Wenn wir an amerikanische Supersportwagen der 1990er-Jahre denken, fällt uns sehr wahrscheinlich ein ganz bestimmter Hersteller als Erstes ein: Die ehrgeizige, aber kurzlebige Marke Vector aus Wilmington in Kalifornien. Wie viele andere aufstrebende Supercar-Bauer der 1990er- und 2000-er Jahre hatte auch ihr Gründer, Gerald Alden „Jerry“ Wiegert (1944-2021) Mühe, Vector in ein profitables Unternehmen zu verwandeln. Vergessen wir nicht, dass diese Jahre auch für Porsche und Lamborghini mit finanziellen Sorgen verbunden waren. Aber ehe Vector schließlich endgültig seine Tore schloss, rollte die Marke eine stark limitierte und exklusive Serie der wildesten Autos aus, die jemals auf die Straße gekommen sind. Da das Interesse an Sammlerautos aus den Neunzigern zunimmt, könnte jetzt der perfekte Zeitpunkt sein, sich einen oder zwei Vector in die Garage zu stellen. Zumal vier der besten Exemplare – alle aus der fabelhaften Turbokollektion – bei der RM Sotheby’s Monterey Auktion am 16. August versteigert werden. Lesen Sie weiter, um mehr über jeden dieser erstaunlichen Vectoren zu erfahren!
1991 Vector W8
Wiegert, in Dearborn geborener Amerikaner mit deutschen Wurzeln, beschrieb Vector als eine „Aeromotive“-Company. Und als solche definierte er seine Modelle – und auch den W8 – als einen Starfighter für die Straße. Bei der Konstruktion dieses Geschosses wurde an nichts gespart, vor allem nicht beim Motor: ein quer eingebauter und von zwei Garret AiResearch-Turbos doppelt aufgeladener 6,0-Liter-Rodeck-V8 mit 600 PS. Es wurden nur 20 dieser straßentauglichen Raketenschiffe hergestellt, von denen jedes im Neuzustand umgerechnet fast 500.000 Dollar kostete.
Abgesehen von dem ungewöhnlichen keilförmigen Polygondesign – das von Marcello Gandini stammen könnte! – wies der W8 einige Besonderheiten auf. Darunter einen Schalthebel und eine Handbremse, die zwischen Fahrersitz (Recaro) und -tür platziert waren, sowie einen damals noch seltenen 10-fach-CD-Wechsler von Sony anstelle eines Beifahrer-Airbags. Das Cockpit des W8 glänzte mit einem echten Kampfjet-Display zur Anzeige von Fahrzeuginformationen in Echtzeit. Ebenso gab es gleich unterhalb des Screens einen Drehknopf zur manuellen Einstellung des Ladedrucks. Dieser Vector schafft den Sprint über die Viertelmeile in beeindruckenden zwölf Sekunden – über zwei Sekunden schneller als ein Ferrari Testarossa. Und jeder todesmutige Pilot wird feststellen, dass die Höchstgeschwindigkeit des W8 bei weit über 200 mph (320 km/h) liegt.
Dieser Wagen mit der Seriennummer 009 wurde 1991 fertiggestellt und ist der einzige W8 in Violett über einem schwarzen Vollleder-Interieur. Eine Farbkombination, die unserer Meinung nach perfekt zu diesem US-Supercar passt. Im März 2023 unterzog der ehemaligen „Chief of Engineering“ von Vector, David Kostka, diesem W8 einer gründlichen Überholung. Mit einem aktuellen Kilometerstand von nur 2.643 Meilen (4.252 Kilometer) ist dies eine extrem seltene Gelegenheit, einen von nur 17 gebauten Vector W8 in Ihre Sammlung aufzunehmen.
1993 Vector Avtech WX-3 Prototype
Nach dem relativen Erfolg des W8 stellte Vector auf dem Genfer Salon von 1992 den Avtech WX-3 Prototypen vor. Ein noch nicht fahrbares, aber voll ausgestattetes und zu diesem Zeitpunkt noch silbern lackiertes Standmodell. Wie der W8 bestand die Struktur des Coupés aus hochmodernen Materialien wie Karbonfaser, Aluminium-Honeycomb und Kevlar; verstärkt durch einen integrierten Überrollkäfig. Im Design wich der WX-3 von den kantigen Formen des W8 und zugunsten einer für die 1990er-Jahre typischen, weil kurvigeren Formensprache ab.
Auf dem Genfer Salon des Folgejahres stellte Wiegert eine WX-3-Weiterentwicklung vor, nun mit einem 7,0-Liter-Biturbo-V8 in Voll-Aluminium-Bauweise und (konservativ geschätzt) 1.000 PS Leistung bestückt. Damit sollten der Sprint von 0 auf 96 km/h in nur 3,3 Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von 248 mph (400 km/h) möglich sein. Im Innenraum baute der WX-3 eindeutig auf den Grundlagen des W8 auf, mit dem gleichen Kampfjet-Display, das immer noch das Seitenprofil des W8 zeigte. Allerdings gab es Änderungen bei der Sitzanordnung in Gestalt einer ungewöhnlichen Dreier-Sitzbank in schwarzem Leder mit an die (neue) Außenfarbe angelehnten türkisgrünen Kedern.
