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So fährt sich ein Ferrari 750 Monza bei englischem Wetter um den Goodwood Motor Circuit

Nach unserem Interview mit Tazio Ottis und seinem Team im Vorfeld des diesjährigen Goodwood Revival trafen wir ihn wieder, als er nach einem beeindruckenden Rennen gegen einige seiner Helden aus dem kalifornischen Ferrari 750 Monza stieg.

Nichts im Leben ist sicher. Die Jahreszeiten wechseln, die Temperaturen sinken, und die Sonne kann so schnell kommen wie ein Regenschauer. Aber da gibt es einen Moment im Jahresverlauf, den wir alle erwarten und bewundern. Seit einigen Jahren wagt sich gewöhnlich gegen 18:30 Uhr am Sonntagabend eine goldene Sonne unter den Wolken hervor– pünktlich zum Start der Freddie March Memorial Trophy, dem Finalrennen des Goodwood Revival Meetings. In diesem vom warmen Abendlicht illuminierten Rennen treten Autos in der Tradition des zwischen 1952 und 1955 in Goodwood abgehaltenen 9-Stunden-Rennens an. Beim diesjährigen Rennen nahezu unbezahlbare Jaguar und Aston Martin –schon damals die Protagonisten dieses Langstreckenrennens – sowie als Zückerchen ein ein sehr spezieller Ferrari. Sie starteten zu einem 25-Minuten-Rennen, das nicht nur das Ende der Veranstaltung, sondern oft auch das Ende des Sommers markiert.

Statt Sonnenschein gab es 2024 Regen, und zwar eine ganze Menge, speziell am Freitag. Die Fahrer, Teams und die Tausenden von Zuschauern – alle im zeitgenössischen 50er-Jahre-Outfit – suchten Schutz vor den teils heftigen Regengüssen. Aber es brauchte schon etwas mehr als das Nass von oben, um den berühmte Spirit von Goodwood zu trüben. Für Tazio Ottis und seinen prächtigen Ferrari 750 Monza, die wir bei den Vorbereitungen des Teams auf das Wochenende begleiteten,  bedeutete dies jedoch Neuland. So viel Regen hatten sie noch nie erlebt, da sie die meiste Zeit des Jahres an der amerikanischen Westküste verbringen. „Das ist definitiv eine Abwechslung zu Kalifornien, und es ist mein erstes Regenrennen in diesem Jahr!“, sagte Tazio. „Den meisten Einheimischen macht das wahrscheinlich nichts aus, und trotzdem bin ich sehr froh, bei diesem so besonderen Ereignis dabei zu sein.“

Nach dem Freitag-Training war die Stimmung im Team Ottis gut. Das Auto lief problemlos, mit viel Drehmoment im unteren Drehzahlbereich und einer idealen Abstimmung für die kniffligen und schnellen Kurven von Goodwood. Aber die Konkurrenz war hart. Nachdem sich gegen Ende der Sitzung einige trockene Stellen auf der Strecke gebildet hatten, markierte Jake Hill in einem HWM-Jaguar die schnellste Runde. Gefolgt von einem HWM-Cadillac, einem Allard, einem Jaguar C-Type, dem mächtigen Ford Thunderbird „Battlebird“, einem Aston Martin DB3S und einem weiteren C-Type. Tazio und der 750 Monza starteten von P8 des 26 Wagen starken Feldes. 

Am Sonntag herrschte das beste Wetter des ganzen Wochenendes und trotz einiger heftiger Regenschauer gegen Mittag ließ sich zum Start der Freddie March Memorial Trophy die berühmte Goodwood-Sonne blicken und tauchte die Szenerie in ein warmes Abendlicht. Beim Fallen der Flagge setzte Tazios Kart-Instinkt ein, er gab blitzschnell Gas und schob sich im Lauf der ersten Runde zwei Plätze nach vorn, während Bill Sheppards weltraumtauglicher Thunderbird auf Platz zwei stürmte. Tazio erinnert sich an den Start: „Es war episch! Der Ferrari hat viel Drehmoment und kommt gut von der Linie weg. Ich habe durch meinen Kartsport viel Übung mit stehenden Starts, und es schien alles gut zu klappen da draußen. Zum Glück trocknete es zum Start auch ein wenig ab!“

Ein Kuddelmuddel in der ersten Kurve nach dem Start ist beim Revival immer möglich, aber das gesamte Feld kam ordentlich durch den Rechtsknick Madgwick. Der 750 Monza mit seinem Vierzylinder-Motor war in den Fünfzigerjahre immer ein Siegkandidat, aber es schien, als wären die lokalen Raubkatzen die Autos, in denen man sein sollte, um in den Top 10 zu bleiben. An der Spitze lieferten sich der HWM Cadillac von Richard Woolmer und der vom aktuell Führenden der britischen Tourenwagen-Meisterschaft, Jake Hill, gefahrene HWM-Jaguar eines der heißesten Duelle des Wochenendes. Zunächst lag Hill vorn, ehe Woolmer in einem Alles-oder-nichts-Manöver die Führung zurückeroberte, indem er auf der Wiese nicht nur Hintermänner, sondern in einem Zug auch Hill überholte. Wobei sein Auto zweimal bedrohlich vom Boden abhob! 

Während wir alle mit offenem Mund auf die Wiederholung der Szene im Livestream warteten, eroberte Hill die Führung sofort zurück, um sie bis ins Ziel auch nicht mehr abzugeben. Angesprochen auf diese Szene, äußerte sich Tazio nach dem Rennen zu der Problematik beim Überrunden langsamerer Konkurrenten. „Glücklicherweise scheinen die Leute, die in Goodwood an den Start gehen, sehr respektvoll zu sein und zu wissen, wo sie innerhalb der Startaufstellung stehen. Das war hier kein ein Problem, was ich sehr zu schätzen weiß!“

Als die karierte Flagge das Rennen und das gesamte Revival-Wochenende beendete, bot sich die Gelegenheit, über ein Ereignis zu sinnieren, das wieder einmal ein Ereignis für die Ewigkeit war. Das Engagement der Fans, der Fahrer, der Streckenposten, der Teams und der Organisatoren, die trotz des ach so launischen britischen Wetters die bestmögliche Show geboten haben, war beeindruckend und sorgte für unglaubliche Bilder und Erinnerungen, die man mit nach Hause nehmen konnte. Als Tazio und das Ottis-Team nach einem soliden 10. Platz in ihrer unversehrt gebliebenen Ferrari-Legende einpackten, wollten wir noch wissen, wo wir das Auto wohl als nächstes sehen werden. „Ich werde den Monza wahrscheinlich nächstes Jahr wieder bei LeMans Classic einsetzen. Schon am nächsten Wochenende nehme ich in Indianapolis an der Michelin-Pilot-Serie der IMSA teil, und am Ende des Jahres geht es zu den SCCA RunOffs in Road America. Ich bin also immer noch sehr beschäftigt!“

Wenn Sie mehr vom Goodwood Revival 2024 sehen wollen, blättern Sie hier in unserer 75 Motive starken Foto-Gallerie. 

Fotos von Kevin Arechiga für Classic Driver 2024