Es ist ein ruhiger Samstagmorgen am Engadiner Flughafen. Für das Wochenende sind in St. Moritz keine indischen Hochzeiten oder ähnliche Must-attend-Massenzusammenkünfte des globalen Jetsets angesetzt. So dass nur eine Handvoll Privatflugzeuge auf dem Rollfeld steht, in der Sommersonne glitzernd wie müde exotische Insekten. Plötzlich erfüllt ein pfeifendes Geräusch die Luft, und ein dunkelgrüner Porsche 930 kommt zwischen den Hangars herausgeschossen. Am Steuer: Unser Freund Eugenio Amos, der mit seiner Familie in der Nähe von St. Moritz seine Sommerferien verbringt. Und der sein neuestes Spielzeug mit in die Alpen gebracht hat. Diesmal ist es aber kein weiterer Lancia Delta-Restomod aus dem Stall von Automobili Amos in Varese – wie den Futurista oder den Safarista, den wir kürzlich in Aktion erleben durften – sondern die neueste Kreation von Lanzante Motorsport aus Petersfield in Großbritannien: Ein Porsche 930 TAG Turbo, angetrieben von einem Formel-1-Motor. Genauer gesagt von einem jener 1,5-Liter-V6-Turbo, der vor 40 Jahren die McLaren von Niki Lauda und Alain Prost antrieben und mit dem Prost 1984 den GP von San Marino gewann.
In den 1980er-Jahren entwickelte Porsche unter Leitung von Hans Mezger für das McLaren-Formel-1-Team einen neuen Bi-Turbo-V6, der aus 1,5 Liter Hubraum je nach Ladedruck zwischen 750 und 1000 PS mobilisierte. Da die Entwicklung von dem in Luxemburg registrierten Tech-Konzern Techniques d'Avant Garde (TAG) finanziert wurde, waren die Motoren bald unter dem Namen TAG Turbos bekannt. Als Testfahrzeug für das neue Triebwerk diente anfangs ein auf RUF-Felgen stehender Porsche 930 mit großem Walschwanzflossen-Spoiler. McLaren mit TAG-Turbomotoren gewannen zwischen 1984 und 1986 dreimal die Fahrer-Weltmeisterschaft sowie 1984 und 1985 auch den Konstrukteurs-Titel. 2018 griff Lanzante Motorsport die Idee des Porsche 930 TAG Turbo wieder auf und kaufte elf der originalen, historisch höchst bedeutsamen Motoren von McLaren, um sie von Cosworth restaurieren und in eine limitierte Serie von Fahrzeugen einbauen zu lassen. Darunter auch in Eugenios olivgrünes Auto, das nun vor uns auf der Startbahn steht. Natürlich wollten wir mehr wissen.
Was hat Dein Interesse am TAG Turbo geweckt? Vor allem, wenn die Auswahl an „umgebauten“ Porsche 911 so groß und vielfältig ist, mit Optionen von Singer, Gunther Werks und so weiter?
Mehr noch als das Auto selbst hat mich Lanzante fasziniert. Wegen der Art und Weise, wie sie als Marke auf einem so hohen Niveau arbeiten, um ein wahres Kunstwerk zu vollenden. Ich habe das Auto zum ersten Mal auf dem Goodwood Festival of Speed gesehen und war erstaunt zu hören, dass es noch immer möglich war, einen Slot für den Bau eines Exemplars zu erwerben. Normalerweise sind die Auftragsbücher bei diesen verrückten Restomods und Nachbauten zum Bersten voll. Natürlich ist auch das Auto absolut umwerfend! Was ich am meisten liebe, ist die Tatsache, dass es für das ungeschulte Auge wie ein normaler 930 Turbo aussieht. Der allein für sich schon ein wunderbares Auto ist – aber was Lanzante geschaffen hat, ist pure Magie.
Nachdem Du nun mit Lanzante zusammengearbeitet hast, um den unserer Meinung nach besten TAG Turbo zu entwickeln, den es je gab, stellt sich die Frage: Was hast Du aus Deiner Zeit mit ihnen als Autohersteller selbst gelernt?