Trotz (oder vielleicht gerade wegen?) des stolzen Preises von 765.000 Dollar kam der WX-3 nie über die Prototypenphase hinaus, zumal ein feindlicher Übernahmeversuch durch das von der indonesischen Regierung unterstützte Unternehmen MegaTech die Entwicklung abwürgte und in dessen Folge Wiegert aus seiner eigenen Firma gefeuert wurde! Nach einer gerichtlichen Auseinandersetzung erhielt er die Rechte am Design des WX-3 und an den beiden noch existierenden Prototypen später zurück. Der Vorbesitzer des Coupés ließ den Wagens von 2019 bis 2022 für 300.000 Dollar bei Miller Motorcars aus Greenwich, Connecticut restaurieren, wobei der Schwerpunkt auf der Auffrischung des Innenraums und der mechanischen Komponenten lag. Heute trägt dieser einzigartige Avtech WX-3-Prototyp die gleiche atemberaubende türkise Lackierung, mit der er 1993 in Genf die Besucher des Salons verblüffte. Und stellt eine einzigartige Chance dar, das letzte Modell von Amerikas erstem echten Supersportwagenhersteller zu ersteigern.
1993 Vector Avtech WX-3R Roadster Prototype
Wie bereits gesagt, baute Vector nur zwei WX-3, bevor es zu der ebenfalls schon erwähnten kleinen rechtlichen Auseinandersetzung mit dem Sohn eines indonesischen Diktators kam. Und dies ist das andere Auto: der einzige existierende WX-3R Roadster. Wiegert hatte eine Reihe von Motoren für den WX-3 im Auge, und so erhielt der offene Wagen im Gegensatz zum Coupé einen weniger starken, aber immer noch furchterregenden 6,0-Liter-V8 mit Doppelturboaufladung, der konservativ mit 625 PS angegeben wurde.
Während der Roadster unter der Haut viele Gemeinsamkeiten mit dem Coupé aufwies, war sein Design dank der aggressiv abgewinkelten Windschutzscheibe, die nahtlos in die Seitenfenster übergeht, sogar noch extremer. Das niedrige Seitenprofil wurde durch einen im Vergleich zum Coupé niedriger montierten Heckspoiler noch weiter akzentuiert, während im Innenraum die drei Sitze durch zwei bequeme Recaro-Schalen ersetzt wurden. Wie beim Coupé schickte der Motor seine geballte Power über eine Turbo-Hydramatic 425-Automatik von General Motors auf die Antriebsachse. Die Höchstgeschwindigkeit soll bei über 200 mph (gut 320 km/h) gelegen haben.
Dieser WX-3R, der 2019 zusammen mit dem Coupé aus Wiegerts Sammlung verkauft wurde, profitierte ebenfalls von einer umfassenden Restaurierung bei Miller Motorcars im Wert von 116.000 Dollar. Heute trägt dieser einzigartige Roadster noch immer seine Showcar-Farbe Amethyst Purple über einem neu mit schwarzem Leder und lila Krokodilleder ausgeschlagenen Interieur. Wie bei den vorherigen Vector-Modellen fällt auch hier das stark an Flugzeug-Cockpits angelegte Armaturenbrett auf. Zu erwähnen ist noch der erstaunlich hohe Kilometerstand von über 89.000 Meilen: offenbar ein Trick von Wiegert, potenzielle Kunden in Genf von der Zuverlässigkeit des Wagens zu überzeugen. In Wahrheit dürfte dieses Unikat, das ergab auch die Arbeit der Restaurateure, weitaus weniger Kilometer zurückgelegt haben.
1996 Vector M12
Der 1996 auf der Detroit Motor Show vorgestellte Vector M12 war der erste Supersportwagen der Firma unter ihrem neuen Eigentümer MegaTech. Äußerlich stark an das Design des WX-3 angelehnt, basierte er auf einer modifizierten Lamborghini Diablo-Bodengruppe. War der der WX-3 noch mit einem Vector-eigenen V8 ausgestattet, griff der M12 für seinen V12-Sauger erneut auf das Diablo-Teilelager zurück. Auch wenn der M12 weit entfernt von den für den WX-3 versprochenen 1.000 PS war, so machten ihn fast 500 PS immer noch zu einem der furchterregendsten Supercars seiner Zeit.
MegaTech hatte den Betrieb von Südkalifornien in einen Vorort von Jacksonville, Florida verlegt, wo man im selben Gebäude untergebracht war wie die Nordamerika-Dependance von Lamborghini. MegaTech hatte gerade Lamborghini von Chrysler übernommen und hoffte, in der neuen Konstellation einen amerikanisch-italienische Supersportwagen zu entwickeln. Interessanterweise hatte MegaTech Schwierigkeiten, Lamborghini für die V12-Motoren zu bezahlen, und bot schließlich einen Vector W8 als Entschädigung an – was das Unternehmen aus Sant'Agata überraschenderweise akzeptierte. MegaTech verkaufte Lamborghini später an Audi, worauf die Lieferung des V12-Motors endete und Vector im Wesentlichen die Türen schloss. Bis es Wiegert schließlich gelang, die Kontrolle über das Unternehmen zurückzugewinnen und mit dem 2007 auf der LA Auto Show gezeigten Showcar WX-8 – das allerdings nie in Serie ging – einen Neustart zu wagen.
Dieser Vector M12 Baujahr 1996 ist das fünfte von nur 17 Exemplaren aus dieser turbulenten Zeit, wobei nur 14 als vollwertige „Produktionsmodelle“ galten. Mit einem Armaturenträger, der nun nicht mehr einem Flugzeug-Cockpit ähnelte, sondern mit Teilen aus der Zeit, in der Lamborghini noch zu Chrysler gehörte, aufwartet. Als einziges lilafarbenes Exemplar wurde dieses Modell nur 6151 Meilen (=9896 Kilometer) gefahren und ist bereit, von seinem nächsten Besitzer genossen zu werden.