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Von der Mille Miglia bis nach Mexiko traten diese Ferrari gegen die Besten an

Unter allen ikonischen Modellen aus der langen Ferrari-Historie genießen die tänzelnden Pferde aus der Mitte der 1950er-Jahre besondere Bedeutung und Bewunderung. Diese Scaglietti Spyder, so lässig elegant wie brillant schnell, wurden nun wiedervereint und stehen bei Copley Motorcars zum Verkauf.

Michael Schumachers dominierender F2002, Sir Stirling Moss tanzender 250 GT SWB oder Charles Leclercs am vorletzten Wochenende in Monaco siegreicher SF-24. Wo auch immer man in der Zeitleiste von Ferraris Motorsportengagements eine Stecknadel setzt, wird man Zeiträume finden, in denen die scharlachroten Modelle diejenigen waren, die es zu schlagen galt. Ferrari war und ist weit mehr als nur ein Automobilhersteller. Denn jeder einzelne Mitarbeiter der Marke ist Teil einer Familie, die mit einer unbändigen Leidenschaft für das Gewinnen gesegnet ist. Enzo Ferrari ging noch darüber hinaus – ihm ging es um die totale Dominanz. In den 1950er-Jahren, nicht lange nach Gründung seiner Scuderia im Jahr 1947, trugen Modelle wie dieser 121 LM und 410 Sport – beide mit Karosserie von Scaglietti – die Aussicht auf Ruhm und Ehre schon in ihren Genen. Ihr Ziel: den noch jungen Namen Ferrari bei den schwierigsten Langstreckenrennen der Welt bekannt zu machen.  

Wir beginnen unsere Geschichte im Jahr 1954 mit diesem Ferrari 121 LM Scaglietti Spyder, einem von nur vier jemals hergestellten Exemplaren. Nach den beiden WM-Titeln mit Alberto Ascari in der nach Formel-2-Regeln ausgetragenen „Formel-1-WM“ der Jahre 1952 und 1953 richtete Ferrari seine Aufmerksamkeit zusätzlich auf Sportwagenrennen, um seine Dominanz im Motorsport auf ein zweites Standbein auszuweiten. In der Saison 1953 hatte ein Ferrari 340 MM den fünften Platz bei den 24 Stunden von Le Mans erzielt, doch im Jahr darauf holten José Froilán Gonzalez (Argentinien) und Maurice Trintignant (Frankreich) auf einem 375 Plus nach 1949 den zweiten Gesamtsieg für die Italiener an der Sarthe. Der neue 121 LM wurde speziell für die Teilnahme am Le-Mans-Rennen von 1955 entwickelt. Mit einer hübschen Karosserie von Scaglietti und einem noch von Aurelio Lampredi entwickelten 4,4-Liter-Reihensechszylinder schickte Ferrari drei 121 LM ins Rennen.  Eugenio Castellotti lag anfangs sogar vor dem Mercedes mit Fangio und dem Jaguar mit Hawthorn in Führung, fiel aber schon nach 52 Runden mit Motorschaden aus. Auch die beiden anderen 121 LM sahen nicht das Ziel des mit der größten Katastrophe in der Geschichte des Motorsports befleckten Rennens. Unser hier gezeigtes Exemplar mit Fahrgestellnummer #0484 bestritt im gleichen Jahr die Mille Miglia. Umberto Maglioli und Beifahrer Luciano Monteferrario kämpften auf der ganzen Strecke mit Zuverlässigkeitsproblemen, brachten den Wagen aber schließlich hinter den beiden Mercedes 300 SLR von Moss/Jenkinson und Fangio (fuhr solo) auf Platz drei ins Ziel. 

Im August 1955 trat der nun vom kalifornischen Immobilientycoon Tony Parravano erworbene 121 LM mit Carroll Shelby am Steuer bei der Daily Herald International Trophy in Oulton Park (England) an. Zum Kummer seines Fahrers und neuen Besitzers erreichte er aber wegen technischer Probleme erneut nicht das Ziel. Danach setzte sich die Karriere des Ferrari in Kalifornien fort. Die Karosserie wurde auf der Suche nach einer besseren Kühlung modifiziert, zugleich sollte die Entfernung der als Flosse ausgebildeten Kopfstütze die Aerodynamik verbessern. Im November 1955 startete Umberto Maglioli beim 1. GP von Venezuala in Caracas, gefolgt von den 6 Stunden von Torrey Pines und dem GP von Kuba – alle endeten mit einem DNF. Im April 1957 – Parravano hatte sich da schon nach Problemen mit der amerikanischen Steuerbehörde IRS nach Mexiko abgesetzt – gelang Phil Hill im #0484 LM bei den Palm Springs Road Races endlich der erste Sieg.

