Versteckt am Rande von Dülmen im Münsterland liegt eine Fabrik, die einst vor Leidenschaft und Kreativität strotzte. In ihr rollte Ende 2011 dieser prächtige Roadster vom Band rollte, um zunächst als Ausstellungsfahrzeug eines deutschen Wiesmann-Händlers seine Reize zur Schau zu stellen. Denen dann der erste und bis heutige einzige (deutsche) Besitzer des MF5 im Oktober 2013 erlag. Mit nur 100 Kilometer Laufleistung erwarb er den britisch inspirierten Roadster quasi als Neufahrzeug und fuhr in bis heute, bei immer bester Wartung und Pflege, nur weitere 3100 Kilometer weit.
Wiesmann, da war doch was. oder? Ja, Anfang 2014 musste die 1988 von den Brüdern Friedhelm und Martin Wiesmann gegründete Sportwagen-Manufaktur Insolvenz anmelden. Zwei Jahre später übernahmen Roheen und Sahir Berry – auch die Londoner sind ein Brüderpaar – die Marke und den Standort Dülmen. Wirklich wiederbeleben konnten sie Wiesmann bisher nicht, angekündigt sind jedoch zwei Projekte: „Gecko“, ein Coupé mit BMW V8-Motor und der voll elektrische Roadster Thunderball im (natürlich) Retro-Stil, letzterer sogar schon bestellbar.
Während also die Zukunft von Wiesmann a) noch etwas unsicher und b) zumindest teilweise elektrisch ist, sind die rund 1.500 zwischen 1993 und 2013 gebauten Modelle die aktuell einzige Möglichkeit, diese wundervollen und mit BMW-Power gesegneten Sportwagen zu erleben. Nachdem Wiesmann 2005 auf der IAA mit dem GT MF4 das erste Coupé vorgestellt und 2009 den dazu passenden Roadster (MF4) nachgeschoben hatte, avancierte ab 2009 der MF5, insbesondere in seiner GT-Variante, zum neuen Star der Marke mit dem Gecko als Firmenlogo. Die Kunden konnten sich freuen: Denn dank eines geklebten und genieteten Aluminium-Chassis, über die eine mit Fiberglas verstärkte Kunststoff-Karosserie gesetzt wurde, drohte keine Korrosionsgefahr.
Anfangs vom mächtigen BMW-V10-Sauger (507 PS aus 5,0 Litern Hubraum) und nach der Produktionseinstellung bei BMW vom aufgeladenen 4,4-Liter-V8 mit 555 PS angetrieben, war der MF5 alles andere als untermotorisiert. Kritiker lobten sogar den Wechsel auf den hubraumschwächeren Bi-Turbo, weil er das Auto im Vergleich zum V10 agiler und dynamischer machte.
Um das Beste aus dem anfangs nur als Coupé gebauten MF5 herauszuholen, raten wir Ihnen dringend, sich für die Roadster-Variante zu entscheiden. Sie wurde 2009 auf der IAA erstmals gezeigt und ist mit 106 gebauten Exemplaren besonders selten.
Der dezente dunkle Farbton (Onyx Black Metallic) dieses von Axel Schuette Fine Cars aus Oerlinghausen angebotenen Exemplars lässt den Wiesmann in seiner Präsenz geerdet bleiben. Was die Chromeinfassung des von Jaguar-Modellen aus den 1950er-Jahre inspirierten ovalen Kühlergrills um so mehr strahlen lässt. Ansonsten ist das Design so einfach wie möglich gehalten, mit übereinander „gestapelten“ Front- und Rückleuchten als einzige auffällige Akzente der kurvenreichen Karosserie. Die Roadster-Variante gibt den Blick frei auf die Hauptattraktion des MF5: den herrlich analogen Innenraum. Bei diesem Exemplar ist er mit Porsche Nappaleder in Naturbraun ausgekleidet. Die cremefarbenen Ziffernblätter sind so geneigt, dass der Fahrer sie optimal im Blick hat. Der knackige Schalthebel suggeriert einen Handschalter, doch dient er in Wirklichkeit zur Betätigung einer Sechsstufen-Automatik, mit separater Schaltgasse für manuelle Eingaben.
Diesen 555 PS starken Wiesmann in freier Wildbahn zu sehen ist eine wahre Augenweide. Er versprüht den Charme der alten Schule, indem er moderne Leistungsdaten mit einem von den größten Ikonen des klassischen Autodesigns inspirierten Exterieurs kombiniert. Auch wenn die Zeit der Verbrennungsmotoren in Dülmen offenbar langsam dem Ende zuzugehen scheint, können wir den Brüdern Wiesmann für den Ehrgeiz und die Entschlossenheit, Ende der 2000er-Jahre ein wirklich unvergessliches Auto wie diesen offenen MF5 zu schaffen, nur noch nachträglich applaudieren!