Eine Menge, während ich diesen Prozess durchlief. Mich hat am meisten überrascht, wie es Lanzante schafft, so gut unter dem Radar durchzuschlüpfen. Sie sind in keiner Weise reißerisch, trotz der McLaren oder Pagani, an denen sie sonst arbeiten. Als Unternehmen gehen sie vielmehr sehr ruhig und gelassen vor. Alles, was sie tun, machen sie super cool, super smooth.
Was ich ebenfalls an Lanzante sehr schätze, ist die Art und Weise, wie sie jedes Auto, das sie tunen, an den Charakter der Marke anpassen. Es ist selten und extrem schwierig, das zu erreichen. Aber alles, was sie machen, sieht aus wie direkt aus dem Werk. Wenn sie an einem Pagani arbeiten, sehen die Details so aus, als kämen sie von Pagani selbst. Dito bei einem Porsche 930. Man kann seinen eigenen Stil haben und versuchen, alles, was man ändert, mit der eigenen Handschrift zu versehen. Aber es ist wie gesagt etwas Anderes, die Ästhetik und die Details jeder Marke beizubehalten und zu respektieren.
Kannst Du uns dazu ein Beispiel nennen?
Es gibt so viele Details, um die sie sich auf fast schon zwanghafte Weise kümmern. Aber eines, das für mich herausstach, waren die hinteren Fußmatten. Deren hinteren Teil haben sie so bearbeitet, dass sie sich keinen Millimeter bewegen. Auch all die Partien aus Karbonfasern sind beeindruckend, aber diese Detailversessenheit ist das, was sie von anderen unterscheidet. Und man kann sehen, dass sie aus ihrem Motorsport-Erbe herrührt. Auf Italienisch sagen wir, dass man wie ein Bär ist, wenn man nicht zu viel redet und sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmert. Dean Lanzante ist definitiv ein Bär. Er ist ruhig, gelassen, geradlinig und ehrlich, aber er kann im richtigen Moment auch etwas Großartiges leisten.
Wir wissen, dass Du vielleicht ein noch größerer Fan von grünen Autos sind als ich! Für welche Farbe hast Du Dich genau entschieden, und warum?
Wie viel zahlst Du, um das herauszufinden? (lacht). Ich scherze, aber wie Du liebe ich grüne Autos. Die Leute fragen mich oft: ‚Ist das Ihr eigenes grünes Auto?' Und ich sage: Nein, nein. Bei allen Projekten, die ich gemacht habe, hatte jedes Auto einen anderen Grünton. Der Ferrari F40 hatte eine originale Ferrari-Farbe, auch dieser Porsche 930 eine der offiziellen Porsche-Palette. Für den Futurista haben wir dagegen einen eigenen Ton entwickelt. Also, ja, jedes Auto, das ich mache, ist ziemlich grün, aber jedes Grün hat seine eigene Geschichte. Aber wenn Du es wirklich wissen willst: der TAG Turbo ist in Porsche Black Olive.
Zur Innenausstattung Deines TAG: Nach welchen Kriterien erfolgte angesichts so zahlreicher Optionen die Auswahl an Stoffen, Materialien und Oberflächen?
Wenn ich ein Auto sehe, weiß ich sofort, wie es aussehen soll. Ich brauche dann buchstäblich nur fünf Minuten, um es zu spezifizieren. Auch mit Dean und dem Lanzante-Team erfolgte die Zusammenarbeit sehr reibungslos und einfach. Ich habe ihnen meine Ideen mitgeteilt, sie haben mir ein paar Muster geschickt, und ich habe mich sofort für das entschieden, das mir gefiel. Das dunkelbraune Leder kontrastiert gut mit dem Exterieur, und für die Stoffe entschied ich mich für das ikonische Hahnentritt-Muster. Und der hölzerne, kugelförmige Schaltknauf sollte vom Porsche 917 inspiriert sein. Dazu keine getönten Scheiben, silberne Felgen und schwarze Bremssättel, die den subtilen Look des Wagens unterstreichen. Okay, wer mag schon unscheinbare Autos? Aber wenn man ein auffälliges Auto jeden Tag sehen muss, wird es langweilig. Ich denke, wenn man sich für ein klassisches Design entscheidet, wird man auf lange Sicht glücklicher damit sein.
