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Wir meisterten in einem €500.000 teuren Rolls-Royce-SUV Italiens meistgehyptes Bergrennen

„Slow Down to Go Fast" war das Motto des ersten Tutto Bene-Bergrennens, ins Leben gerufen vom Mailänder Designstudio BorromeoDeSilva und der kalifornischen Kreativagentur Race Service. In echter Classic Driver-Manier fuhren wir in einem eine 0,5 Millionen Euro teuren Rolls-Royce Cullinan vor.

„Nur coole Autos sind erlaubt“, hieß es in der kryptischen Einladung, die wir Anfang Mai dieses Jahres von unseren Freunden von BorromeoDeSilva erhielten. Abgeschickt von Carlo Borromeo, dem Creative Director des Studios, und „Chief Vibe Inspector“ Christophe Duchesne erregte diese neue, geheimnisvolle Veranstaltung sofort unsere Aufmerksamkeit. Es waren auch ein Datum und ein Ort angegeben: 9./10. September, Mottarone, Stresa, Italien. Da BorromeoDeSilva bei allem, was sie anfassen, als absolute Trendsetter bekannt sind – schließlich haben sie die meisten der angesagtesten Restomods der Welt entwickelt – erklärten wir uns sofort bereit und warteten auf weitere Instruktionen.

Im Laufe der Zeit wurden weitere Details bekannt – und unsere Vorfreude auf das, was kommen sollte, stieg immer mehr. Eine Veranstaltung nur für geladene Gäste, inspiriert von den Anfängen des Goodwood Festival of Speed. Intim, mit hohem Fun-Faktor und ausgetragen auf einer sieben Kilometer langen Privatstraße im Besitz der Familie Borromeo („Strada Privata Borromea“). Auf der die Teilnehmer den Berg Mottarone hinauffahren und ein Spektrum von Kurven durchfahren würden, das von schnellen technischen Biegungen bis zu langsamen Haarnadelkurven reichte. Alles auf eine Art und Weise, die bei der späteren Fahrerbesprechung als „sicher, aber nicht langweilig“ beschrieben wurde. Um es kurz zu sagen: ein Lifestyle- und Autokultur-Treffen mit Elementen aus Fahrdemos und einem Aperitivo sowie einem Empfangsdinner in den Barockgärten der Privatinsel Isola Bella am Lago Maggiore. La vita é bella!

Der erste Teil der Mission bestand darin, ein angemessen cooles Auto zu besorgen. Glücklicherweise haben unsere Freunde von Rolls-Royce, die an unsere etwas unorthodoxen Ideen gewöhnt sind, uns für diesen Anlass einen St. James Red Cullinan Black Badge zur Verfügung gestellt. Heritage, Komfort, Geschwindigkeit und Skurrilität – alles gleichzeitig und auf Top-Niveau bietet dieser SUV. Der Plan war, mit einem Auto, das ehrlich gesagt nicht für die Straßenbreite in dieser besonderen Ecke der Welt geeignet ist, auf unvergessliche Weise über den Parcours zu düsen und gleichzeitig zu sehen, wie es mit dieser Aufgabe zurechtkommt.

Die Geschichte von Rolls-Royce ist voller Herausforderungen, von den Alpine Trials bis hin zum London-Edinburgh-Trial im Silver Ghost. Aus dem Jahr 1911. Deshalb dachten wir uns, wir könnten unseren eigenen Teil zur Geschichte des Unternehmens beitragen - eine Geschichte, in der es darum geht, Autos zu bauen, die alles, was man ihnen zumutet, mit unvergleichlicher Anmut bewältigen können. Unser Cullinan ist das automobile Äquivalent zu den frühen Bonds, die von Sean Connery gespielt wurden. Der sich Schlägereien, Schießereien und Explosionen ausgesetzt sah, aber am Ende immer völlig unbeeindruckt herauskam, in perfekt gebügelter Kleidung, mit einer ebenso idealen Frisur, einem Drink in der Hand und einem hinreißenden Mädchen am Arm.  Nachdem dies geklärt war, entwarf unser Freund Grisha Morgenstern noch eine „Classic Driver“-Livery für das Auto – und wir waren startklar.

