Um mehr Zeit für die Familie zu haben und fortan den Lebensunterhalt mit seinem Hobby zu bestreiten, kündigte Jean Guikas 1989 einen erfolgreichen Job und gründete GTC, den Spezialisten für die erlesensten Straßen- und Rennwagen. Seit über 30 Jahren haben Jean – und in jüngerer Zeit seine Tochter Camille – außergewöhnliche Automobile aufgetrieben und mit ihnen gehandelt. Nun steuern sie ihr Geschäft in eine neue Richtung und haben einige Modelle aus ihrer aufregenden Kollektion zur Versteigerung eingereicht. Am 19. November wird RM Sotheby’s in Le Castellet 76 Fahrzeuge aus der Sammlung weghämmern, und zwar duchgehend ohne Mindestpreis („no reserve“).
Es fällt schwer zu entscheiden, was man sich aus diesem großen Angebot herauspicken soll. Denn hier tut sich ein Himmelreich für Liebhaber von Straßen- und Rennwagen auf. Doch ehe wir uns die automobilen Goldstücke genüsslich näher zu Gemüt führen, haben wir uns mit Jean Giukas zusammengesetzt, um zu verstehen, wie es überhaupt zu dieser wunderbaren Auktion gekommen ist.
Jean Guikas
Ja wieso? Man könnte meinen, dass Guikas seine gesamte Sammlung verkauft, aber es handelt sich nur um die Hälfte des Bestandes und leitet einen Richtungswechsel des Unternehmens ein. Jean und Camille blicken in die Zukunft blicken und wollen ihr Berufsethos „Kaufen Sie, was Sie lieben" durch einen weiteren Faktor, nämlich außergewöhnliche Raritäten, stärken.
„Tatsache ist, dass wir 160 Autos besitzen, was zu viel ist. Daher haben wir beschlossen, einen Teil der Sammlung zu verkaufen, um uns auf die ganz besonderen Autos konzentrieren zu können“, sagt Jean. Ist dies das Ende von GTC? „Nein, das ist ein neues GTC und ein Betrieb, der einen der besten Bestände weltweit aufweist. Wir haben kürzlich einige sehr, sehr wichtige Autos gekauft, und darauf wollen wir das Geschäft konzentrieren. Ich glaube, dass der Markt für sehr seltene und sammelwürdige Autos in Zukunft prosperieren wird. Ende des Jahres wird die GTC-Garage also nicht mehr so vollgeparkt sein wie bisher, aber wir werden 60 sehr wichtige Autos haben."
Die GTC-Sammlung befindet sich vollständig im Besitz der Familie, es gibt keine Kommissionsfahrzeuge. Guikas hat im Lauf der Jahre beim Kauf dieser Autos sehr persönliche Entscheidungen getroffen, und ich bin mir sicher, dass alle Bieter die Gewissheit haben können, dass diese Autos auf korrekte Art und Weise von ihm erworben wurden. Ich frage ihn, wie es sich anfühlen wird, wenn die Wagen in ein paar Wochen über das Portal gehen und alle einen neuen Besitzer finden.
„Ich bin aufgeregt, keine Frage, aber auch interessiert. Ich denke, dass RM Sotheby's mit diesem Verkauf etwas Außergewöhnliches präsentieren will. Sie sind sehr glücklich darüber, dass die Auktion sehr unterschiedliche Autos von 1933 bis 2012 enthält. Und eröffneten mir, dass es heutzutage extrem schwierig geworden sei, auf dem Markt großartige Autos zu finden, die zum Verkauf stünden. Ich glaube, dass die Sammler, die heute die wichtigen Autos besitzen, sie einfach behalten und ihre Sammlung mit weiteren Modellen ergänzen wollen.“
Angesichts der großen Zahl an Wettbewerbsfahrzeugen in der Auktion würde ich gerne wissen, wie sehr er es sich wünschen würde, dass sie tatsächlich wie vorgesehen eingesetzt werden.
„Das würde mich sehr freuen. Der Ferrari 512 BB-LM, den ich vor einigen Jahren gekauft habe, war für mich ein Traum, denn er war der schnellste BB-LM, der je gebaut wurde. Ich habe das Auto nur für private Tests genutzt und wollte in diesem Jahr damit bei Le Mans Classic starten. Aber leider war das nicht möglich, und so habe ich mich entschlossen, es zu verkaufen. Ich hoffe, dass der nächste Besitzer das Auto bewegen wird, denn es ist wie gesagt der schnellste BB-LM von allen. Und wenn der neue Besitzer einen Fahrer sucht... ich bin gerne bereit, zu helfen!“
Wir nahmen uns genügend Zeit, um das breite Angebot der Lots zu durchforsten und entschieden uns dann, für die Wahl unserer Wunschmodelle das Ganze in zwei getrennte Kapitel für Straßen- und Rennwagen aufzuteilen.
