Es ist ein ruhiger Sonntagmorgen in Morbio Superiore, einem kleinen Dorf im Schweizer Kanton Tessin. Tusco Cavalli, Gründer und Besitzer von Officine Fioravanti – jene Firma, die vor einigen Jahren mit ihrem Ferrari Testarossa Restomod über Nacht zu einer Internet-Sensation wurde – führt uns im Haus seines Vaters herum. Entworfen von Peppo Brivio und zwischen 1962 und 1963 erbaut, gehörte die Casa Corinna zu einem der ersten Privatbauten der Schweiz im Brutalismus-Stil und zu einem der ersten Häuser im Land mit Flachdach. Ein Triumph des Designs aus ineinandergreifenden Kuben, in denen warme Ziegel- und Holzoberflächen auf kalten Beton und Stahl treffen. Es ist ein minimalistischer, luftiger Bau voller Licht und durchdachter Details. Das Haus verfügt über riesige Fenster mit Blick auf das darunter liegende Tal, einen Innenhof, der Ruhe und Schatten bietet, und – was am wichtigsten ist – einen Carport für zwei Autos, in dem die beiden Modelle geparkt sind, mit denen wir heute ausfahren werden.
Während er Kaffee kocht, weist Tusco auf die verschiedenen Design- und Kunstwerke hin, die überall im Gebäude zu finden sind. Denn sein Vater ist ein begeisterter Sammler. Er erklärt fachkundig die Ideen hinter den Absichten der Designer und Künstler, während Giorgio Richetti, seine rechte Hand, die er seit der Highschool kennt, die Umzugshelfer und Reinigungskräfte anleitet, die alle Spuren einer dekadenten Party beseitigen, die offenbar gestern Abend im Haus stattfand.
„Wir hatten feuerspeiende Akrobatinnen in Federkleidern“, sagt Tusco mit charmantem Grinsen. Wir nehmen uns die Kaffees und er zeigt mir das Gelände. Überrascht entdecke ich ein großes, 3 x 3 Meter großes Loch im Rasen. „Normalerweise steht da ein Whirlpool drin“, erklärt unser Gastgeber. „Aber wenn wir eine Party veranstalten, kommt ein Hubschrauber und schafft ihn fort, damit wir das Loch als Bar nutzen können.“ Für einen Mann, der bis zum Morgengrauen gefeiert hat, sieht Tusco frisch wie ein Gänseblümchen aus. Oder vielleicht liegt es daran, dass er erst 25 Jahre alt ist.
All dies sowie die Tatsache, dass dieser außergewöhnliche junge Mann bereits im Alter von 15 Jahren zusammen mit unseren Freunden von Kessel Racing Ferraris in der GT3-Klasse zu fahren begann, ist für diese Geschichte wichtig. Der in der Auffahrt geparkte Ferrari 512 BB gehörte der Familie von Anfang an – in diesem Wagen lernte Tusco, ein Auto mit Handschaltung zu fahren. Haben ihn alle auf der Highschool und an der Universität gehasst? „Auf jeden Fall“, sagt er. „Zum Teil, weil ich der einzige Kerl mit einem Parkplatz an der Schule war“ – einer katholischen Einrichtung, die neben Tusco auch Giorgio besuchte – „aber vor allem, weil ich mit den Professoren statt mit Gleichaltrigen gefeiert habe.“
Die Geschichte von Autos und Marken ist die Geschichte der Menschen, die hinter ihnen stehen. Wenn man versteht, woher sie kommen und wer sie sind, ist es viel einfacher, die Vision hinter ihren Produkten zu entschlüsseln. In diesem Fall trifft diese Theorie voll zu. Tusco ist ein exzentrischer, gebildeter, 25-jähriger Rennfahrer, der sich für Kunst und Technik begeistert. Er ist leicht dekadent, aber mit perfektem Geschmack. Er scheint mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden zu sein, ist aber auch irgendwie bodenständig, pragmatisch, zugänglich und freundlich. Überträgt man diese Eigenschaften auf Autos, landet man beim Umbau des Alfa Romeo 8C und dem Upgrade des Ferrari 512 BB – wie ich gleich erleben werde.
„Ich habe den 8C gekauft, weil ich sein Aussehen und seinen Sound liebe, aber habe mich zunächst nicht groß darum gekümmert, wie er sich fahren ließ“, sagt Tusco. „Das Problem ist das serienmäßige, robotergesteuerte Schaltgetriebe, es ist langsam und ruckelig und kastriert – um die Kupplung zu schonen – den Motor“, erklärt er. „Als ich einmal auf dem Heimweg von der Rennstrecke war und über eine Bergstraße fuhr, hat mich irgendwann ein Audi RS3 überholt. ‚Das lasse ich mir nicht bieten‘, sagte ich mir und griff nach einem der Schaltwippen, um herunterzuschalten. Ich drückte auf die Tube, um ihm zu folgen, aber nach den nächsten drei oder vier Kurven war er einfach verschwunden. Nach diesem Schlüsselmoment fasste ich den Entschluss, meinen 8C aufzurüsten, damit er sein volles Potenzial entfalten kann.“
Gesagt, getan – und mit vollem Elan machte sich Tusco an die Arbeit. Das Automatik-Getriebe wich einem Handschalter mit wunderschöner, offener Schaltkulisse, speziell angefertigter Konsole und einem offenporigen Holzknauf mit einer 18-karätigen Goldmünze und darin eingeprägtem Logo der Officine Fioravanti. Im Rahmen einer Gewichtsdiät verlor der 8C überflüssige Kilo, es wurden integrierte Fahrzeugmanagement-Elektronik mit neuen Systemen eingebaut, ebenso ein elektronisch gesteuertes, einstellbares Öhlins-Fahrwerk mit militärtauglichen Anschlüssen und eine Carbon-Keramik-Bremsanlage. Im Innenraum wichen die alten Sitze von OF designten Kohlefaser-Monocoque-Schalen mit FIA-Zulassung, entwickelt zusammen mit Laboratori Meccanica Torino (LMT). Dadurch verbesserten sich nicht nur der Sitzkomfort und die Fahrposition, sondern es war nun auch möglich, den Wagen auf der Rennstrecke mit der als Option erhältlichen und herausnehmbaren magnetischen Kopfstütze zu fahren und dabei bequem einen Helm zu tragen. Und das alles, ohne die Ästhetik zu vergessen – im Gegenteil wurden die Lederpartien mit Straußenleder neu gepolstert.
