Es ist eine Spielart des Motorsports, die wirklich einzigartig ist. Es gehört schon was dazu, mit Volldampf über schmale, mit Schotter übersäte Sträßchen zu rasen, während nur die Augen, der Mut und der Beifahrer den Akteur am Steuer leiten. Seit den Anfängen des Automobils gibt es den ständigen Wunsch, sowohl Fahrer wie Maschine bis zum Äußersten zu fordern. Und der internationale Rallyesport, ab 1973 auf WM-Ebene, wurde zum idealen Schaufenster für beides.
Denken Sie an den Rallyesport in jedem Jahrzehnt ab den Sechzigern, und es gibt wahrscheinlich ein oder zwei Autos, die über allen anderen stehen. Nicht nur wegen ihrer Geschwindigkeit oder Wendigkeit, sondern auch wegen der Legenden, die sich um ihre Entwicklung ranken, und der Erfolge, die sie auf der Rallyebühne errungen haben.
Für den 2010 verstorbenen Luigi „Gino“ Macaluso war es der Fiat 124 Sport Spider, in dem er als Beifahrer von Raffaele „Lele“ Pinto (gestorben 2020) die Rallye-Europameisterschaft und den Mitropa-Cup von 1972 gewann. Es war dieses Fahrzeug, dass seinen Sohn dazu veranlasste, diese beeindruckende Ausstellung von Rallye-Meisterwerken zu kuratieren. Obwohl er dem Rallyesport abrupt den Rücken kehrte, um sich als CEO der Sowind Group auf das Uhrenvertriebsgeschäft zu konzentrieren, blieb Gino ein Autoliebhaber. Wie es sein Sohn Stefano Macaluso (47) beschreibt, „hielt er Autos für das Ergebnis des Genies von Designern und Ingenieuren. Michelangelo schuf in der Renaissance Kunstwerke und Skulpturen, aber mein Vater schätzte Alec Issigonis und Giorgetto Giugiaro ebenso sehr.“
Eine zehnjährige Suche nach möglichst vielen der seltenen und aufregenden Autos, von denen Gino als Kind geträumt oder mit denen er sogar selbst an Wettbewerben teilgenommen hatte, führte zu einer Autosammlung mit einigen der ruhmreichsten Rallye-Autos der Geschichte. Die Fondazione Gino Macaluso Per L'Auto Storica will nun neuen und alten Fans diese besonderen Autos näherbringen, und zwar mit der neuen Ausstellung „The Golden Age of Rally“ im Museo Nazionale Dell'Automobile in Turin.
1966 BMC Mini Cooper S
Stefano liegt diese atemberaubende Auswahl an Rallye-Maschinen natürlich sehr am Herzen, und deshalb ist die Wahl seiner Favoriten so, als würde man die Eltern bitten, ihr Lieblingskind zu wählen. Seine Auswahl beginnt mit dem vielleicht mutigsten Modell von allen, einem BMC Mini Cooper S von 1966. „Das geniale Auto, das der Welt gezeigt hat, dass man auch mit einem kleinen Auto die Rallye Monte-Carlo gewinnen und damit die Legende des Rallyesports begründen kann.“ Für viele verkörpert dieses Auto das, was den Rallyesport so spannend macht: seriennahe Modelle, die bei jeder Gelegenheit bis an ihre Grenzen getrieben werden. Stefano fährt fort: „Sein Fahrer, Timo Mäkinen, gewann 1967 die 1000-Seen-Rallye, indem er fast blind über finnische Sprungkuppen flog, weil die Motorhaube wegen einer gebrochenen Halterung weit offen stand!“
1974 Fiat X1/9 Abarth Prototipo
Als Nächstes schlendern wir zu einem Exponat, das zumindest wir noch nie zuvor gesehen haben, und Stefano erklärt, dass es dafür einen guten Grund gibt. „Dieser Fiat X1/9 Abarth Prototipo von 1974 war das vielversprechendste italienische Rennauto der 70er-Jahre und das unvollendete Projekt meines Vaters Gino Macaluso.“ Es war im übrigen das letzte Auto, in dem er als Beifahrer aktiv war, 1974 bei der zweiten Auflage des Giro d’Italia und an der Seite des damaligen Ferrari-Formel-1-Piloten Clay Regazzoni! Dieses Modell war für Gino der Startschuss zu seiner Sammlung ehemaliger Werks-Rallyewagen.