Einen Tag vor der Veranstaltung flogen wir direkt von der Luftgekühlt Kopenhagen nach München. Holten das Auto dort ab, und machten uns auf den Weg durch Österreich und über das Timmelsjoch nach Italien. Auf der Reise konnten wir uns mit der stattlichen Größe des Wagens vertraut machen und feststellen, dass es mit 600 PS und 900 Nm Drehmoment sowie der Hinterradlenkung erstaunlich einfach war, Berge zu erklimmen. Im Auge zu behalten war nur das Gewicht von 2,7 Tonnen, vor allem bei Bergabfahrten. Glücklicherweise nimmt man es in einem Rolls-Royce eher gelassen, und auch wenn es an diesem Tag in Strömen regnete, kamen wir frisch und munter in unserem Hotel an. Dank des überragenden Komforts im Gestalt eines „magic carpet rides“, der Massagesitze, des Raumgefühls im Fond und der Schallisolierung durch die doppelt verglasten Fenster, die das Geräusch des sintflutartigen Regens auf ein leises Flüstern dimmte.

Am nächsten Morgen inspizierten wir die Strecke, nahmen den 155 DTM Alfa Romeo in Empfang, der uns freundlicherweise von Kessel Racing zur Verfügung gestellt wurde, um als Teil des Rennmeister-Projekts (Partner der Veranstaltung) bei Tutto Bene ausgestellt zu werden. Und nutzten ansonsten den Tag, um mit der legendären kalifornischen Kreativagentur Race Service, dem Hauptpartner des Events, fleißig Fotos zu schießen. Als im Laufe des Tages die ersten Besucher eintrafen, fiel uns auch die wachsende Zahl phantastischer Autos auf – einige davon gefahren von alten Bekannten.

Unser persönliches Highlight war definitiv der spektakuläre Maserati MC12 Corsa in Perlweiß von Max Girardo. Ronnie Kessel brachte ‚unseren‘ Alfa mit, an der Bar Stazione auf halber Strecke des Parcours war er ausgestellt neben Thierry Nardones 928 Prototyp, dem von HWA umgebauten Mercedes 190 Evo, einem Ford RS200 Rallye und einem Ferrrari 488 GT3.

Auch Eugenio Amos erschien in voller Mannschaftsstärke. Mit dem Lancia Delta Futurista, seinem Porsche 930 TAG Turbo, der von einem Formel-1-Porsche-Motor angetrieben wird (die ganze Geschichte finden Sie hier) und einem Ferrari 430 Challenge in einer zweifarbigen grünen Lackierung (der Mann hat eine Vorliebe für diese Farbe). Während wir uns verzweifelt bemühten, unsere eigene Livery zu vervollständigen (vielen Dank an Benedict Radcliffe und Maximilian Funk, ohne Euch hätten wir es nicht geschafft), begannen die Aperitifs und das Abendessen. Glücklicherweise schafften wir es noch rechtzeitig, das letzte Boot zur Insel zu erwischen und an der geselligen Atmosphäre teilzuhaben, während wir die barocken Gärten und Innenräume des Palazzo bewunderten.

Am nächsten Tag wurde uns dann erst voll bewusst, was für ein hochkarätiges Teilnehmerfeld sich hier zusammengefunden hatte. Von einem V8-Twin-Turbo-Dakar-Truck von Audi über verschiedene Vintage-Porsche, die Felix Bauermeister, Ted Gushue und Filipppo Bassoli, Präsident von Deus Ex Machina Italien, mitgebracht hatten, bis hin zu modernen 911 S/T in limitierter Auflage und zwei Dallara reichte die Palette.