Die wahren Effekte dieser subtilen Veränderungen werden erst bei näherer Betrachtung sichtbar. Der Wagen steht auf Pirelli P Zero Trofeo RS-Reifen, aufgezogen auf maßgefertigten Officine Fioravanti-Schmiederädern mit fünf Speichen. Auf dem Kofferraumdeckel ist hinter dem Schriftzug (8 C Competizione) als Hinweis auf das manuelle Getriebe eine kleine rote „m“-Plakette angebracht. Die Kupplungs- und Bremspedale sind kleinere Nachbildungen der Pedale des serienmäßigen 8C, mit dem dezenten Zusatz von weiteren OF-Logos. Das hochgelegte Schaltgetriebe mit freiliegendem Schalthebel hat eine schöne kleine Klinke, die ein versehentliches Schalten in den Rückwärtsgang verhindert.
Auf der Straße und in den Händen von Tusco verwandelt sich der 8C in ein absolutes Biest. Mit der verzögerungsfreien Gasannahme eines reinrassigen Rennwagens, massig Leistung und Drehmoment und dank der verbesserten Fahrwerksdynamik und den fetten Semi-Slick-Reifen mit einer fantastischen Straßenlage Der Preis für den Umbau ist nicht bekannt, aber um ehrlich zu sein: Wäre ich ein Alfa 8C-Besitzer, würde ich Tusco noch heute anrufen, denn dieser enttäuschende Bummelwagen kann jetzt endlich zeigen, was er drauf hat: nämlich in Kurven ordentliche G-Kräfte aufbauen und jedem Fahrer ein breites Lächeln ins Gesicht zaubern.
Nun wechseln wir in das Familienerbstück, den herrlich patinierten Ferrari 512BB. Es ist fast unmöglich auf Anhieb zu erkennen, was an diesem Auto verändert wurde, aber die Ergebnisse sind noch tiefgreifender als beim 8C. Anstelle der serienmäßigen Vergaser, die die Leistung des 12-Zylinder-Motors limitierten, wurde ein ausgetüfteltes Einspritzsystem entworfen und eingebaut. Aus einem einzigen massiven Aluminiumblock gefräst, ist es als Vergaser getarnt (!), stellt aber (dank eines modernen elektrischen Systems und eines versteckten Computergehirns) ein präziser bemessenes und freier fließendes Kraftstoff-Luft-Gemisch bereit. Was wiederum das Auto zuverlässiger und besser fahrbar macht.
Der BB springt sofort an, riecht nicht nach altem Auto (was ihn als Daily Driver brauchbarer macht, da man nicht wie ein Tankstellenangestellter müffelt, wenn man zu einem Meeting kommt) und schöpft – und das ist wahrscheinlich der größte Partytrick – aus einem unglaublichen Drehmoment. Selbst im dritten und vierten Gang kommen wir schon ab 1000 U/min mühelos den Hügel hinauf. Auch das Anfahren aus dem Stand im zweiten Gang klappt problemlos, ohne dass wir die Kupplung durch zu viel Gas ankokeln. Und wenn wir ordentlich Gas geben, wird noch mehr Leistung entfesselt als im originalen 512er. Ja, und um von Meereshöhe auf eine Passhöhe in den Alpen zu kommen, muss man die Vergaser nicht länger von einem erfahrenen Mechaniker einstellen lassen.
„Ich bin mir sicher, dass Puristen uns hassen werden, aber ich denke, dass für meine Generation Upgrades wie diese notwendig sind, um diese Autos auf der Straße zu halten“, sagt Tusco, während er mit festem Fuß auf dem Gas durch mehrere aufeinander folgende Kurven düst. Es ist schwer, ihm nicht zuzustimmen.
Bei einem frühen Lunch an den Ufern des Luganer Sees möchte ich noch wissen, wie hoch der Preis für diese Umbauten ist. „Im Moment haben wir noch keine endgültige Preisliste, da wir uns auf den Umzug in neue Räumlichkeiten in Turin konzentrieren“, sagt Tusco. „Aber sicher ist, dass mich die umfangreichen Tests, die ich in der Gegend durchgeführt habe, teuer zu stehen gekommen sind. Ich bin von einer Radarfalle erwischt worden und muss vielleicht sogar für eine kurze Zeit ins Gefängnis. Echt ärgerlich, denn ich bekomme bald ein Kind“, fügt er mit einem Grinsen im Stil von Robin Hood, dem Prinzen der Diebe, hinzu. Was für ein Kerl! – denke ich für mich…
Fotos: Błażej Żuławski für Classic Driver