Liebe auf den zweiten Blick
Einen würdigen Nachfolger für den wohl unaufgeregtesten Ferrari aller Zeiten, den 456 GT, zu gestalten, war sicherlich keine leichte Aufgabe. Obendrein sollte der neue viersitzige Reisewagen aus Maranello eine Hommage an Sergio Scaglietti sein, der einige der schönsten Ferrari aller Zeiten geschaffen hatte. Die Designer des 612 Scalietti hatten eigentlich alles richtig gemacht: Mit einer langen, dominanten Front und einer breiten Schulterpartie, wodurch ein geräumiges Green-House entstand, hatten sie die Formenlehre eines klassischen GT eingehalten. Das kurze Heck war schlicht, aber muskulös. Nur die Frontpartie mit ihren zarten, blattförmigen Scheinwerfern und dem freundlich lächelnden Kühlergrill erinnerte ein wenig an die Oberklasse von Lancia.
Der vielleicht letzte wahre Gentleman
Heute sieht man über diesen kleinen Makel gerne hinweg. Auch, weil unter dem Aluminiumkleid - der 612 ist 60 Kilo leichter als sein Vorgänger - alles andere als Zurückhaltung herrscht. Nicht nur, weil der Innenraum des 2+2-Sitzers nur so strotzt vor feinem Leder und Aluminium-Armaturen, sondern weil knapp hinter der Vorderachse ein echtes Powerpacket sitzt: Der 5,7-Liter-V12 war eine verbesserte und mit 540 PS leistungsstärkere Variante des 575-Maranello-Motors und beschleunigte den GT bis auf 315 km/h.
Ein Blick in die aktuelle Modellpalette aus Maranello, wozu auch der 612-Nachfolger Ferrari FF zählt, zeigt eine deutlich aggressivere Formensprache. Ein leiser Auftritt mit einem heutigen Ferrari – das klappt wohl nicht mehr! Da ist es doch gut zu wissen, dass der Gebrauchtwagenmarkt momentan noch viele gut erhalte Exemplare des vielleicht letzten vornehmen Ferrari bietet.
Fotos: Ferrari