Sir William Herbert, der 1. Earl of Pembroke, erhielt 1544 von keinem geringeren als Heinrich VIII. den schönen Landsitz Wilton nahe Salisbury, der sich seither im Besitz der englischen Adelsfamilie befindet. Der Vorfahr hätte sich wohl sehr über die Neigungen des 18. Earl gewundert, denn der heutige Lord Pembroke liebt Klassiker und Supersportwagen über alles.
Ein stattliches Anwesen
Man erreicht Wilton House, in dem man einen riesigen Abenteuerspielplatz passiert. Ein zunächst merkwürdiger Umstand, denn dieses herrschaftliche Anwesen zählt zu den schönsten und bedeutendsten des Königreichs. Aber wenn man weiß, dass dieser Landsitz aus dem 16. Jahrhundert sowohl von der Familie ganz normal bewohnt wird, wie auch der Öffentlichkeit zugänglich ist, macht die kuriose Zufahrt durchaus Sinn.Während wir neben einem Ferrari 550 Maranello „Blu Tour de France” parken, der täglich in Gebrauch ist, kommt uns Lord Pembroke zur Begrüßung entgegen. Großgewachsen und unverschämt gutaussehend, ist unser Gastgeber aber vor allem liebenswürdig und kenntnisreich.
Vererbte Leidenschaften
Doch so einladend die Szenerie ist, wollen wir natürlich wissen, wie aus dem 18. Earl of Pembroke ein blaublütiger Autonarr geworden ist. Der Lord führt uns durch seinen mit großartiger Kunst ausgestatteten Landsitz – darunter der größte existierende can Dyck, ein Familienporträt aus dem Jahr 1635 – zu einem Nebengebäude, in dem eine beeindruckende Automobilsammlung untergebracht ist. An den Wänden bewundern wir Fotos seines Urgroßvaters Arthur Wignall Tate am Steuer eines Mercedes-Benz Grand Prix-Modells aus der Jahrhundertwende mit majestätischen 13,5 Litern Hubraum - ein Geschenk seines Vaters zum 21. Geburtstag. „Mein Urgroßvater war von Autos absolut begeistert. Ich konnte sogar den Mercedes auf diesen Fotos aufspüren. Ich würde lügen, wenn ich Ihnen sage, dass ich mich nicht um dieses Auto bemüht habe. Meine eigene Passion muss ich von ihm geerbt haben.”
Was für ein Spektakel!
Lord Pembroke erzählt begeistert weiter: „Als ich mit dem Sammeln begann, suchte ich Autos, die effektiv ihre Leistung verdoppeln. Die Reise führte unweigerlich zum Bugatti Veyron und seinen 1.000 PS. Auch zehn Jahre nach seinem Debüt bin ich immer noch von dieser Ingenieurskunst restlos begeistert. Während einer Deutschlandreise waren ein Freund und ich damit früh am Sonntagmorgen unterwegs, stellen Sie sich vor: über 300 Stundenkilometer. Ganz legal. Ich vermute, dass sich meine Neigungen ein wenig von denen anderer Sammler unterscheiden. In diesem Jahr will die Show das zehnjährige Jubiläum des Veyron feiern - ich hoffe, dass ungefähr 20 Bugattis dabei sind. Ein Exponat von jedem Modell, das gebaut wurde. Was für ein Spektakel!”
Ein sinnliches Erlebnis
Ganz vorne in diesem Raum steht eines der ursprünglichsten Exemplare des Mercedes-Benz 300 SL komplett mit legendärer mattgrauer Lackierung und rotem Leder im Interieur - damit führt der Lord, wie wir finden, den schlagenden Beweis, dass er über einen untadeligen Geschmack verfügt. Gleich daneben bewundern wir einen Ferrari 288 GTO, den er als „schieres sinnliches Erlebnis” beschreibt. Zur Sammlung zählt ebenfalls ein makelloser Jaguar E-type aus der Werkstat von JD Classics. „Heute kaufe ich keine Fahrzeuge als Wertanlage, sondern weil sie einfach schön sind. Der E-type ist ein Favorit, ihn zu fahren, ist grandios.”
Von Klassikern und Langstrecken-Veteranen
Wir entdecken außerdem noch einen Maserati 3500 GT, der offenbar gerade von Grund auf restauriert wird. Moderne italienische und japanische Klassiker wie das Alfa Romeo 8C Coupé, der Nissan Skyline R34 und der Honda S2000-Rennwagen belegen, dass der jugendliche Lord nicht nur ein Playstation-Fan ist, sondern die Rennfahrerei sein Hobby ist. Unser Besuch neigt sich dem Ende zu, aber vorher müssen wir noch über zwei Langstreckenmodelle von Porsche sprechen, die Lord Pembroke von einem Sammler geliehen wurden. „Der 956er links ist übrigens das Auto, mit dem Stefan Bellof die Nordschleife in 6:11 Minuten umrundete. Die Runde wurde gefilmt und somit ist dieser Porsche, der schnellste Rennwagen, der je von einer Kamera eingefangen wurde. Überhaupt ist er einer der schnellsten, die es je gegeben hat.”
Ein ganz besonderes Event
Das allein lohnt schon einen Besuch bei der Wilton Classic and Supercar Show, die Anfang Juni stattfindet. Jedes Jahr lädt Lord Pembroke Automobilenthusiasten aus dem ganzen Land auf den Rasen seines Landsitzes. Der Lord will sich durchaus von den üblichen Automobilveranstaltungen abheben. „Allein die Vorbereitungen nehmen alljährlich rund sieben Monate in Anspruch, die Wilton Classic bedeutet mir also persönlich sehr viel. Ich habe die Show 2008 lanciert mit dem Anspruch, dass es hier weniger um Geld, als um die Begeisterung für das Auto gehen soll - wie eine informelle Garten Party mit möglichst wenigen Absperrungen.” Und er fügt noch hinzu: „Die Show teilt sich in zwei Abteilungen, denn am Samstag stehen die klassischen Automobile im Vordergrund, am Sonntag die Supersportwagen. Es gibt an beiden Tagen Paraden. Mir ist wichtig, dass gerade junge Menschen von der Historie und der Gegenwart begeistert werden können.”
Fotos: Amy Shore for Classic Driver © 2015