Die Marke Ferrari ist verknüpft mit Jahrzehnten geprägt von Ruhm und Erfolg, weswegen man manchmal die bescheidenen Anfänge übersieht, die während der späten 1940er und frühen 1950er zu diesem Siegeszug führten. Enzo Ferrari verfolgte kompromisslos sein Ziel, sowohl auf wie neben der Rennstrecke Meisterwerke zu schaffen, welche die Welt in Atem halten würden. Das ist ihm mit vielen einzigartig schönen Autos auch gelungen, doch nur wenige verkörpern diesen Geist des ambitionierten Mannes in Maranello wie der Ferrari 212. Wir hatten das Privileg, mehr über zwei wundervolle Exemplare zu erfahren, die dem renommierten Klassikersammler Peter Kalikow gehören: Unser Rémi Dargegen traf sich mit Peter und seinem Sohn Nicholas während der Monterey Car Week, um mit seiner Kamera unvergessliche Momente entlang des legendären 17-Mile Drive einzufangen.
Produziert zwischen 1950 und 1953, sollte der Ferrari 212 den Weg für künftige Renn- und Straßenwagen einschlagen – er wurde in Konfigurationen mit Namen Inter und Export angeboten. Das erstere Modell war die für Straßen ausgelegte Variante, das Export-Modell sollte im Motorsport seine Bestimmung haben. Trotz dieses Unterschieds war es für Export-Exemplare nicht ungewöhnlich, Coupé- oder Cabrio-Karosserien wie die sogenannten Straßen-Inter zu erhalten. Peters schmerzlich schönes Exemplar in burgunderrot ist ein Beispiel für ein 212 Export Cabrio. Während einige ihr Design von der Carrozzeria Touring erhielten, stammten die berühmtesten und formal erfolgreichsten von Vignale, der diesem Ferrari zeitlose Eleganz und eine große Portion Charme angedeihen ließ. Unter der Motorhaube des Ferrari 212 fand der V12 von Gioacchino Colombo Platz, der zugunsten eines größeren Hubraums aufgebohrt worden war, das Chassis hingegen wurde vom Ferrari 166 MM inspiriert, allerdings mit Modifizierungen, die eine höhere Leistung ermöglichten.
Der 212 Inter wurde beim Brüsseler Autosalon im Jahr 1951 enthüllt und hatte die anspruchsvolle Vorgabe, Ferraris erfolgreiche Grand Tourer 166 und 195 Inter zu ersetzen. Zum Glück für Maranello war der 212 ein Erfolg, dessen Philosophie es war, ein Sportwagen für die Straße zu sein, der sich aber auch international im Rennsport bewähren können würde. Peter Kalikow kostete erstmals von diesem Ferrari-Suchtmittel nur sechs Jahre nach dem Debüt des 212, als er das Auto bei der Automesse in New York im Jahr 1957 entdeckte. Was hatte ihn da betört? Ein 250 GT Cabriolet mit Pininfarina-Karosserie – fraglos eines der schönsten Autos, die je das Licht der Welt erblickten. Man kann verstehen, weshalb Peter der Marke mit dem Springenden Pferd verfiel.
Im Lauf der Zeit trug Peter eine bestechende Sammlung an Klassikern zusammen, darunter mehrere Ferrari. Aber sie alle waren von einem Thema umklammert, denn sie erhielten ausnahmslos ihre Formgebung, ihr Design von Pininfarina. Motiviert durch eine große Neugier auf die Schöpfungen anderer Designhäuser, spürte er, dass er „erst mal den Mut aufbringen musste, sie auch zu kaufen“. Es ist angenehm bei dem zu bleiben, was man schon lange verehrt - in jungen Jahren hatte Peter keinerlei Berührung mit Vignale oder Namen wie Touring oder Ghia, selbst als deren Schöpfungen noch neu auf dem Markt waren. Deswegen war die Entscheidung, seinen ersten, nicht von Pininfarina gezeichneten Ferrari zu kaufen, alles andere als einfach. „Ich hatte seit Jahren nach einem 212 Export Spyder gesucht, aber keiner war erhältlich. Das 212 Inter Coupé wurde im Jahr 2011 angeboten und danach der Export im Jahr 2013. Mir war klar, ich musste sie haben. Ich habe immer die Schönheit dieser Modelle bewundert und zugleich war es spannend, meiner Sammlung etwas Neues und für mich bislang Unbekanntes hinzuzufügen.“
Da gibt es natürlich eine Frage, die sich unweigerlich stellt: Während viele Autoliebhaber die Vorstellung mögen, ein Cabrio-Derivat für sonnige Ausfahrten als Pendant zur Coupé-Version zu besitzen, wie kommt es, dass Peter gleich zwei sein Eigen nennt? Seine Antwort war – wie wir uns erhofft hatten – direkt und humorvoll: „Es war eher ein Zufall, dass ich am Ende ein Paar Ferrari 212 besaß. Wenn Sie einen 212 kaufen, dann ist das wie mit den Erdnüssen – Sie können einfach nicht mehr aufhören! Das Export Cabriolet ist mein Favorit, weil es formal den sportlichsten Zuschnitt besitzt und weil ich natürlich am liebsten offen fahre. Außerdem ist es leichter als das Coupé. Es wurde ursprünglich an