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Ein bissiger Ferrari und die schnellsten Schlangenledersitze der Welt

Noch vor der wichtigen Rétromobile-Versteigerung hat Artcurial die Schatztruhe geöffnet und Classic Driver einen Blick auf den Ferrari 166 Spyder Corsa von 1948 gewährt. Für Pierre Novikoff, den stellvertretenden Direktor des Auktionshauses, schlug mit diesem Wagen die Geburtsstunde der Scuderia.

Die frühen Tage

Trotz seiner rassigen Karosserie von Scaglietti, die jener des späteren Ferrari 500 Testa Rossa ähnelt, war dieser Ferrari 166 Spyder Corsa von 1948 erst der siebte Rennwagen, der in Enzo Ferraris jungem Unternehmen gebaut wurde. Der Wagen mit Chassisnummer 0141 verließ das Werk mit sinnlichen Ansaloni-Karosserieformen, die typisch waren für die frühe Nachkriegszeit, und erlebte eine langjährige Rennkarriere. An seinem Steuer saßen Größen wie Raymond Sommer, Giuseppe Farina und Giampiero Bianchetti. Zugleich diente der Ferrari als Versuchsfahrzeug für die rasanten technischen Entwicklungen jener Zeit.

Ein ganz besonderer Fang!

„Zwischen 1948 und 1953 baute Ferrari die wettbewerbsfähigsten Rennwagen der Welt, und auch die Evolution geschah unheimlich schnell,” erklärt uns Pierre Novikoff – jener Mann, der so freundlich war, eigens die Lagerräume von Artcurial zu öffnen, damit wir diesen umwerfenden Sportwagen eingehend studieren konnten. „Der Wagen wurde aus dem unglaublichen Colombo-V12 entwickelt – das Chassis wurde verkürzt, leichter gemacht und verstärkt, die Lenkung und die Aufhängung wurden an den jeweils technischen Standard der zZeit angepasst. Zweimal wurde die Karosserie komplett überarbeitet, was für einen Top-Rennwagen damals übrigens ganz selbstverständlich war.”

Sergios Scagliettis Genie

Erst nachdem das Auto seine große Rennkarriere beendet hatte, wurde es 1955 von Enzo Ferrari an Scaglietti geschickt, um mit einer experimentellen, umfassenden Karosserie als Versuchsträger für künftige Rennwagen eingesetzt zu werden. „Sergio Scaglietti schuf einen Körper, der den Ferrari 166 als ursprünglich kleine und bescheidene Barchetta in ein formenreiches Automobil mit hoher Präsenz verwandelte,” sagt Novikoff. „Dieses Auto war in den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren so etwas wie ein rollendes Labor, aber in ästhetischer Hinsicht nahm es auch den Ferrari 500 Testa Rossa vorweg.” Offenbar fand auch Il Commendatore Gefallen daran und ließ Nummer 0141 mit zwei in künstlichem Pythonleder überzogenen Schalensitzen ausrüsten.

Zeitzeuge

Laut Artcurial ist die Geschichte des Ferrari 166 Spyder Corsa komplett dokumentiert und durch anerkannte Ferrari-Historiker belegt. Die Originalität und Integrität dieses Exemplars machen seinen außergewöhnlichen Stellenwert aus. Jede Veränderung, jede Modifikation – auch jene dieser verrückten Sitze – wurde erhalten, anstatt den Wagen wieder in eine ursprünglichere Form zurückzuführen. „Dem aktuellen Besitzer liegt die Geschichte des Autos sehr am Herzen, deshalb wollte er es mit dem größtmöglichen Respekt vor seiner Entwicklungshistorie restaurieren,” sagt Novikoff. Für ihn ist diese Strategie ein Beispiel für den neuen, historisch bewussten Ansatz zahlreicher Käufer. „Es zeigt, dass sich die Wahrnehmung von Sammlerautos gewandelt hat. Käufer verstehen, dass sich Rennwagen zwangsläufig mit der Zeit verändern mussten – vor allem damals. So lange sich diese Eingriffe rückblickend als berechtigt erweisen und zugleich den innovativen Geist von Ferrari zeigen, ist es sehr interessant, diesen Zustand auch zu belassen.”

Stammbaum und Provenienz

„Käufer haben jetzt ein größeres historisches Gespür und Wissen, als noch vor ein paar Jahren,” berichtet Novikoff weiter. „Wir verkaufen nicht nur ein Auto, sondern zugleich seine Geschichte, die Liste der Siege und der Piloten. Historie und Authentizität spielen bei einem Auto dieselbe Schlüsselrolle wie bei einer afrikanischen Maske oder einer Skulptur. Wir beobachten, dass eine Reihe von langjährigen Sammlern zurückkehrt, um bedeutende Fahrzeuge zu erwerben, während jüngere Enthusiasten sich von Serienautos abwenden und sich für jene mit einer außergewöhnlichen Historie wie diesen Ferrari interessieren. Einige Autos sind viel zu schnell im Wert gestiegen. Ihre Preise beruhigen sich nun etwas, was nur logisch ist. Aber bei unseren letzten Auktionen haben Rennwagen mit interessanter Abstammung hohe Erlöse erzielt.”

Einfallsreich

Alle Blicke werden auf den Ferrari 166 Spyder Corsa gerichtet sein, wenn er an diesem Freitagnachmittag bei Artcurials Rétromobile-Auktion unter den Hammer kommt. Als eines der ersten Autos mit dem glanzvollen Ferrari-Logo, pilotiert von einigen der größten Nachkriegs-Champions, als stolzer Träger historisch bedeutsamer Spuren sowie als wichtiger Entwicklungsprototyp trug Chassisnummer 0141 maßgeblich zum Ruf der Marke Ferrari bei. Pierre Novikoff bringt es abschließend auf den Punkt: „Automobile wie dieses zeigen die Erfindungsgeist und die Philosophie der Scuderia Ferrari in ihren frühen Tagen.” Es sind solche sportlichen Pionierleistungen, denen Ferrari bis heute seinen unvergleichlichen Ruf verdankt.

Fotos: Mathieu Bonnevie für Classic Driver © 2017

Im Classic Driver Markt finden Sie nicht nur diesen Ferrari 166 Spyder Corsa von 1948, sondern auch den gesamten Katalog zu Artcurials Rétromobile-Auktion, die am 10. Februar 2017 auf dem Messegelände an der Porte de Versailles stattfinden wird.