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Ein automobiler Zen-Moment beim Concorso d'Eleganza Japan

Am vergangenen Wochenende kamen beim Concorso d’Eleganza Japan über 60 Weltklasse-Sammlermodelle im Yakushi-ji Tempel von Nara, der alten Hauptstadt Japans, zusammen. Eine wahre Feier des automobilen Welterbes an einer UNESCO Weltkulturerbestätte – und ein seltener Moment des Zen.

Die Liebe zu Autos mag universell sein, aber jedes Land hat seine eigene Art, die seltensten Automobile zu verehren – und die japanische Autokultur gehört in dieser Hinsicht sicherlich zu den anspruchsvollsten und tiefgründigsten. Mögen viele jetzt spontan an die Bōsōzoku-Subkultur und ihre karikaturistischen, neonilluminierten Tuningautos denken, die nach Einbruch der Dunkelheit die Straßen von Tokio durchstreifen, existiert auch eine hoch entwickelte Wertschätzung für die ungewöhnlichsten und insbesondere aus Europa stammenden Vorkriegs- und Mid-century-Modelle, speziell für jene aus Italien. Tatsächlich können wir uns kein anderes Land mit so leidenschaftlichen Fans von Marken wie Abarth, Lamborghini, Touring Superleggera und Zagato vorstellen – oder gleichermaßen ausgefallene Sammlungen. Einer dieser Sammler, der auch außerhalb Japans Bekanntheit genießt, ist Hidetomo Kimura, der Mann hinter dem Concorso d’Eleganza Japan am vergangenen Wochenende.

Das erste Event seit der denkwürdigen und noch unter der Bezeichnung Concorso d’Eleganza Kyoto firmierenden Ausgabe von 2019 (die den seltensten Modellen von Abarth, Lamborghini und Zagato gewidmet war) fand im Yakushi-ji-Tempel statt – einem UNESCO-Weltkulturerbe und historischen Denkmal des japanischen Buddhismus in der alten (8. Jahrhundert) Hauptstadt des imperialen Japans. Auf diesem geschichtsträchtigen Areal hatten es Kimura-San und sein Team geschafft, aus japanischen und ausländischen Kollektionen eine stattliche Auswahl von über 60 Sammlerautos der Baujahr 1924 bis 2024 zusammenzustellen. Viele von ihnen hätten auch beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este oder in Pebble Beach um Concours-Gold kämpfen können, doch was den Concorso d’Eleganza Japan wirklich von den weltweit führenden Oldtimer-Events abhob, war die Location: Als die Teilnehmer am Samstagmorgen ihre Motoren starteten und eine Prozession von Automobilen aller Jahrgänge und Formen entlang der dreistöckigen Pagode der Haupthalle (Golden Hall) paradierten, bot sich ein Anblick von fast surrealer Schönheit. Sogar die Kirschblüten hatten sich rechtzeitig geöffnet und bildeten die perfekte Kulisse für den Concours.

Nur das Wetter hätte etwas freundlicher sein können – doch wie schon der japanische Schriftsteller Junichirô Tanizaki (1886-1995) 1933 in seinem berühmten Essay über japanische Ästhetik, Lob des Schattens, schrieb: „Wenn Licht knapp ist, dann ist Licht knapp; wir tauchen in die Dunkelheit ein und entdecken dort ihre ganz eigene Schönheit.“ Und genau das haben wir getan. Sind Sie schon einmal dem Weg eines Regentropfens auf der Plexiglashaube eines straßenzugelassenen Ferrari F40 gefolgt? Oder haben Sie schon einmal die Spiegelung einer einzelnen wandernden Regenwolke auf dem „double-bubble“-Dach eines von Zagato entworfenen Alfa Romeo bestaunt – oder den kalligrafischen Schatten einer Kiefer auf dem Kotflügel eines Koenigsegg Regera? Die Flotte unbezahlbarer Blue-Chip-Klassiker und Hypercars mag überwältigend gewesen sein, doch manchmal eröffnete ein genauerer Blick auf ein einfaches Detail dem Betrachter einen seltenen Moment der Ruhe und Meditation – kurz des Zen.

