Sie fahren langsam durch eine Seitenstraße im Süden von Los Angeles. Die Bürgersteige sind mit allerlei Unrat übersät, aus den dichterbesiedelten Vierteln dringt ein entferntes, aber beständiges Sirenengeräusch herüber, und die berühmte kalifornische Sonne brennt wie ein Laserstrahl auf die Haut. Sie werfen einen Blick nach rechts, auf teilweise verfallene Gebäude und Wohnprojekte, und was Sie da im Vorbeifahren in einem Sekundenbruchteil geglaubt gesehen zu haben, lässt Ihnen als Car Guy keine Ruhe. „Kann es denn wirklich sein“?
Zweifel wie diese veranlassen Sie zu einem schnellen U-Turn, nur um sicherzugehen, dass der Anblick kein Hirngespinst war. Zwischen verrosteten Zäunen war die unverwechselbare Heckhaube von Ferrucio Lamborghinis Kronjuwel zu sehen, und nun zeigt sich, dass das kein Traum war: Da stand tatsächlich ein Miura, bedeckt mit Staub, Schmutz und mitten zwischen verschiedenen anderen Auto-Ruinen. Was zur Frage führt: Wenn es dort einen Miura gibt, was für andere Schätze muss dieser Ort wohl noch verbergen?
Nun, viele! Doch bis jetzt wussten nur die engsten Vertrauten der Eigentümer, was sich hinter den Mauern von Rudi Kleins geheimnisvollem „Foreign Auto“-Schrottplatz befand. Und selbst diejenigen, die das Glück hatten, Genaueres zu wissen, waren zur Verschwiegenheit verpflichtet. Das wird sich am 26. Oktober dieses Jahres ändern, wenn das Auktionshaus RM Sotheby's unter dem Titel „The Junkyard" zu einer seiner wohl publicityträchtigsten Auktionen ever einlädt. Dann kommt Kleins außergewöhnlich-bizarre Sammlung seltener und exklusiver Automobile inklusive Ersatzteile und Memorabilia in einer mehrteiligen Versteigerungs-Serie unter den Hammer. Dieser Ort ist weit mehr als nur ein Schrottplatz oder eine Quelle für rostige, aber seltene Teile. Er gewährt einen Einblick in die Welt eines echten Sammlers und gibt den Bietern die Möglichkeit, bedeutende Modelle, die lange Zeit als verloren oder zerstört galten, sowie eine Fülle von Autoteilen und anderen Schätzen zu erwerben.
Rudi Klein war ein deutscher Einwanderer, der zunächst als Metzger in Kalifornien Karriere machte und dann 1967 seinen Schrottplatzbetrieb, bekannt als „Porsche Foreign Auto“, gründete. Doch neben Ersatzteilen für die Stuttgarter Modelle begann Klein nach und nach, Teile für weitere europäische Leckerbissen wie Mercedes-Benz, Ferrari, Lamborghini und andere anzuhäufen. Teile waren leicht weiterzuverkaufen, aber komplette Autos waren Kleins wahre Leidenschaft. So häufte er im Laufe von 40 Jahren im Stillen eine phantastische Kollektion europäischer Klassiker an, von denen wir einige im Folgenden näher vorstellen wollen. Viele waren innerhalb der südkalifornischen Autocommunity Gegenstand vieler Spekulationen und Gerüchte. Doch viele Geschichten, die in diesen kleinen Zirkeln über Klein kursierten, erwiesen sich als unwahr. Seine Autos blieben jahrelang unangetastet und vor der Öffentlichkeit verborgen, bis er 2001 leider verstarb und das Geschäft seinen beiden Söhnen hinterließ.
Aktuell hat RM Sotheby’s für den ersten Durchgang der Versteigerung über 200 Lots gelistet. Suchen Sie verzweifelt nach einem Ersatzlenkrad für Ihren Mercedes 300 SL Flügeltürer? Kein Problem, Klein hat gleich zwei auf Lager, um nur ein Beispiel zu nennen. Lassen wir für einen Moment die Autos und Karosserieersatzteile beiseite, so ist allein schon die Anzahl der zur Versteigerung ausgeschriebenen Motoren einfach atemberaubend. Sie reicht von einer Fülle an komplett montierten 911er-Motoren bis hin zu Maserati V8-Triebwerken – alle bereit, erneut zum Leben zu erwachen.
