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Grand Touring Royale - Mit dem Bristol 404 nach Windsor Castle

Auf der Grand West Tour steuerten einige der großartigsten Teilnehmer des Concours of Elegance 2016 über die malerischsten Straßen der Cotswold und Brecon Beacons ans Ziel Windsor Castle. Wir schlossen uns der Karawane in einem Bristol 404 an…

Unser erstes Treffen mit dem charmanten Heckflossen-Coupé lag 18 Monate zurück. Der Ort war RAF Bicester, Basis der Bristol Blenheim Bomber während des Zweiten Weltkriegs und an jenem Tag Treffpunkt für sieben Autos der britischen Traditionsmarke. Für die dreitägige Great West Tour als dynamischer Auftakt zum Royal Concours of Elegance 2016 auf Windsor Castle schien das Coupé aus den frühen 50er-Jahren das standesgemäße Gefährt. Speziell unter der Prämisse, dass die Marke bei königlichen Hoheiten rund um die Welt großes Ansehen genießt. Auch wenn der Verkaufswert des demnächst für rund 160.000 Pfund angebotenen „404“ eher bescheiden anmutete, hagelte es für seine ungewöhnlichen Linien und den fröhlichen Singsang seines BMW Reihensechszylinders zahlreiche Komplimente. Und er wirkte im Vergleich zum Rest des Feldes auch nie deplatziert.

Für diese drei Tage – gekrönt von einem majestätischen Finale vom Guards Polo Club zum berühmten Long Walk von Windsor Castle – schienen die Werte der historischen Modelle für einmal vergessen. Im Vordergrund stand das Fahren - jeder Teilnehmer steuerte sein Auto so ernsthaft und begeisternd wie der nachfolgende Konkurrent. Der amerikanische Sammler Jon Shirley gab all jenen, die ihre Autos lieber direkt auf den Concours-Rasen schickten, ein leuchtendes Beispiel, indem er die Fahrt in seinem 250 GTO antrat. Zum Schrecken der Versicherungsmakler taten es ihm die Besitzer weiterer Prunkstücke nach – darunter ein Ex-Mike Hailwood Jaguar E-type, Giannis Agnellis einzigartiger Ferrari 375 Coupé Speciale und das unsterblich schöne Alfa Romeo 6C 2500 256 Touring Coupé (Sieger in der dem Karosseriebauer gewidmeten Klasse beim letztjährigen Concours in Pebble Beach). Der amtierende Touring Leggera Designchef Louis de Fabribeckers persönlich steuerte das jüngste Produkt seines Hauses, den Disco Volante Spyder. Im Ziel war so begeistert wie alle anderen. „Ich nehme viele Inspirationen zurück nach Mailand”, sagte er uns. „Ich kann es kaum erwarten, zurück an mein Zeichenbrett zu kommen.” Nimmt man seine Entwürfe der letzten Jahre, ist das Gefühl gegenseitig….

Überall, wo er auftauchte, reklamierte der Ex-Sultan of Johor Mercedes SS die akustische Vorherrschaft für sich. Mit eingeschaltetem Kompressor heulte er himmlisch durch die Hügel. Im akustischen Wettstreit gut mit hielt der nach zwei Jahrzehnten im Verborgenen erstmals wieder aufgetauchte Ex-Ecurie Francorchamps Ferrari Daytona Competizione. Seine seitlich austretenden Auspuffrohre bellten so laut, dass die Piloten David und James Cottingham von DK Engineering passend zur Wagenfarbe lackierte Kopfhörer tragen mussten, um sich über die nächste Richtungsänderung zu verständigen. Auch im Lancia B20 Aurelia B20 GT saß eine Vater-und-Sohn-Besatzung, während das in einem schrillen violett lackierte Mercedes-Benz 630 Saoutchik Stadtcoupé von einer extrem engagierten deutschen Familie durch die britischen Lande navigiert wurde.  

Vielleicht war es Schicksal, dass wir am vorletzten Haltepunkt, der königlichen Militärakademie von Sandhurst („Heimat des britischen Soldaten”) zur gleichen Zeit ankamen wie Prinz Michael of Kent in seinem Bentley. „In den letzten beiden Tagen hatte ich aus zwei Gründen eine tolle Zeit”, erzählte der als offizieller Schirmherr des Concours fungierende Prinz. „Zunächst war da der offene Wagen, mit dem man das Erlebnis noch weitaus intensiver erfährt. Dieser Bentley wurde vom verstorbenen Stanley Mann vorbereitet, und er lief während der ganzen Fahrt wundervoll. Zweitens war da die wunderschön ausgewählte Route. Ich habe diese alten Bentleys schon in der ganzen Welt gefahren, bis nach Russland und Afrika. Doch geht wohl nichts darüber hinaus, als ein solches Auto durch die englische Landschaft zu bewegen. Wir sind über einige der schönsten Straßen gefahren, die das Land zu bieten hat, und so wurde es ein rundum genussvolles Erlebnis.” 

Nach diesen Formalitäten inspizierte der Prinz ausgiebig unseren Bristol. Dabei identifizierte er nicht nur auf Anhieb das Modell, sondern merkte auch kenntnisreich an, dass die Farbe – Sage Green – ursprünglich ein Aston Martin-Farbton gewesen sei. Für uns war dieser Moment der vielleicht emotionalste der ganzen Tour. Zeigte er doch, dass die gemeinsame Begeisterung für historische Automobile sogar Statusgrenzen mühelos überwinden kann. Wer hätte jemals gedacht, dass ein Bristol so etwas fertigbringen würde? 

Fotos: Tom Shaxson for Classic Driver