1958 übernahmen renommierte Fahrer wie Ken Miles, Tony Bettenhausen und Troy Rutman das Steuer des 121 LM, doch nach einem Unfall von Rutman beim Times GP Riverside ging das Modell Ende 1959 in Pension. Über David Cottinghams Spezialfirma DK Engineering fand der Ferrari 1986 für $200.000 dann den Weg zum Sammler Peter G. Sachs aus Stamford (Connecticut). Der Amerikaner zeigte sein Schmuckstück auf Events in der ganzen Welt, beginnend 1994 mit den Monterey Historics und 1995 fortgesetzt beim damals noch in den Kinderschuhen stehenden und erstmals 1993 abgehaltenen Goodwood Festival of Speed. Sachs führte den 121 LM quer über die USA bei zahlreichen Concours vor, ehe er sich 2014 wieder von ihm trennte. 

Während der 121 LM also ein transkontinentales Autoleben führte, spürte unser zweiter Wagen mit der für die Scuderia Parravano typischen Livery (rot mit einem Längsstreifen in weiß-dunkelblau-weiß) nur kurz die italienische Sonne, ehe er zügig in die USA verschifft wurde. Tony Parravano, nahm den Ferrari 410 Sport Spider Scaglietti im Sommer 1955 in Empfang und ließ – als typisches Markenzeichen seiner Wagen – in die perfekt geformten vorderen Flanken größere Kühlluftöffnungen in der Form von Eierkartons setzen. Genau wie 121 LM wurde auch Chassis #0592 CM unverzüglich eingesetzt. Im Februar 1956 fuhr Carroll Shelby damit zum Gesamtsieg bei den Palm Springs Road Races, doch danach sah man den Wagen nur noch bei den New Smyrna Strandrennen von 1957. Dann nahm ihn Parravano zusammen mit weiteren Autos aus seiner Sammlung mit nach Mexiko, wo er auch verblieb, bis er Anfang der 1970er-Jahre den Weg zurück in die USA fand.

 

AUTO ANSEHEN

 

Der Ferrari 410 Sport war, genau wie der 121 LM, ein komplexes und mitunter anstrengend zu fahrendes und kompliziert zu wartendes Ungetüm. Er war das letzte Modell mit Lampredi-V12 (4963 ccm), nur vier Exemplare wurden gebaut (drei Spyder und eine Berlinetta). Ferrari hatte ursprünglich geplant, die Autos 1955 bei der legendären Carrera Panamericana einzusetzen. Doch nach der Tragödie von Le Mans wurde des in fünf Tagen durch ganz Meiko führende Langstreckenrennens abgesagt – und danach auch nie mehr wiederbelebt. Das Kürzel „CM“ (für „Carrera Messicana“) in den Chassisnummern deutete auf den ursprünglichen Einsatzzweck hin. So blieb es bei einem Einsatz von zwei Werks-410 S beim Anfang 1956 ausgetragenen 1000-km-Rennen von Buenos Aires. Denn danach wurden die Autos an Privatiers verkauft, unter anderem in die USA, wo John Edgar die Chassis #0592 und #0598 einsetzte. Durch Top-Platzierungen des #0598 mit bekannten Piloten wie Ritchie Ginther, Carroll Shelby, Phil Hill oder Masten Gregory erwarb sich Ferrari in den USA den Ruf eines Herstellers, den es bei dortigen Langstreckenrennen zu schlagen galt. 

Nach einer Reihe von Rennen in Mexiko ging der 410 S 1971 in den Besitz von Robert N. Dusek, einem der weltweit größten Sammler von Modellen des Cavallino Rampante. 

In den Folgejahren stellte er den Wagen bei vielen Veranstaltungen in den USA aus, zugleich wurde er in unzähligen Magazinen und Publikationen vorgestellt. Bei einer ersten Auktion im Jahr 2008 wurde er für 9,5 Millionen angeboten, 2014 in einer weiteren Versteigerung dann für schon 23 Millionen weggehämmert. 

Soll man diese beiden Vollblüter nun als wunderschöne rollende Kunstwerke oder als wahre Ikonen einer Zeit betrachten, in der Ferrari der Welt zeigen wollte, was man auf der Rennstrecke zu bieten hatte? Wir finden, dass sie den Spagat zwischen beiden Polen perfekt geschafft haben. Sowohl der 121 LM als auch der 410 Sport sind zum Anbeißen schön und legen Zeugnis ab von Besitzern, die sie im Laufe ihres nunmehr fast 70-jährigen Autolebens bestens gepflegt haben. Viele ihrer Zeitgenossen wurden in den Fünfzigern bis zum Äußersten gefahren, einige gecrasht, andere umgebaut, aber nur wenige haben überlebt. Diese beiden jetzt zusammen unter einem Dach zu sehen, ist ein Bild, das selbst Enzo Ferrari ein Lächeln entlocken würde.

 

AUTO ANSEHEN

 

Beide Autos sind jetzt bei Copley Motorcars erhältlich.

Fotos: (Period Photos) - The Kelmantaski Collection. Other Photos - Teddy Pieper