Japanische Sammler sind fasziniert von den in den goldenen Zwanzigern und frühen Dreißigern in Europa gebauten Art-déco-Skulpturen auf Rädern. Da war ein schwarzer Bugatti Typ 13, der ohne weiteres eine Hauptrolle in einem Studio-Ghibli-Anime hätte spielen können, ein außergewöhnlicher blauer Aston Martin International und ein imposanter Rolls-Royce Phantom II Continental DHC Carlton, den man sich damals gut auf nächtlichen Fahrten durch die von Gaslaternen beleuchteten Straßen von Ginza vorstellen konnte. Die Macher des Concorso d’Eleganza Japan aber haben auch eine besondere Vorliebe für die in den 1950er- und 1960er-Jahren in Italien hergestellten Kleinstwagen. Als Folge war einer der Höhepunkte in der Klasse der Nachkriegs-Modelle die Präsentation von gleich drei Bandini 750-Rennwagen. Sie ließen sogar den in derselben Kategorie angetretenen Lotus Eleven wie ein großes Schiff aussehen.

Eine sehr ungewöhnliche Sammlung agiler Sportwagen alla Milanese hatte sich auch in der Zagato-Klasse versammelt. Darunter ein winziger Fiat 500B Zagato Panoramica, ein Fiat 1100 TV Zagato und das absolut hinreißende Alfa Romeo 1900 SSZ Coupé. Für Fans der Marke Abarth zu bestaunen gab es einen OT1300 Periscopio – der trotz seiner geringen Größe wie Godzilla klang – und zwei Fiat Abarth 750 Monza-Rekordwagen, beide bei Zagato konzipiert. Interessanterweise war Ferrari in den Nachkriegs-Elegance-Klassen weniger stark vertreten als sonst – eine erfrischende Abwechslung, die uns mehr Raum gab, die perfekten Linien eines Cisitalia 202 SC, eines Siata Daina Sports Coupé, eines Alfa Romeo 1900 C Pininfarina oder eines Maserati A6 Vignale zu bewundern.

Italienische Autos standen zwar im Mittelpunkt der Veranstaltung – Porsche-Liebhaber konnten sich jedoch über eine Auswahl von sechs eher ungewöhnlichen Sportwagen aus Zuffenhausen freuen. Darunter ein Porsche 356A Speedster Zagato, ein Porsche 959, ein Schuppan Porsche 962LM und ein silberner Porsche 911 Turbo S 3.6 Flachbau, der zusammen mit einem schwarzen Lamborghini Countach 25th Anniversary und einem ziemlich atemberaubenden Ferrari 512M in Verde Silverstone eine mit drei Poster-Cars traumhaft gefüllte Garage abgegeben hätte.

Und natürlich gab es noch einen Ferrari, der allen die Show stahl: den Taisan Star Card Ferrari F40, ein feuerspuckender, straßenzugelassener JGTC-Rennwagen, der weit über die Tokioter Custom-Car-Szene hinaus bekannt ist. Die Truppe rund um Kimura-san hatte darüber hinaus eine respektable Auswahl an modernen Hypercars zusammengeholt. Wie je einen Lamborghini Centenario und Siàn sowie einen Ferrari Daytona SP3 und einen Singer-Porsche 911 DLS.

Der Einhorn-Supersportwagen, der die meiste Aufmerksamkeit erhielt, war jedoch einer von nur zwei Lexus LFA Spyder. Er wurde flankiert von einem der seltensten Roadster Japans überhaupt: dem offenen Toyota 2000GT, der im James-Bond-Streifen „Man lebt nur zweimal“ von 1967 die automobile Hauptrolle spielte.

Angesichts dieser Besetzung fiel es der Concours-Jury, darunter Andrea Zagato und Classic Driver-CEO J.P. Rathgen, besonders schwer, einen Sieger für den Concorso d’Eleganza Japan zu küren. Am Ende ging die „Best of Show“-Trophäe an Marcello Gandinis außergewöhnliches Meisterwerk: die „one and only“ Studie Lancia Stratos Zero, die 1970 die Wedge-Design-Bewegung auf Höchstdrehzahl brachte.

Der kalifornische Sammler Phillip Sarofim hatte dieses UFO auf Rädern den ganzen langen Weg aus Kalifornien mitgebracht und errang einen wohlverdienten Sieg. Weil er diesen Meilenstein des Autodesigns des 20. Jahrhunderts mit uns Erdenbewohnern teilte. Dōmo arigatōgozaimasu.

Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2025

Aus dem Englischen von Thomas Imhof