Lass uns über Motoren sprechen. Ein großer Teil dessen, was die TAG Turbo so besonders macht, sind die Motoren, die aus historischen McLaren-Formel 1 stammen, die von Fahrern wie Ayrton Senna, Niki Lauda und Alain Prost gefahren wurden. Was ist die Geschichte hinter Deinem Motor?
Öffnet man den Motorraumdeckel, erblickt man bei allen TAG Turbo eine individuelle Plakette. Meine zeigt, dass der Motor #022 von Niki Lauda und Alain Prost gefahren wurde, wobei der Franzose 1984 beim Grand Prix von San Marino in Imola den Sieg holte. Wie viele andere Autos können eine solche Geschichte erzählen? Die darauf wartet, auf die offene Straße gebracht zu werden? Obwohl der Motor auf fast die Hälfte der Leistung gedrosselt worden ist, liegt die Höchstdrehzahl immer noch bei 9000 U/min. In Kombination mit den beiden Turbos ist das ein Höllenritt!
Kannst Du uns Normalsterblichen bitte beschreiben, wie es ist, ein solches Auto zu fahren?
Ich bin schon viele Autos auf dieser Welt gefahren, aber nichts ist so beängstigend, aber auch so unterhaltsam wie dieser TAG Turbo. Als ich das Auto abholte, regnete es in Strömen. Obwohl nagelneue und hochleistungsfähige Michelin-Reifen aufgezogen waren, verlor ich beim Hochschalten vom dritten in den vierten Gang auf der Autobahn die Bodenhaftung. Fünf Sekunden Drama, da wird man schnell daran erinnert, dass man ein solches Auto respektieren muss! Das ist für mich das Schöne an ihm. Trotz der unglaublich guten Verarbeitung und der Liebe zum Detail sind die Eigenschaften des Wagens unangetastet geblieben. Das heißt, er besitzt immer noch alle Macken des ursprünglichen 930 Turbo. Bei hohen Geschwindigkeiten wurden die Originalfahrzeuge ‚leicht‘ auf der Vorderachse, ein typisches Porsche-Gefühl. Lanzante hat über das Gewicht und das Setupdiesen Effekt etwas entschärft. Aber es bleibt trotzdem ein verrückter Ritt – ohne ABS, ohne Traktionskontrolle und ohne Servolenkung!
Das Auto sieht hier in den Schweizer Bergen wie zu Hause aus – auf welchen Pass bist Du am liebsten gefahren?
Ich will nicht zu sehr als Weichei dastehen, aber um ehrlich zu sein vermeide ich es tunlichst, in der Schweiz rücksichtslos zu fahren. Denn sie haben mir hier schon ein paar Mal den Führerschein abgenommen! Für mich war es die Höhenlage von St. Moritz, die das Auto völlig verändert hat. Da wir hier fast 2.000 Meter über dem Meeresspiegel liegen, hapert es ein wenig mit einer sauberen Verbrennung. Es klingt, als hätte man eine AK 47 hinter den Ohren installiert.
Zu diesem Anlass hat sich Automobili Amos mit Lanzante zusammengetan, um einige attraktive Merchandising-Artikel zu entwerfen, die wir jetzt stolz im CD Shop anbieten. Bestand schon immer der Plan, eine Kollektion rund um den TAG Turbo zu entwerfen?
Nein, ursprünglich war das nicht geplant. Aber als mein Team das wunderschöne Logo von Lanzante mit dem hinduistischen Elefantengott Ganesha sah, fingen wir alle Feuer und kamen auf den Gedanken, einige einzigartige Stücke rund um das Auto und die Logo zu kreieren. Ganesha ist die Art von Branding, die man nur einmal sehen muss, um sie danach sofort mit Lanzante zu verbinden. So dachten wir, dass es ein passender Weg sei, Automobili Amos und Lanzante zur Feier des Tages zusammenzubringen!
Werden wir Deinen TAG Turbo auf irgendeiner der kommenden Shows oder Events auf der ganzen Welt sehen?
Im Moment genieße ich das Auto einfach nur sehr. Ich habe bereits drei Grenzen überquert und mehr als 2.000 Kilometer zurückgelegt und kann es kaum erwarten, mich noch mehr an das spezielle Fahrerlebnis zu gewöhnen. Also: Stay tuned!
Fotos: Andrea Klainguti für Classic Driver © 2024