„Eines möchte ich klar stellen“, sagt Jaguar-Markenchef Adrian Hallmark Anfang September bei einer geheimen Preview des neuen F-Type in London. „Wir ehren hier nicht die Asche der Toten. Uns geht es nicht um Sentimentalität. Und Sie sehen hier keinen neuen E-Type.“ Doch natürlich kann auch Hallmark die Journalisten nicht davon abhalten, Vergleiche zur größten aller Jaguar-Ikonen zu ziehen. Nach den rennsportlich erfolgreichen Typen C und D war der E-Type in den 1960er Jahren der lang ersehnte Publikumserfolg für die englische Marke. Der E war schnell, schön, sexy – und gilt noch heute als eines der aufregendsten Automobile aller Zeiten. Kein Wunder, dass die Fortsetzung mehr als 40 Jahre auf sich warten ließ. Der Respekt vor dem Original war einfach zu groß. Versuche gab es dennoch: Etwa den XJ41 Anfang der 1980er Jahre. Oder die elegante Konzeptstudie aus dem Jahr 2000, die erstmals den Namen F-Type trug, aber kaum realisierbar war und von Ford zugunsten eines neuen Dieselmotors verworfen wurde.
So war sowohl Adrian Hallmark, als auch Designchef Ian Callum klar: Dieses Mal musste es gelingen! Auch weil der Jaguar F-Type als Symbol für den erfolgreichen Ausbau und eine sportlichere Ausrichtung der Marke steht. Denn seit der Übernahme durch die indische Tata-Gruppe geht es für Jaguar bergauf – in den kommenden Jahren sollen zahlreiche neue Modelle und Motoren folgen. Rund 76 Millionen Automobile wurden vergangenes Jahr weltweit verkauft. Nicht einmal 0,1 Prozent davon waren Sportwagen. Für Jaguar geht es beim F-Type somit nicht um Masse, sondern um Markenbildung, Image und eine neue, jüngere Käuferschaft. Dabei zählt vor allem die richtige Positionierung: Oberhalb von BMW Z4 und Porsche Boxster, unterhalb von Aston Martin V8 und Porsche 911 soll der Jaguar F-Type stehen – und mit hoher Leistung und niedrigem Preis in beiden Segmenten wildern. Zahlen sind die eine Sache. Doch zuerst zählen bei einem Sportwagen die Emotionen. Und als erster Schlüsselreiz das Design.
Wer 2011 schon in die Studie C-X16 verliebt war, kann aufatmen: Der Jaguar F-Type Roadster ist dem Coupé-Concept bis auf die Dachgestaltung treu geblieben – und überzeugt auf den ersten, oft entscheidenden Blick. Das liegt einerseits daran, dass bei Jaguar immer erst die Serienmodelle entworfen werden, und dann die Studien – um überzogene Erwartungen und spätere Enttäuschungen zu vermeiden. Doch auch Chefgestalter Ian Callum scheint nach XF und XJ immer mehr seine Form zu finden. „In allererster Linie ging es uns um die perfekte Proportion. Darum, das Aluminium so gut wie möglich um die Technik zu wickeln.“ Hier ist das Designteam den klassischen Roadster-Idealen treu geblieben – mit langer Haube, weit zurück gesetztem Cockpit, sanft abfallendem Heck. Akzente werden mit zwei scharfen Feature Lines gesetzt. „Uns ist es wichtig“, erklärt Callum, „besondere charakteristische und dynamische Linien aus den ersten Handzeichnungen bis in die Serie zu erhalten. Diesen organischen Schwung kann man nicht am Computer generieren.“ Markant sind auch die versenkten Türgriffe und der ausfahrbare Spoiler.
Trotz der kompakten Optik ist der Jaguar F-Type kein kleiner Sportwagen. Mit 4,47 Metern ist er nur zwei Zentimeter kürzer als der neue Porsche 911, dafür aber etwas breiter und verfügt über einen längeren Radstand, was den Wagen wie zum Sprung bereit wirken lässt. Die Front zitiert den Kühlergrill von XF und XJ, neu sind die Scheinwerfer mit geschwungenem LED-Tagfahrlicht – laut Callum wird man die sogenannten „J-Lights“ in Zukunft auch bei anderen Jaguar-Modellen wiederfinden. Die schmalen Heckleuchten dagegen sind eines der wenigen direkten E-Type-Zitate. Das Cockpit ist angenehm schlicht ausgestattet und um den Fahrer herum arrangiert. Auch die Instrumente sind glücklicherweise wieder analog, während die Lüftungsschlitze der Klimaanlage nur bei Bedarf ausfahren. Weniger ist wieder mehr. Für den Passagier gibt es derweil einen separaten Haltegriff – der F-Type ist schließlich kein Boulevard-Cruiser, sondern ein echter Sportwagen. Dazu passt auch das Stoffverdeck in Z-Faltung, das bis 50 km/h in nur 12 Sekunden geöffnet und geschlossen werden kann.
Und was steckt nun unter der Haube? Zum Start kommt der Jaguar F-Type mit zwei Drei-Liter-Sechszylinder-Motoren und einem Fünfliter-Achtzylinder, allesamt Kompressormaschinen. Im Einstiegs-V6 mit 340 PS beschleunigt man in 5,3 Sekunden bis 100 km/h und weiter bis Tempo 250. Im 380 PS starken V6 des F-Type S dauert der Standard-Sprint nur noch 4,9 Sekunden, die Grenze ist bei 275 km/h gesetzt. Mit Supersport-Werten beeindruckt schließlich der F-Type V8 S: 495 PS, 4,3 Sekunden bis Tempo 100 und 300 km/h Vmax sind eine direkte Kampfansage and Porsche, Aston Martin und Co. Und der heiser röhrende Sound des V8 dürfte selbst in Maranello für Aufregung sorgen. Geschaltet wird über ein Achtgang-Quickshift-Automatikgetriebe mit zentralem Wählhebel und Lenkrad-Paddels – eine klassische Handschalter-Version wird derzeit noch diskutiert.
Wie sich der Jaguar F-Type tatsächlich fährt, werden wir hoffentlich in einigen Wochen beantworten können. Das Technologie-Paket klingt schon jetzt vielversprechend: Beim V6 S sorgt ein Sperrdifferential, beim V8 S ein aktives elektronisches Differenzial für maximale Traktion. Zudem bieten die S-Modelle ein Bespoke-Dynamikprogramm, mit dem der Fahrer Gas, Getriebe, Motor, Aufhängung und Lenkung frei konfigurieren kann. Dank seiner Aluminium-Architektur ist der F-Type zudem leicht und steif – im Vergleich zum aktuellen Jaguar XKR-S soll er agiler und kontrollierbarer sein. Als Gimmicks gibt es zudem eine Stoppuhr, ein G-Meter und eine Sound-Taste für noch aggressiveren Motorklang. Eine Kampfansage sind auch die Preise: In Deutschland ist der „kleine“ F-Type ab 73.400 Euro zu haben, der V6 S kostet mindestens 84.900 Euro und das V8-Topmodell bekommt man ab 99.900 Euro. Und welches Modell würden wir empfehlen? Designchef Ian Callum hat alle drei Motoren ausprobiert und verrät uns: „Der V8 ist natürlich gewaltig, aber ich mag vor allem den V6 S – der Sechszylinder-Sound ist wirklich besonders.“ Das glauben wir gern – und bleiben gespannt.
Fotos: Jaguar