Was macht eine alternde Diva, wenn sie zurück ins Rampenlicht will? Sie schaut sich die Klamotten bei den Jüngeren ab und geht ins Fitnesscenter. So gestärkt schmeißt sie sich ins Getümmel, um Aufmerksamkeit und Angebote zu erhaschen. Das bei Celebrities bekannte Verhalten lässt sich eins zu eins auf unseren Youngtimer der Woche umsetzen.
Der MG RV8 stand zum Zeitpunkt seines Debüts 1993 angesichts seiner Kunststoffschweller und Stoßstangen in der Kritik. Zwar registrierten die Anhänger der Marke wohlwollend, dass der eigentlich 1980 eingestellte Roadster fahrdynamisch immer noch das Zeug dazu hatte, mit modernen Moderoadstern mitzuhalten, doch dieses Plastik um die Hüften? Shocking.
Doch der Reihe nach. Das Ende des aufgrund amerikanischer Sicherheitsvorschriften mit Gummielementen verunzierten Roadsters MG war von Sportwagenfans nicht zuletzt wegen des ausschließlich erhältlichen 84-PS-Vierzylinders mit Gleichgültigkeit kommentiert worden. Der wahre Hero der Baureihe war bereits 1976 von ihnen gegangen. Als MGB GT V8 mit dem ehrwürdigen 3,5-Liter-V8 war der Racer der Baureihe zwar nicht offen, dafür aber mit 137 PS umso potenter.
Und irgendwie muss es den zunehmend alternden MG-Mitarbeitern keine Ruhe gelassen haben, den offenen Leistungsgedanken nicht konsequent zu Ende geführt zu haben. Die Sternstunde des MG RV8 war gekommen. Rover, als Eigentümer von MG, schmiss die alten Bänder wieder an und baute aus zahlreichen alten und wenigen neuen Karosseriekomponenten den Roadster noch einmal neu, nur diesmal mit der so lange vermissten Leistung eines V8. Als Triebwerk diente ein Range-Rover-V8, der dank einer Lucas Multi Point Einspritzanlage und einem Hubraum von 4,0 Liter immerhin 190 PS auf die hintere Starrachse wuchtete. Da das kleine Cabriolet nur 1.280 Kilogramm wog, ergaben sich äußerst muntere Fahrleistungen. In nur 5,9 Sekunden röhrte der Roadster auf 100 km/h. Umgekehrt lief es dagegen nicht ganz so flott, denn Rover hatte den Mut an der hinteren Starrachse die Trommelbremsen aus den Siebzigern zu belassen. Kurzum: Es bedarf auch heute noch einen echten Könner am Volant, um den MG ambitioniert zu bewegen.
Im krassen Gegensatz zu diesem puristischen Fahrverhalten gibt sich dagegen der Innenraum: Viel Holz, viel Leder (das im Übrigen von Conolly stammte), das Ganze in einem freundlichen Melange-Farbton, prägen das Interieur. Verzückt werden die Roadster-Liebhaber die vielen kleinen Uhren am Armaturenbrett bemerken, wenngleich Hebel und Schalter an die wohl traurigste Phase des englischen Automobilbaus erinnern. Das bereits erwähnte Plastik fand auch reichlich Verwendung an der Karosserie und sollte so neuzeitliche Moderne vortäuschen. Ein zweifelhafter Versuch, doch vermutlich immer noch besser als das matte Schwarz der Stoßstangen der Siebziger.
Doch trotz dieser umstrittenen Optik werden die 2.000 Besitzer des MG RV8 versöhnt durch das unbeschreiblich direkte Offenfahrgefühl. Verschwindet erst einmal das leicht zu bedienende Verdeck unter der Persenning und senken sich die Scheiben manuell (ja, hier muss noch gekurbelt werden) in die Türen, beginnt eine V8-Show der Sonderklasse. Die Mischung aus ungefiltertem Sound, direkter Lenkung und knorrigem Fünfganggetriebe wird auch heute schnell vergessen lassen, dass hier eigentlich eine alte Diva angetreten ist, um sich ihren letzten Applaus abzuholen. Verdient hat sie ihn!
Fotos: Marc Vorgers