Wer in der Saison 1997 in der GT1-Klasse der FIA mit den Besten mitfahren wollte, brauchte ziemlich große und tiefe Taschen. Der Nachfolger der BPR-Serie zog namhafte Hersteller an und präsenterte sich als Königsklasse des weltweiten Motorsports mit geschlossenen GT- Fahrzeugen.
Stellen Sie sich diese Szene vor: Sie rollen mit Ihrem Jaguar XJ220 GT auf die Startlinie der Rennstrecke von Silverstone, einem Auto, das in der vorangegangenen Saison mit mäßigem Erfolg getestet worden war. Jetzt ist die Konkurrenz jedoch auf ein fast überirdisches Niveau gestiegen: Der Elise GT1 Turbo von Lotus, der von Insekten inspirierte GTR-1 von Panoz mit seinem im Bug montierten Motor, der brandneue 911 GT1 von Porsche und der vom Straßen- zum Rennauto entwickelte F1 GTR von McLaren wollen alle den Sieg. Und doch gibt es ein Auto, bei dem jedes Paar Sparco-Rennschuhe im Fußraum vor Aufregung besonders zittert.
Dieser Bolide war der Mercedes-Benz CLK GTR. Er wirkte wie von einem anderen Stern, dazu auserkoren, seine Konkurrenten völlig zu dominieren. Ein Auto mit 6,0-Liter-V12-Motor, das von elf Rennen sechs gewann (die anderem fünf gingen an McLaren) und Bernd Schneider den Fahrer- und AMG-Mercedes den Sieg in der Teamwertung bescherte. Um den siegreichen Silberpfeil in der GT1 homologieren zu können, musste AMG 25 Modelle mit Straßenzulassung aufbauen. Die dann kaum weniger dramatisch ausfielen als die Rennversion. Anders als bei McLaren, wo sie den Straßensportwagen F1 zur GTR-Version entwickelten, war der CLK GTR von vornherein als Rennwagen konzipiert worden. Sodass sich seine Straßenversion bis auf ABS sowie Klima- und Audioanlage kaum vom GT1 unterschied.
Vom Coupé entstanden zwischen 1998 und 1999 dann nur 20 Exemplare. Trotz eines Einführungspreises von $1.500,000 versuchten über 300 Kunden verzweifelt einen Zuschlag zu bekommen. Dieses Modell ist das siebte aus der Serie und wurde am 27. April 1999 bei der HWA AG fertiggestellt und dann an seinen glücklichen Erstbesitzer, einen Schweizer aus St. Gallen, ausgeliefert. Bei der Wahl der Farbkombination hat er nach unserem Geschmack einen Volltreffer gelandet: Das ikonische Iridiumsilber Metallic (775) von Mercedes-Benz über einem Cockpit mit blau-grauem Tartan-Gabardine-Stoff. Eine offensichtliche Anspielung auf den 300 SLR, der 1955 mit Stirling Moss und Denis Jenkinson die Mille Miglia gewann. Es sind nur zwei weitere GTR Coupé mit diesem must-have-Polstermuster bekannt, was das nur etwas mehr als 7000 Kilometer gelaufene Exemplar noch exklusiver macht als ohnehin schon.
Wenn Sie es vorziehen, den 623 PS starken 6,9-Liter-V12 der CLK GTR-Straßenversion etwas lauter singen zu hören, haben Sie Glück. Denn bei RM Sotheby's Las Vegas kommen gleich zwei CLK GTR unter den Hammer, wobei der zweite noch seltener ist als der erste.
Diese Topless-Variante Baujahr 2002 in das dritte von nur sechs gebauten Exemplaren auf Basis von nicht fertiggestellten Coupés und ebenfalls in einem auffälligen Silberton gehalten. Im Gegensatz zum hier vorgestellten Coupé hat der Roadster in den 21 Jahren seit Erstzulassung kaum die Sonne erblickt – auf seinem bis 340 km/h reichenden Tacho zeigt der Wegstreckenzähler gerade einmal 170 Kilometer an. Obwohl der Roadster dem Coupé auf den ersten Blick sehr ähnelt, wurden im Vergleich zur geschlossenen Version mit ihrem markanten zentralen Lufteinlass im Dach einige wichtige Änderungen vorgenommen. Die Lufteinlässe wanderten stattdessen an die Seiten, dazu kamen neue und an den Türen montierte Außenspiegel, integrierte Überrollbügel hinter den Sitzen sowie ein neuer Kühlergrill und Heckflügel.
Das Ergebnis ist das wohl großartigste Drop-Top, das man je gesehen hat. Ein Auto, das seinen rennsportlichen Baureihenkollegen sehr nahekommt, und trotzdem auf öffentlichen Straßen genossen werden kann. Als Zugabe gibt es für den glücklichen Käufer einen maßgefertigten Koffer-Satz.
In der GT1-Trinität (McLaren/Porsche/Mercedes-Benz), aus der alle drei Autos für sich genommen Legenden sind, war das CLK GTR Coupé immer der exklusivste und ungezähmteste. Es hat seine Rivalen auf den Rennstrecken in den Schatten gestellt – AMG gewann auch 1998 den Titel – und gleichzeitig als Straßenversion ein unerbittliches Streben nach Perfektion und Fahrspaß demonstriert. Dieses Auto war mehr als nur ein Homologations-Special, sondern ein Produkt dessen, wonach Mercedes-Benz immer gestrebt hat: Das Beste oder nichts...
Diese beiden atemberaubenden CLK GTR werden am 17. November bei der mit vielen Stars besetzten RM Sotheby’s Auktion in Las Vegas versteigert. Die Coupé-Variante wird auf 7,5 bis 8,5 Millionen Euro geschätzt, das seltenere Roadster-Modell auf 10 bis 12 Millionen Euro.