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Beim Goodwood Festival of Speed war ein „Schnell“ zu Gast beim Herzog

Es sind 31 Jahre seit dem ersten Festival of Speed vergangen. In Goodwood versteht man wie kaum jemand, die fesselndsten Persönlichkeiten und Maschinen der Autowelt zu einem Rendezvous einzuladen. Wir erlebten Enthüllungen bei Audi und BMW und dazwischen herrlich rauchende Reifen!

Wer noch nicht mit Goodwoods größter Automotive Show vertraut ist, bedarf einer kleinen Bedienungsanleitung. Aber das Konzept, dass unbezahlbare Automobile, die vom diesjährigen Thema „Horseless to Hybrid“ umfasst wurden, eine knapp 1,7 Kilometer lange Auffahrt hochjagen, die von schweren Strohballen, Gastronomieständen und abertausenden von jubelnden Zuschauern gesäumt ist, ist auch für uns nicht so ohne weiteres zu verstehen. Es hört sich wie schierer Wahnsinn an, doch das Verrückteste ist, dass die Autos jedes Jahr noch schneller fahren, die Fahrer das Limit noch ein Quäntchen mehr ausreizen – für die Ehre, der rasanteste bei diesem Bergrennen zu sein.

Verglichen mit den anderen Events in Goodwood ist das Festival of Speed eher eine rollende Motor Show, die Enthusiasten die Chance eröffnet, die allerneuesten Modelle der bedeutendsten Marken weltweit zu bestaunen und dabei zugleich auch die Klassiker zu würdigen, welche diese Modelle erst ermöglichten. Dieses Jahr waren wir bei der Audi Tradition mit von der Partie, um die Weltpremiere des schnellsten Autos, das sie nie bauten – bis jetzt – zu erleben. Classic Drivers CEO JP Rathgen fungierte an diesem Wochenende als Gastgeber und begrüßte einige Legenden des Motorsports wie Tom Kristensen, Monsieur Le Mans höchstpersönlich, den Herzog von Richmond, Herr über das Anwesen Goodwood, und Hans-Joachim „Strietzel“ Stuck, welche unter lautstarker Begleitung der Zuschauer die Hüllen vom Fahrzeug zogen.

Der Auto Union Typ 52 „Schnellsportwagen“ wurde ausschließlich für den leidenschaftlichen Automobilisten entwickelt und wurde als eine Art Über-Daily Driver konzipiert. Die Konstruktionszeichnungen zeigen einen Leiterrahmen mit einem Mittelmotor aus dem Typ 22. Obwohl diese Baupläne während der ursprünglichen Konstruktion 1933 verloren gingen, konnten sie tatsächlich kürzlich wiederentdeckt werden: Audi Tradition stellte sich der anspruchsvollen Aufgabe, nur an Hand der Originalunterlagen diese nie gebaute Maschine neu zu kreieren. Das Auto nutzt anders als die Rennwagen reduzierte Verdichtung, damit kann der leistungsstarke, aufgeladenen 16-Zylinder-Motor mit normalem Kraftstoff betankt werden. Wir könnten noch Tage von diesem grandiosen Projekt schwärmen, aber lesen Sie doch unseren Artikel zur Premiere des Schnellsportwagen – anscheinend haben sich unzählige Schaulustige auch diese Mühe gemacht und zeigten sich begeistert.

Bei so vielen vollelektrischen und hyper-innovativen Autos, die in Goodwood erstmals das Licht der Öffentlichkeit erblickten, setzte der Schnellsportwagen einen ganz eigenen Akzent, von dem sich auch der Duke of Richmond beeindruckt zeigte. Während des Wochenendes reichte JP das Mikrophon an Größen des Rennsports von Morgen und Gestern, darunter Stig Blomqvist, Mattias Ekströms Co-Pilot Emil Bergkvist, Helmut Käs als Chef von BMW Classic sowie der ehemalige Rennfahrer Leopold Prinz von Bayern.

Obwohl sich das Festival of Speed über vier Tage erstreckt, verlangt es einiges an präziser Planung, will man alles erleben. Es gelang uns, einige Highlights in Augenschein zu nehmen und dabei an diesem Weekend diesen leider so typischen britischen Sommerregenschauern erfolgreich zu entgehen. BMW setzte die Festival-Tradition der spektakulären Ausstellungen fort mit einer wunderbaren Auswahl aus den unterschiedlichen M5-Baureihen – bis hin zur Weltpremiere der jüngsten Version, der leistungsstärkste M5 von allen, aber auch der schwerste.

Aber es gab noch eine schwindelerregende Fülle von weiteren Festivitäten: Red Bull Racing zog die vermutlich größte Zuschauerzahl an und präsentierte 20 RB-Rennwagen ihrer Geschichte, pilotiert von F1-Größen der aktuellen Saison und darüber hinaus wie Max Verstappen, Sergio Perez, Daniel Ricciardo und Yuki Tsunoda. Red Bull ritt auf dieser Welle der Begeisterung und enthüllte noch den RB17, dessen Design von keinem geringeren als Adrian Newey stammt. Vor dem herrschaftlichen Goodwood House breitete sich eine beeindruckende Präsentation zu 100 Jahre MG Cars aus und erlaubte diesmal einen horizontalen Blick im Vergleich zur letztjährigen Anordnung, die himmelwärts strebte. 

Mit allen Augen auf die herzogliche Auffahrt gerichtet, hatte das Qualifying am Samstag mit wechselhaftem Wetter zu kämpfen, aber das gab den mutigsten Fahrern den besten Startplatz für den Sonnenschein am Sonntag. Roman Dumas, ein legendärer Fahrer und seit Jahren nun ein Goodwood-Liebling gelang es immer wieder, die unwahrscheinlichsten Maschinen für eine Top-Platzierung zu bändigen. Am Steuer eines vollelektrischen Ford Supervan 4.2 hielt sich Dumas einen eigens konstruierten Subaru WRX und ein Porsche 911 GT3 Cup Car vom Leibe und raste  in atemberaubenden 43,9 Sekunden zum Triumph. Andere Highlights dieses berühmten Hill Climb waren unter anderem der pfeilschnelle JPS Lotus 77 von ChromeCar, gefahren von Nick Padmore, und der Nissan Skyline GTR in Calsonic-Farben, der mit viel Gefühl und Flair von dem British Touring Car-Fahrer Jake Hill pilotiert wurde. 

Es kam uns vor, als wären diesmal mehr Menschen als je zuvor nach Goodwood gereist. Was das Zusammentreffen des Alten mit dem Neuen betrifft, spielt das Festival of Speed in einer eigenen Liga – es hatte manchmal den Anschein, als lugte hinter jedem gepflegten Strauch ein atemberaubendes Auto hervor. Aber kaum ist der eine Event vorüber, richten sich die Augen des Teams bereits auf den Monat September und der Rückkehr des allseits beliebten Revival mit seinen Autos vergangener Zeitalter und liebevoll und witzig kostümierten Besuchern. Damit kommt dann die Show-Saison 2024 zu ihrem Abschluss.

Fotos von Błażej Żuławski