Wenn Sie auf verrostete, unfallbeschädigte und unbezahlbare Klassiker aus sind, dann war Klein Ihr Mann. Es bricht einem das Herz – und doch ist es auch wieder spannend –zu Würfeln zerquetschte Ferrari aus der goldenen Ära zu sehen. Oder den halben Aufbau eines Porsche 356, der friedlich auf kalifornischem Boden liegt. Jedes Auto hat eine Geschichte zu erzählen, und während einige nicht mehr zu reparieren sind und man für einen kompletten Neuaufbau nur noch ihre Fahrgestellnummer nutzen wird, gibt es einige, die unter einer gesunden Schicht aus Staub und Schmutz konserviert, überlebt haben. Darunter ein Auto, das RM Sotheby's als „das am stärksten verfolgte ‚Full Classic‘ Automobil des letzten halben Jahrhunderts“ bezeichnet. Und es ist leicht zu erkennen, warum. Denn das 1935 gebaute und an den legendären Mercedes-Benz Rennfahrer Rudolf Caracciola gelieferte 500 K ‚Caracciola‘ Special Coupé aus Sindelfingen ist wahrlich der heilige Gral aller Scheunenfunde. Trotz des gleichen Vornamens hätten die beiden Rudis nicht unterschiedlicher sein können. Caracciola nutzte das Auto mehrere Jahre lang, bevor er es verkaufte. Danach gelangte es in einige Sammlungen, ehe es in Kleins Besitz 44 Jahre lang, versteckt unter Stoffhüllen, als schlafende Schönheit dahinschlummerte. Zusammen mit anderen Preziosen untergestellt in dem in der Mitte des Schrottplatzes stehenden Schuppen mit Blechdach. Der Caracciola-500 K geht mit einem Schätzwert von 4 bis 6 Millionen Dollar an den Start, zusammen mit einer Fülle anderer Ikonen aus der Geschichte von Mercedes-Benz, die ebenfalls aufgerufen werden, werden wir diesen Fall genau beobachten!
Während es viele Lose gibt, die nur eine einfache Wartung und eine schnelle Auffrischung benötigen würden, hatten andere nicht so viel Glück. Kleins Platz war schließlich ein Schrottplatz, und selbst einige der seltensten Autos der Welt waren der Ungnade oder schlicht dem mangelnden Fahrkönnen ihrer Besitzer ausgeliefert. Zwischen einem Meer von Porsche-Karossen und teils bis zur Unkenntlichkeit entstellten Ferrari befinden sich drei Lamborghini Miura in unterschiedlichen Erhaltungszuständen. Egal, ob Sie sich für den gelben Miura Giallo mit einem Interieur in Bleu Fintapelle – das 53. Exemplar, das jemals Sant’Agata verlassen hat – oder für die ebenso stilvollen Exemplare in Blau oder Grün entscheiden: nach langwieriger Restaurierung, die bei allen dreien erforderlich ist, sind mehrere Concours-Siege und Auszeichnungen so gut wie garantiert.
Wie auch immer man zum Verfall solcher Ikonen des Automobilbaus stehen mag: Es steht außer Zweifel, wie wichtig es ist, eine Auktion wie diese ins Rampenlicht zu rücken. Nicht nur wegen der Seltenheit der Autos, sondern auch wegen der Geschichten, die sich hinter der Person Rudi Klein verbergen. Warum er sorgfältig auswählte, was er für sich selbst behalten wollte und was er für Ersatzteile ausschlachtete. Wir wissen, was Sie denken: Es ist ein Sakrileg, die Meisterwerke von Enzo und Ferrucio in Kalifornien verstauben zu sehen, aber andererseits bietet es nun einigen der renommiertesten Restaurierungsfirmen der Welt die Gelegenheit, ihr Können unter Beweis zu stellen und diese Schmuckstücke wieder auf die Straße zu bringen. Sie werden gut zu tun haben in nächster Zeit! Die Rudi Klein Collection ist weit mehr als nur ein durchschnittlicher Scheunenfund. Kleins Sammlung bringt wahre Glanzstücke der Automobilgeschichte zurück ans Licht – verloren geglaubt –und nun wiedergefunden. Was jeder, der einen Zuschlag erhält, dann mit seinem Neuerwerb macht, bleibt ihm selbst überlassen.