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Carros de Cuba - Insel der vergessenen Automobile

Erinnern Sie sich noch an den berühmten Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer-Fund unter einem Bananenbaum? Der Fotograf Piotr Degler, der die Preziose damals aufgespürt hatte, bringt jetzt einen Fotoband mit 200 bislang unveröffentlichten Aufnahmen aus Kuba heraus.

Piotr Degler wählte Kuba als Reiseziel, denn er war der Ansicht, dass es nirgendwo sonst auf unserem Planeten eine Straßenlandschaft gibt, die sich seit den 1950er Jahren nicht verändert hat. Der Grund für diese kuriose Situation war ein jahrzehntelanges Importverbot von Autos auf Kuba. Über 3.000 Kilometer und 300.000 Schritte später, hatte Degler mehr als 25.000 Mal auf den Auslöser gedrückt. Zwölf der zahlreichen Aufnahmen waren für einen 2015er Kalender bestimmt. Der nächste logische Schritt war die Erstellung eines Bildbands. Derzeit bittet Degler um Spenden für seinen Kickstarter-Fond, mit dessen Hilfe er das Buch auf den Markt bringen will. Wir sprachen mit ihm, um seine Beweggründe für dieses ehrgeizige Projekt etwas eingehender zu beleuchten.

Was war Ihre Motivation für dieses Buch?

Wer über Kuba spricht, der spricht fast immer auch über Automobile. Als der junge Castro 1959 ein Gesetz erließ, nach dem der Import von Autos aus dem Ausland untersagt wurde, konnte er nicht ahnen, welchen Gefallen er uns Klassikerfreunden damit tun würde. Ganz nebenbei erschuf er eine vor-revolutionäre Schatzkammer, die inzwischen zu den Touristenattraktionen der Insel zählt. Zehn Jahre lang träumte ich davon, dieses Paradies zu besuchen. Zehn Jahre lang nährte ich die Sehnsucht in mir nach „Almendrones“, den alten Taxis, klassischen Buicks, Cadillacs und Studebakers. Einen Monat hatte ich mir gegeben, um all diese Schätze auf der Insel aufzuspüren. Hörensagen und Mundproganda waren meine einzigen Reiseführer während ich die Insel von Viñales bis nach Santiago de Cuba durchquerte und in Dutzenden von Städten und Dörfern Station machte. Weil ich mich mit Enthusiasten und örtlichen Mechanikern angefreundet hatte, öffneten sich mir Türen, die ausländischen Touristen sonst verschlossen bleiben. Neben den amerikanischen Klassikern stieß ich in Kuba auch auf einige der bemerkenswertesten europäischen Autos der Automobilgeschichte. 

Sie sagten, Sie hätten von Kuba geträumt – war die Insel so, wie Sie es sich in Ihrer Fantasie ausgemalt hatten?

Ja, es war sogar noch besser als ich es erwartet hatte – mein bislang bester Trip. Ich hatte eigentlich erwartet, dass weniger Autos übrig seien, aber es war wirklich wie ein „Jurassic Park“ der Automobilwelt. Natürlich importieren die Kubaner jetzt auch moderne europäische und chinesische Autos, aber Klassiker stehen immer noch an jeder Straßenecke. Diese Bilder wollte ich mit meiner Kamera einfangen, bevor die Insel von modern Autos überschwemmt wird.

Sie haben viele Freundschaften mit Mechaniker und anderen Insulanern geknüpft – was war die spannendste Geschichte, die Sie von den Einheimischen gehört haben?

Es war großartig, Kubaner kennenzulernen und mit Ihnen in Ihren Vierteln zu leben, Ihren Alltag zu erleben und zu erfahren, wie glücklich sie sind. Das war kein Touristen-Trip – ich wollte Kuba aus der Perspektive der Kubaner sehen. Am Interessantesten war die Suche nach dem Flügeltürer. Niemand wusste etwas über den Mercedes und die Kfz-Mechaniker, mit denen ich sprach, hatten noch nie vom Flügeltürer gehört und verwechselten ihn mit anderen europäischen Klassikern. Deswegen war der SL auch unheimlich schwer zu finden. Spannend war auch, wieviele Einheimische Ladas anderen Klassikern vorziehen, denn Ihrer Meiniung nach sind die Russen zuverlässiger.

Hatten die Einheimischen denn an dem Flügeltürer Interesse oder war es schlicht eine weitere Rostlaube für sie?

Praktisch niemand auf der Insel hatte jemals von dem Flügeltürer gehört oder wusste etwas darüber. Nur der Besitzer wusste, wieviel das Prachtstück wirklich wert ist.  

Was der Höhepunkt Ihrer Reise, abgesehen von dem Mercedes?

Der Höhepunkt war vermutlich die nächtliche Landung auf dem Flughafen in der Nähe von Havanna und der Anblick von hunderten von Autos auf der Straße. Ich fühlte mich wie ein kleiner Junge, der gerade ein paar neue Schuhe bekommen hat. Zu den anderen Höhepunkten meiner Reise gehörten die Entdeckung eines Hispano-Suiza und eines Porsche 356. Ehrlich gesagt war jeder Tag in Kuba ein Höhepunkt.

Wie würden Sie die Auto-Kultur Kubas in Vergleich zu anderen Ländern beschreiben?

In Kuba gibt es zwei Arten von Auto-Besitzern. Die eine Gruppe besteht aus Einheimischen, die ihre Klassiker täglich benutzen und damit Leute herumkutschieren. Ich würde sagen, dass sie ihren Klassiker gerne gegen ein modernes Auto eintauschen würden, das zuverlässiger und einfacher zu unterhalten ist. Und dann sind da die Kubaner, die versuchen, ihre Klassiker zu restaurieren. Der Wert dieser Preziosen und ihre Bedeutung für den Fremdenverkehr ist Ihnen durchaus bewusst. Sie leben meistens in den Großstädten wie Havanna, Varadero oder Santiago de Cuba. Aber die Dinge ändern sich allmählich. Inzwischen gibt es sogar einige Clubs für klassische Autos.

Glauben Sie, das Band zwischen den Kubanern und ihren Klassikern bliebe so stark, wenn sich die Rechtslage in Bezug auf Auto-Export jemals ändern würde?

Mein Eindruck während der vier Wochen auf Kuba war, dass die Einheimischen sich grundsätzlich kaum über ihre Situation beschweren. Es ist wohl wahr, dass es um die kubanische Wirtschaft nicht gut bestellt ist – das durchschnittliche Monatsgehalt beträgt 15 bis 20 Dollar und ein Bier kostet einen Dollar. Ich glaube, wenn die Kubaner die Möglichkeit hätten, ihre Autos ins Ausland zu verkaufen, dann würden sie es definitiv tun. Eine kleine Gruppe würde ihre Klassiker allerdings behalten, weil sie dem Tourismus zugute kommen. 

Aus erster Hand ...

Fotos/video: Degler Studio

Sie können Piotr Deglers Buch-Projekt unterstützen, indem Sie auf seiner Kickstarter-Seite spenden.