Aber auch ein verrückter KTM GT-XR, ein nahezu neuwertiger R34 Nissan GT-R und ein ebenso blitzsauberer E30 BMW M3 sowie ein Caterham, Benedict Radcliffes Subaru Impreza WRX STI, ein Ferrari SP3 Daytona und ein Lancia Delta Integrale 8V in Brooklyn Chewing Gum-Livery, entworfen vom talentierten Davide Virdis, standen am Start bereit.

Wir freuten uns auch auf den weltweit einzigen Alfa Romeo 8C mit Handschaltgetriebe, der von unseren Kumpels von Officine Fioravanti umgerüstet wurde, die auch das Safety Car des Events in Form eines Mitsubishi Pajero Evo stellten. Race Service-Gründer James Kirkham bewegte einen AMG GT-R, und der mysteriöse „Powerslide Lover“ driftete in einem Ferrari 812 Competizione Aperta in einer Rauchwolke bis ganz nach oben.

Die inoffizielle Classic Driver-Auszeichnung „Best Sounding Car of the Event“ ging an den MC12 Corsa. Knapp dahinter landeten der Lamborghini Sterrato, gekonnt gefahren von Anna Gańczarek, und Tommaso Zerialis 912, der, nun ja, seien wir ehrlich, wohl keinen Vierzylinder-Boxer im Heck hatte... Der 430 Scuderia von Julia Kraeplin klang auch nicht schlecht, ebenso wie der Fioravanti 8C. Gentleman-Racer Philip Kadoorie wurde ebenfalls zwischen den in der Bar Stazione versammelten Zuschauern gesichtet. Sie genossen die Show und den hervorragenden DJ, während unbegrenzt Pasta und Eis serviert wurden.

Als wir an der Reihe waren, zog Błażej Żuławski seine Puma-Rennhandschuhe an und setzte den von Bell gestellten Tutto Bene-Helm auf. Überprüfte die Uhrzeit auf der in limitierter Auflage für jeden Fahrer produzierten Tutto Bene Unimatic und zog den Cullinan in völliger Stille und, wie man uns versicherte, mit der Grazie einer Ballerina den Hügel hinauf. Nebenbei testete er auch nochmal die belüfteten Massagesitze und hörte etwas Burt Bacharach.

Das massige SUV erwies sich auf der Strecke als überraschend wendig und fahrbar, mit ausgezeichnetem Handling und Grip, wenn auch ohne jegliches Lenkgefühl, wie man es von einem Rolls-Royce kennt. Alle Rolls-Royce haben dieses weiche, indifferente, aber beruhigend widerstandsfähige Gefühl, wenn man das Lenkrad betätigt. Man kann nichts fühlen, sondern muss dem System vertrauen. Oben angekommen ein kurzer Blick auf die Bremsen. Zu unserer Überraschung waren sie noch nicht einmal heiß. Was uns bestätigte, dass der Cullinan wirklich alles kann, nur mit viel „Pomp and Circumstance“ und einer im Kofferraum verstauten Kameraausrüstung, die wir vergessen hatten, zuvor auszuladen.

Wie kann man diese Erfahrung zusammenfassen? In einer Welt von ziemlich langweiligen „Cars and Coffee“-Events, bei denen nichts Interessantes passiert, brachte Tutto Bene frischen Wind in die Szene. Echte Emotionen und Spaß, vor allem für diejenigen, die mit ihren Autos teilgenommen haben. Und das alles vor der atemberaubenden Kulisse des Lago Maggiore und – vom oberen Fahrerlager aus - den italienischen Alpen als Hintergrund. Da es sich um die erste Ausgabe handelt, ist noch nicht abzusehen, wie sich die Veranstaltung in Zukunft entwickeln wird. Zweifellos werden mehr Teilnehmer und Zuschauer daran interessiert sein, sich zu beteiligen, dafür scheinen die Kapazität und der Platz des Hauptveranstaltungs-Ortes jedoch etwas begrenzt zu sein. Aber das ist ein Problem für die Zukunft. Hauptsache ist, dass die Italiener es wirklich besser machen, und ein italienisch-amerikanisches Joint Venture kann es sogar noch besser!

Fotos von Szymon Adamczyk und Błażej Żuławski.