Für die Straße
Man könnte leicht annehmen, dass es sich bei dieser Sammlung um ein reines Unobtanium (englisches Kofferwort, bezeichnet ein Material, das praktisch nicht beschaffbar ist, weil es nicht (in der benötigten Menge) existiert, unerschwinglich teuer ist oder sich an einem unerreichbaren Ort befindet) handelt, aber das ist falsch. Die niedrigsten Schätzungen liegen bei unter 50.000 Euro für einen Rolls-Royce Corniche, einen Mercedes 190 E 2.3, einen Innocenti Mini T von 1969 und einen Alfa Romeo Giulia GT Junior. Am oberen Ende der Skala finden sich einige italienische Vollblüter, die für Millionenbeträge gut sind. Ein Ferrari 250 GT Berlinetta von 1955 wird voraussichtlich über sieben Millionen Euro erzielen, dicht gefolgt von einem betörenden 250 GT Cabriolet und einem 275 GTB. Der Iso Grifo und der Bizzarrini 5300 sind ebenfalls sehr verlockend.
Aber hier bei Classic Driver ist es der Lamborghini Countach LP400 „Periscopio“ von 1975, der unsere Aufmerksamkeit erregt. Von diesem Modell wurden nur 175 Stück produziert, und es ist wirklich schwer vorstellbar, welchen Eindruck der Lambo Mitte der 70er Jahre auf der Straße hinterlassen haben muss. Dieses schwarz-auf-schwarz lackierte Exemplar ist darüber hinaus ein frühes Fahrzeug mit einstellbarer Federung und besonders leichten mechanischen Komponenten. Man geht davon aus, dass es sich um den 55. bei Lamborghini gebauten Countach handelt. Wie wäre es wohl, das 50-jährige Jubiläum dieser Ikone zu feiern, indem man sie seiner Sammlung einverleibt?
Für die Rennstrecke
Hier liegt vielleicht die wahre Leidenschaft von Guikas, der selbst viele Jahre lang Rennen gefahren ist. Von den 76 zum Verkauf angebotenen Fahrzeugen sind über 20 reinrassige Rennwagen, ganz zu schweigen von den Straßenfahrzeugen, die in historischen Wettbewerben eingesetzt werden könnten. Der Star der Ausstellung ist der sensationelle Renault-Alpine A442 von 1976, das einzige Exemplar, das sich außerhalb des Renault-Werks in Privatbesitz befindet und eines von nur vier gebauten ist. Dieses spezielle Modell nahm 1977 und 1978 am 24-Stunden-Rennen von Le Mans teil. Auch wenn der A442 jetzt für Veranstaltungen wie Le Mans Classic zugelassen ist, ist er aufgrund seiner Herkunft ein Rennwagen, dessen Anschaffung ernsthaft überlegt werden muss, bevor man sich damit professionell auf die Rennstrecke wagen will.
Aber keine Angst, es gibt eine ganze Reihe von GT-Fahrzeugen aus den 90er bis 00er Jahren, die auch für historische Rennveranstaltungen in Frage kommen. Der Jaguar XJ220 C LM, der Lister Storm GT und der Saleen S7R sind allesamt gute Argumente für die Teilnahme an der Endurance Racing Legends-Serie; aber vielleicht ist der Ferrari 575 GTC aus 2005 das Auto, das man sich am genauesten ansehen sollte.
Denn dieser GT gilt als der allerletzte V12-Rennwagen, der das Ferrari-Werk verlassen hat, und es handelt sich um das letzte von zwölf gebauten Fahrzeugen. Schließen Sie die Augen und stellen sich vor, wie Sie in einem V12-Ferrari eine Runde in Le Mans drehen, das klingt doch gut, oder? Nun, dieses Auto wird bei einer Reihe von prestigeträchtigen Veranstaltungen herzlich willkommen sein, was bedeutet, dass Sie es weiterhin so nutzen können, wie es seine Väter beabsichtigt hatten. Immer noch in seiner historischen Lackierung und mit einem Ersatzmotor in der Hinterhand gibt es wirklich keinen Grund, warum Sie diesen Ferrari nicht sofort auf die Piste schicken sollten.
Sie können sich die komplette Auswahl der Lots für die RM Sotheby’s Auktion im Classic Driver Markt anschauen. Die Versteigerung geht am 19. November in La Castellet über die Bühne.