Eigentlich war es wie immer. Kaum passt Porsche die Markenikone 911 den aktuellen Anforderungen des Marktes an, geht ein Aufschrei durch die Reihen der Fans. Einige sehen in der Renovierung des 911 sogar den Untergang der Marke und drohen mit Boykott. So auch 1988, als die leicht angestaubte Hülle des 911er „G-Modells“ grundlegend renoviert wurde. Mit modischen Plastikstoßfängern, integrierten Nebel- und Blinkleuchten sowie einem automatisch ausfahrendem Heckspoiler rief das Design des 964 die Kritiker auf den Plan. Die Zierlichkeit des Vormodells war passé, doch was für noch mehr Entrüstung sorgte, war die Tatsache, dass Porsche auch unter dem Blech kräftig aufgeräumt hatte.
Technisch waren die Zuffenhausener mit dem G-Modell ein wenig ins Hintertreffen geraten. Die Konkurrenz hatte zwischenzeitlich in Sachen Fahrdynamik dazugelernt und bot ebenfalls Sportwagen mit hohen Fahrleistungen an, die jedoch deutlich komfortabler und sicherer waren als der 911er. Im 964 legte Porsche nach – mit allem was sich für einen Sportwagen gehörte. So sorgte nun eine Vorderachse mit McPherson-Federbeinen nebst einer hydraulischen Servolenkung für deutlich mehr Fahrkomfort. Ein ABS-System sowie eine Airbag-Anlage boten ein deutliches Plus an Sicherheit und ein optionaler Allradantrieb sollte vor allem den Kunden in den Alpenländern den 911er schmackhaft machen. Dass Porsche einen Allradantrieb anbieten konnte, verdankten die Zuffenhausener vor allem dem Jahre zuvor präsentieren Porsche 959, dessen intelligenter Antrieb weitestgehend im 911 Carrera 4 seinen Dienst verrichtete. Und als ob dies nicht genug wäre, konnte der Kunde mit einem Tiptronic getauften Automatikgetriebe den 250 PS starken Porsche besonders komfortabel bewegen. Mehr Leistung gab es – abgesehen von der obligatorischen Turbo-Variante – nicht, denn Porsche ließ den 3,6 Liter Boxer weitgehend unverändert. Ein um 400 ccm vergrößerter Hubraum, eine Doppelzündanlage und eine verbesserte Einspritzung verbesserten vor allem das Abgasverhalten des grundsätzlich mit einem Dreiwege-Katalysator ausgerüsteten 911er.
Viel Detailarbeit, die sich zunächst kaum auszahlte. Die Kunden bemängelten, der 964 sei zu wenig 911, habe gar seinen hemdsärmeligen Charakter verloren. Doch was damals den Verkauf zunächst nur zäh anlaufen ließ, erweist sich heute als großer Pluspunkt. Denn dank der Modifikationen ist der 964 heute der Elfer, der sich als Youngtimer im Alltag am einfachsten bewegen lässt. Statt sich über an der Blockiergrenze operierenden Bremsen zu sorgen oder den Kampf mit der schwergängigen Lenkung beim Einparken aufzunehmen, gibt sich der 964 im Alltag absolut problemlos und fährt sich keinesfalls wie ein über zwanzig Jahre altes Auto.
Ganz gleich ob als Cabriolet, Targa oder Coupé – der Fahrspaß steht an vorderster Stelle. Der Motor hängt kurz oberhalb der Leerlaufdrehzahl gierig am Gas und entwickelt unter dem typischen Boxersound seine Leistung in einer lehrbuchartigen Kurve, die es dem Fahrwerk auch ohne Allradantrieb leicht macht, die Leistung sicher und ausgewogen auf den Boden zu bringen. Da ist es zu verschmerzen, dass sich die mit langen Schaltwegen operierende Fünfgangschaltung gegen schnelle Gangwechsel sperrt, denn das Drehmoment des Sixpacks im Heck egalisiert die Folgen einer fehlerhaften Gangwahl in jedem Fall.
Im Innenraum versöhnt sich der 964 dann endgültig mit den verstoßen geglaubten Fans und fordert gleichzeitig Zugeständnisse von den Neueinsteigern. Stehende Pedale, aus dem Volkswagen Käfer entliehene Schalter und Hebel auf der Soll-, fünf klassische Rundinstrumente und eine hervorragende Ergonomie auf der Haben-Seite schaffen genau die richtige Mixtur aus gestern und heute. Und das Schöne daran, man kann sich diesen Porsche leisten, denn der 964 ist noch nicht auf dem Hochpreisniveau der frühen RS- und Turbo-Modelle angekommen. Der Markt ist derzeit gut bestückt mit Modellen aller Ausführungen und Laufleistungen. Rund 25.000 Euro reichen aus, um sich den Traum vom bezahlbaren und alltagstauglichen Zuffenhausener zu erfüllen. Ein lohnendes Investment ist dieser Elfer noch dazu, denn wie in nahezu jedem seiner Verwandten schlummert auch in ihm erhebliches Wertsteigerungspotential. Dies trifft natürlich umso mehr auf die Sonderversionen Speedster oder Turbo zu, aber auch gut erhaltene, originale Serienfahrzeuge dürften von dieser Entwicklung profitieren.
Fotos: Dennys Schick