1984 Lancia O37
Was folgt, ist ein Trio der besten Lancia-Fahrzeuge, alle in der Livery des ikonischen Sponsors Martini. Wir beginnen mit einem 037 aus dem Jahr 1984, einem Auto, das Stil und Antagonismus gleichermaßen verkörpert, wie Stefano erklärt: „Mein Lieblingsauto zum Fahren. Es verkörpert die Synthese zwischen reinem italienischen Design und der Aggressivität der erfolgreichsten Rallyefahrzeuge. Es war auch das letzte Auto mit Hinterradantrieb, das die Rallye-Weltmeisterschaft gewonnen hat. Der letzte Erbe einer Genealogie, die mit den Gründertagen des Automobils beginnt.
1992 Lancia Delta HF Integrale Safari
Die beiden absoluten Highlights hat Stefano vielleicht bewusst bis zum Schluss aufgehoben: zwei Lancia Delta, die zwei dramatische Momente in der Geschichte des Rallyesports symbolisieren. Der erste ist ein hoch gelegter zu allem bereiter HF Integrale in der Safari-Spezifikation von 1992, auf Platz 2 gesteuert von den Finnen Kankkunen/Piironen. Die Safari-Rallye gilt bis heute als eines der härtesten Rallye-Events überhaupt und Stefano weiß, warum sie für viele die ultimative Trophäe war, die es zu gewinnen galt. „Sie ist ein Destillat aller Reize des Sports: Abenteuer, Risiko und Performance. Dieser Delta ist das Ergebnis von Lancias jahrelanger Erfahrung bei afrikanischen Rallyes. Außerdem ist er nur ein einziges Rennen gefahren und befindet sich in einem einzigartigen Erhaltungszustand, er hat sogar noch die originale Machete an Bord!“
1986 Lancia Delta S4
Schließlich beenden wir unsere Tour mit dem verrücktesten von allen, dem Delta S4, der 1986 in der Gruppe B der Rallye-Weltmeisterschaft antrat. Analog zur Safari-Rallye bot auch die Gruppe B einen Cocktail aus Gefahr, Performance, Durchhaltevermögen und Geschwindigkeit. Der sie einerseits extrem fesselnd machte, aber bekanntermaßen auch ihr abruptes und tragisches Ende mündete. Stefano bestätigt, dass jeder, der diese unwiederbringliche Ära der Rallye-WM miterlebt hat, seine Erfahrungen wahrscheinlich nie vergessen wird.
Ehrlich gesagt tut es uns leid, Stefano auf fünf seiner Favoriten festgenagelt zu haben. Denn auch weitere Exponate, wie ein Safari-Lancia Fulvia, ein Porsche 911 von 1970, ein Lancia Stratos HF, eine Alpine-Renault A110, ein Audi Quattro oder ein Renault 5 Turbo, die unter den insgesamt 19 ausgestellten Fahrzeugen sind, gehören, könnten eine Fülle von Geschichten erzählen und Erinnerungen an die Familie Macaluso wecken. Ähnlich wie Gino die jüngere Generation dazu inspirieren wollte, die Kunst und die Wissenschaft hinter hochwertigen Schweizer Armbanduhren zu entdecken, verfolgen Stefano und seine Familie mit der Fondazione das gleiche Ethos. Diese Ausstellung gibt den Besuchern die Möglichkeit, in diese große Zeit des Rallyesports einzutauchen. „The Golden Age of Rally” hat am 27. Oktober im Museo Nazionale Dell'Automobile in Turin eröffnet und geht noch bis zum 2. Mai 2023.
Photos by Remi Dargegen & via MAUTO