einen Mann in Portugal verkauft, der aber gerade im Begriff war, zu Portugals Botschafter in Frankreich berufen zu werden, deswegen auch der markante Buchstabe „F“ am Heck. Er kaufte das Auto damit sein Bruder Rennen fahren konnte, aber tragischerweise starb dieser Bruder kurz vor dem Rennen bei einem Autounfall. Das Auto wurde dann an Luigi Chinetti verkauft und im Herbst des Jahres 1951 in die Vereinigten Staaten verschifft. Der 212 startete im Jahr 1952 in Watkins Glen und fand dann seinen Weg in das Bill Spear und Cunningham-Rennteam. Sie brachten es auch 1954 oder 1955 zurück nach Frankreich. Danach kehrt es wieder in die USA zurück, durchlief einige Besitzer, ehe dieser Ferrari schließlich ein Teil meiner Sammlung wurde.“
Weil wir neugierig auf diese große Jaeger-Uhr direkt in der Mitte der Armaturentafel sind, springen wir kurz vom Cabrio zum Coupé. „Die Jaeger-Uhr befand sich schon im Auto“, erläutert Peter, „als ich es erstand, aber wir wollen weiter recherchieren, weshalb sie tatsächlich vorne und zentral platziert worden ist!“
Als wir den Car Park in Richtung der verlockenden Straße verlassen, bekommen wir eine erste Kostprobe dessen, wozu diese leistungsstarken, Mid-Century-Meisterwerke fähig sein. Wir gleiten geradezu auf dem glatten kalifornischen Asphalt, ein Kinderspiel für die seidig agierenden V12-Motoren. Nicholas gab uns rasch noch ein Briefing über die Anforderungen, einen Ferrari 212 komfortabel zu fahren: „Zunächst sollte jeder, der 1,80 Meter überragt, etwas Stretching oder Yoga absolvieren, um sich danach in das winzige Cockpit des Export einzupassen. Die Pedalerie bei beiden ist klein bemessen, also sind Fahrerschuhe mit dünner Besohlung ein Must. Beide Autos wurden von meinem Vater gut vorbereitet, restauriert wurden sie von David Carte, das Fine-Tuning stammt von Automotive Restaurations – es ist alles so funktionsfähig wie am Tag als sie Maranello verließen. Für ein Fahrzeug der 1950er Jahre mit Trommelbremsen ist das Bremsverhalten ausgezeichnet. Handling und Lenkung sind ebenfalls sehr gut.“
So weit, so gut, dachten wir. Fahrerschuhe tragen, ein wenig Dehnübungen vor dem Start und ein Bewusstsein für das Alter des Fahrzeugs sind nun keine außergewöhnlichen Regeln bei einem Klassiker. Aber dann erläuterte Nicholas die Tücken des Autos, um zu sehen, ob man auch würdig ist, diese Maschine zu bewegen. „Der Getriebekasten verlangt sehr, sehr viel Können und Geduld, die Gänge eins und zwei sind nicht synchronisiert, die Synchronisierung der Gänge drei und vier ist nicht besonders gut und bei Gang fünf ist dauernd ein Zahneingriff. Mein Vater – weil er dieser besondere Mann ist – schaltet sich durch die Gänge als handelte es sich um ein modernes Doppelkupplungsgetriebe. Flüssig und ohne Knirschen. Wenn ich sie fahre, machen die Autos Geräusche wie in einem Cartoon.“
Natürlich gibt es da einen wesentlichen Faktor, dem wir uns widmen müssen: der Motor. Glücklicherweise sind sich Peter und Nicholas einig, dass die Motoren in beiden Ferrari 212 spektakulär sind. Mühelos geschmeidig und dennoch leistungsstark, mit viel Drehmoment, das über das Drehzahlband zu Verfügung steht – und wie sie gerne drehen! Peter erklärt weiter, wie es ist, dieses Paar zu bewegen: „Sie zu fahren, fühlt sich wie eine Reise zurück in die 1950er an. Man muss beim Handling aufmerksam und vorsichtig bleiben, die Lenkung ist ein wenig schwerfällig. Wenn man die beiden 212 ausführt, muss man sie zunächst aufwärmen, inklusive Getriebe, die Drehzahl muss hoch bleiben.“
Ikonen der Autogeschichte wie beispielsweise diese Ferrari der goldenen Epoche zu sehen, ist immer ein unvergessliches Ereignis. Die Veranstaltungen rund um die Monterey Car Week bewirken leider, dass man bei soviel Pracht ein wenig unempfänglich wird für das Grummeln kostbarster italienischer Meisterwerke, aber eine entspannte Ausfahrt mit diesen beiden erinnerte uns hautnah an die frühen Jahre Ferraris und den unvergleichlichen Aufstieg. In zwei Ferrari 212 im Tandem entlang dem atemberaubenden 17-Mile Drive unterwegs zu sein, ist mehr als nur ein Moment für das persönliche Erinnerungskonto – diese Ausfahrt ermöglichte uns zu verstehen, weshalb Enzo Ferraris V12 diese Marke erst zu diesem Phänomen machten, was wir heute all kennen und bewundern. Allein für diese Einsicht verdanken wir Modellen wie dem Ferrari 212 mehr, als uns allen vielleicht immer bewusst ist.
Fotos von Rémi Dargegen for Classic Driver © 2024