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Japans geheime Autoschätze verblüffen beim Concorso d'Eleganza Kyoto

Mit allein drei Klassen für Lamborghini und einer Klasse für den 100-jährigen Jubilar Zagato avancierte der diesjährige Concorso d’Eleganza in Kyoto zu einer Parade der seltensten Klassiker italienischer Karosseriebaukultur...

Mailand und Tokio mögen fast 10.000 Kilometer auseinanderliegen, doch gibt es weltweit kaum ein anderes Land, in dem italienische Designkultur so sehr geschätzt wird wie in Japan. Sei es bei der Mailänder Designwoche oder bei Pitti Uomo in Florenz – die kenntnisreichsten Liebhaber italienischen Stils sowie italienischer Mode und Handwerkskunst sind oft die Gäste aus Japan. Dasselbe Phänomen findet sich auch in der Automobilszene wieder: Einige der bemerkenswertesten Sammlungen von Lamborghini, Abarth und ähnlich exotischen italienischen Marken finden sich im Land der aufgehenden Sonne. Es mag an der Vorliebe der Japaner für perfekte Kompositionen und wunderschöne Details liegen, dass die seltensten und ungewöhnlichsten italienischen Autos eher in Garagen von Osaka und Yokohama statt in Rom oder Bologna stehen. Und wussten Sie eigentlich, dass man eine der weltweit besten Pizzen neapolitanischer Art in Tokio findet? 

Als uns eine Einladung zum diesjährigen Concorso d'Eleganza Kyoto ins Haus flatterte, mussten wir uns die Zusage nicht zweimal überlegen. Die alte Kaiserstadt ist ein magischer Ort voller Wunder und jetzt im Frühling, wenn die Kirschblüte zum traditionellen „Hanami“ lädt, besonders beliebt. Der im Nijō Castle, einer ehemaligen Shogun-Residenz und zugleich eine von 17 UNESCO-Weltkulturerbestätten im Raum Kyoto, abgehaltene Concours verhieß ein Spektakel, gegen das im Vergleich sogar das Grand Hotel Villa d’Este blass aussehen würde. Noch vielversprechender war das Aufgebot von 54 betörenden und extrem seltenen Automobilen der Baujahre 1930 bis 2018. Aufgeteilt wurden sie in neun Klassen – mit einem speziellen Fokus auf Lamborghini und Zagato, zwei eigenwillige Marken, die japanischen Sammlern besonders am Herzen liegen.

Zum Auftakt seiner 100-Jahr-Feierlichkeiten fuhr das mystische Mailänder Designhaus Zagato eine imposante Abordnung seiner größten Werke auf. Unumstrittener Star war ein Modell, das selbst die größten Kenner und eifrigsten Concours-Besucher mitunter noch nie zuvor gesehen hatten: der Lamborghini 3500 GTZ Zagato von 1965. Der aufgrund seiner langen Haube und den verschalten Scheinwerfern einem Grand Touring-Ferrari aus derselben Epoche ähnelnde Lamborghini wurde von Zagato einst als Designentwurf gebaut und auf der Londoner Motor Show ausgestellt. Heute befindet er sich im Besitz des amerikanischen Sammlers Bill Pope, der den Wagen noch regelmäßig fährt. Das famose Einzelstück erhielt von der Jury den Preis „Best of Show“.

Eine weitere Mailänder Rarität war der 2016 erstellte Nachbau des ursprünglich 1958 entstandenen Porsche 356A Speedster Zagato. Er warf die Frage auf, ob solche offiziell mit dem Segen des Werks aufgebaute Repliken überhaupt für prestigeträchtige Schönheitswettbewerbe zugelassen werden sollten. So oder so werden wir dieses Modell auf Classic Driver demnächst noch einmal genauer unter die Lupe nehmen – also bleiben Sie am Ball.

