Eine erfolgreiche PR-Maßnahme kann, wie wir wissen, das öffentliche Interesse an einem Automobil schnell um das Zehnfache steigern. Und welche Werbemaßnahme hätte 1955 für das bevorstehende Debüt des Land Rover Serie I erfolgreicher sein können, als zwei Exemplare auf eine sechsmonatige und 18.000 Meilen (28.968 km) lange Überland-Expedition von London nach Singapur zu schicken? Natürlich nur sofern die Aktion gelang, denn Mitte der 1950er Jahre galt eine solche Expedition als unmögliches Vorhaben.
Eine schier unlösbare Aufgabe
Die Idee für „The Oxford and Cambridge Far Eastern Expedition“, so wurde die Mammut-Tour getauft, entstand über Nacht – wie es eben so üblich ist, wenn eine Gruppe Studenten zu später Stunde zu viel Kaffee trank. Mit viel Initiative, Überzeugungskraft und sehr wenig Geld planten die sechs Oxford- und Cambridge-Studenten die Reise ihres Lebens – und ein Abenteuer, die bis heute Seinesgleichen sucht. Die Strecke war raffiniert und ehrgeizig gesteckt. Und sie führte durch Länder, an denen viele andere zuvor gescheitert waren. Vom Londoner Hyde Park aus ging es quer durch Europa, dann durch den Mittleren Osten und weiter durch Asien, ehe die Gruppe über Thailand und Malaysia Singapur erreichen sollten.
Hartes Terrain
Dass die sechs Studenten nicht überall freundlich empfangen werden würden – weder von den Einheimischen, noch vom Gelände, das an einigen Stellen als unpassierbar galt – machte die Sache nicht einfacher. Eine besondere Herausforderung stellte die noch jungfräuliche Wüstenetappe zwischen Damaskus und Bagdad dar - eine Strecke, bei der das Team in der sengenden Sonne beinah verdurstet wäre. Auch die berühmte „Ledo road“ nahmen die Studenten in Angriff – eine völlig marode Strecke zwischen Burma und Indien, bei der es galt, Tausenden von Bächen, mehreren großen Flüssen und ständiger Bedrohung durch Banditen und Kopfjägern zu strotzen. Es sollte die letzte offiziell aufgezeichnete Fahrt über diese Route sein, bevor sie endgültig geschlossen wurde.
Vom Fließband direkt auf die Straße
In Hinblick auf eine solch‘ anspruchsvollen Reise hätten Sie jetzt sicherlich erwartet, dass die Autos damals umfangreich modifiziert wurden. Doch Fehlanzeige! Die Serie-I-Land-Rover waren im Wesentlichen genauso vom Band gelaufen. Nur kleine Modifikationen wie ein Safari-Dach für die natürliche Klimatisierung des Geländewagens, spezielle Scheinwerfer, eine Seilwinde an der Front und zusätzliche Treibstofftanks wurden durchgeführt. Passenderweise wurden die Autos in den jeweiligen blauen Hausfarben der Universitäten lackiert.
Obwohl Land Rover natürlich als Hauptsponsor fungierte und die Umbaumaßnahmen an den beiden Fahrzeugen finanzierte, wäre die Tour nicht ohne zahlreiches Equipment, Material und Bargeld möglich gewesen, das den Studenten vor und auf ihrer Überlandfahrt von über 80 unabhängigen Spendern überreicht wurden. Von Wasser-Reinigung-Tabletten, über leicht verstaubares Kochgeschirr, bis zu Whisky- und Lebensmittel-Rationen war alles dabei, was die Tour ein wenig komfortabler gestalten konnte. Nach sechs Monaten, sechs Tagen und fast 30.000 Kilometern erreichte das Team tatsächlich Singapur. Damit begeisterten die sechs mutigen Männer nicht nur eine ganze Generation, sie zementierten auch Land Rovers Ruf von Langlebigkeit und herausragenden Off-Road-Fähigkeiten. Eigenschaften also, welche die Marke geformt haben und bis heute in jedem Land Rover Programm sind.
Fotos: Land Rover