of Man Who Ate the Scroll" sind auch die Dauerausstellungen (Robert Gober, Louise Bourgeois, Dan Flavin) einen Besuch wert. Und natürlich ist da noch die geniale, von Regisseur Wes Anderson gestaltete Bar Luce - bei einem einsamen Cafe durch die Ausstellungskataloge zu blättern oder gedankenverloren an den Pinball-Automaten zu lehnen und nochmals die Klassiker des italienischen Kinos Revue passieren zu lassen, die Anderson zur Ausstattung der Bar inspiriert haben, kann man während der Salone-Woche jedoch getrost vergessen. Wie schön, dass Mailand auch sonst immer eine Reise wert ist!
Fotos: Salone del Mobile / Furorisalone / Tortona Design Week / Brera Design District/ San Gregorio Docet / Triennale di Milano / Fondazione Prada / The Brands & PR Departments