Eines der ältesten Vorzeigemodelle aus der 100-jährigen Geschichte von Zagato ist der in Kyoto gezeigte Alfa Romeo 6C 1750 GS Zagato von 1930. Sein Anblick mit den rot getönten Scheinwerfern und der Cartoon-artigen Rennwagensilhouette brachte ihm den Publikumspreis ein. Unter den frühen Nachkriegstypen mit dem „Z“-Wappen war es der hellblaue Fiat 8V Zagato von 1952 aus dem Besitz eines japanischen Kollektors, der auch unsere Herzen erwärmte – und zugleich die Frage aufwarf, warum kompakte und elegante Sportwagen eigentlich aus der Mode kommen konnten. 

Wenn wir gerade bei kleinen Autos sind: Die charmanteste Klasse lief unter der Bezeichnung „750“ und präsentierte eine Auswahl an winzigen Sportcoupés mit Zagato-Karosserien aus den 1950er-Jahren, angetrieben von 750 ccm-Motörchen. Während die Fiat Abarth unseren Fotografen Rémi Dargegen an die Fotoproduktionen für sein jüngstes Buch erinnerten, strich ein 1954 gebauter Moretti 750 Zagato den Klassensieg ein.

Zu den modernen Zagato Kuriositäten beim Concorso d’Eleganza in Kyoto gehörten der schrullige Alfa Romeo SZ, der extrem seltene Lancia Hyena, der italo-japanische Autech Stelvio Zagato, der Aston Martin V8 und der Ferrari 348 TS Zagato. Letzterer hat angeblich das Design des F355 inspiriert und wurde von Giorgio Schön nach Japan gebracht – einem von zwei italienischen Draufgängern, die demnächst mit einem Ferrari 308 GT4 bei der Rallye Peking-Paris starten

Da Zagato einer der letzten überlebenden italienischen Karosseriebauer ist, endete die Zeitleiste nicht an der Wende ins neue Jahrtausend. Und obwohl die meisten Entwürfe sehr exzentrisch waren, so war der Anblick der in den manikürten Gärten von Nijō Castle sauber aufgereihten Autos schon fast allein den Besuch wert.  

Der Lamborghini 5-95 Zagato und das ebenso schräge Maserati Mostro Zagato Coupé, beide aus dem Jahr 2016, boten reichlich Diskussionsstoff. Daneben posierte der Alfa Romeo TZ3 Stradale Zagato von 2011 stolz als eindrucksvolle Referenz und Hommage an die legendären TZ-Typen von Alfa – und erhielt daher auch zurecht einen weiteren Klassensieg. 

Und dann gab es da noch die Lamborghini. Die in drei Klassen eingeteilten Kampfstiere aus Sant’Agata Bolognese beeindruckten durch ihre Scherentüren und die teils abenteuerlichen aerodynamischen Anbauten. Für uns besitzen noch immer die Autos aus der Marcello Gandini-Ära die größte Ausstrahlung. Bei nicht weniger als vier ausgestellten japanischen Miura fiel es schwer, sich für den besten zu entscheiden. Die Jury kürte schließlich einen Miura SV aus 1971 in der Farbe Verde Miura mit goldenen Felgen. Von den Modellen aus der schillerndsten Phase Lamborghinis von 1970-1985 errang ein orangener Countach LP400 Baujahr 1976 den Klassensieg. 

Angesichts der aktuellen Renaissance von Supersportwagen aus den 1990er- und frühen 2000er-Jahren, war auch der Anblick von drei Diablo – einem SVR, einem GT und einem GTR – erhebend. Sie parkten Seite an Seite vor der alten Samurai-Burg und wurden von eigens für diesen Anlass in klassische Kimonos gehüllten Gästen bewundert. So was gibt es nur in Japan! 

Fotos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2019

Im Anschluss an den Concorso d’Eleganza wird unser Mann in Japan, Rémi Dargegen, einige Fahrzeugbesitzer auf einem epischen Roadtrip durch das Land begleiten. Also freuen Sie sich schon auf weitere Fotos und Geschichten aus Japan.