„Ist er‘s? Oder ist er´s nicht. Er ist es – nicht!“ Man muss schon mehr als zweimal hinsehen, um den Evanta Aston Martin DB4 GT Zagato Evocation als Kopie zu entlarven. „Die Proportionen, die Spur, die Details, der Motorklang – hier stimmt was nicht“, mögen auch eher unbedarfte Aston-Anhänger beim ersten Anblick des Evocation denken. Andererseits: „Ein DB4 GT Zagato, das wäre doch zu schön“ – jeder Autoliebhaber wünscht sich schließlich, einer derart raren Ikone gewahr zu werden. Zudem gilt der DB4 GT Zagato neben einem Ferrari 250 SWB zu den schönsten Sportwagen der Zeitgeschichte. Doch spätestens der Blick in den Innenraum entlarvt das Plagiat.
Oder ist es vielleicht doch ein originaler Aston Martin? Nun, die Basis für diesen Neuaufbau liefert ein spätes DB7-Modell, welches zwischen 1994 und 2003 von der britischen Traditionsmarke ganz regulär gefertigt wurde. Nur: Was dann passiert, ist unorthodox. Der eher unscheinbare und bei Kennern verschmähte Aston wird zerlegt und mit einem monetären Einsatz von etwa 150.000 Euro von der Evanta Motor Company in eine „Ikone“ verwandelt. Doch der Schock kommt noch: Mit einer Karosserie aus Kevlar statt dünner Aluhaut. Und Fahrzeugtechnik aus den 1990er Jahren. Mit ABS, Airbag, V12-Motor und 6-Gang Tiptronic-Getriebe. Mit DB7-Instrumenten, aber DB4-Armaturenbrett. Mit moderner Klimaanlage, jedoch mit ausgesprochen traditioneller Sitzanlage. Sorry, aber darf man das?
Echte Puristen haben sich mit einer Anwandlung eines Gefühls, das mit Ekel treffend beschrieben sein dürfte, längst entrüstet abgewandt. Und Kit-Car-Freunde stehen hellauf begeistert unter Starkstrom. Doch deren Argument, dass eine Plastikkarosse nicht rostet, wollen wir nicht ernsthaft diskutieren. Nähern wir uns dem Fall also mit akademischer Systematik. Juristisch ist es wenigstens problematisch, mit den Markenbegriffen und Typbezeichnungen derart sorglos zu hantieren und dann noch munter die originalen Badges auf die Kunststoffkarosse zu schrauben. Einschlägige aktuelle Beispiele von Mercedes-Benz und Ferrari lehren uns doch, dass die Hersteller bei solchen Fällen kein Pardon mehr kennen. Gerade bei den Italienern gilt die Devise „Gnade vor Recht“ schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Hier wird mit härtestem juristischem Geschütz auf Markenpiraten geschossen. Und auch Mercedes hat für offenkundige 300-SL-Flügeltürer-Plagiate nur ein Urteil über: Ab in die Schrottpresse.
So also die herrschende Meinung. Doch wie ist es bei diesem „Aston Martin“? Der Namenszusatz „Evocation“ mag doch gerade als Relativierung der voran gestellten Marken- und Typbezeichnung gedacht sein. So die Gegenargumentation, die man bereits aus dem Lager der Mindermeinung vernehme. Was also ist richtig und was rechtens? Solange der Inhaber der Marke, also Aston Martin selbst, nichts dagegen unternimmt, bleibt die Frage in diesem Fall ungeklärt.
Unter historischen Gesichtspunkten kann man ein solches Automobil wohl nur ablehnen. Denn mit dem Begriff der Authentizität kommt man noch nicht einmal bis zur A-Säule. Stopp mal, nicht ganz so schnell: Andererseits waren auch frühe Aston Martin immer Fahrzeuge, die „on the run“ weiterentwickelt und geändert wurden. Schon, aber Evanta ist nicht Aston Martin – das ist ein entscheidender Unterschied. Also anders gefragt: Tut ein solches Auto dem Original gut? Oder ist es vielmehr dessen Seltenheit, welche man bewahren sollte? Es gibt mittlerweile mehr vermeintliche Jaguar C-Types, Ford GT 40, Blower Bentley und Kompressor-Mercedes als jemals gebaut wurden. Wir meinen: Inflation schadet dem Mythos. Nicht nur das: Es schadet auch wirtschaftlich, wenn ein Plagiat vorgibt, das Original zu sein. Auf diese Aston-Kopie wird hoffentlich keiner hereinfallen, denn Evanta ist immerhin so klug, uns hier kein Original weismachen zu wollen. Dennoch belastet das Fahrzeug die gesamte Oldtimerei, weil es für Laien bereits nicht mehr nachvollziehbar ist. Eine Diskussion unter ästhetischen Gesichtspunkten mag ich gar nicht erst eröffnen. Schon der vage Versuch muss scheitern, ein Original auf einem Chassis mit anderem Radstand nachzubauen.
Ist es also letztlich Zufall, dass der Evanta vor einem riesigen Schrotthaufen in Szene gesetzt wurde? Unser abschließendes Urteil ist eindeutig. Das Auto ist ein Weckruf. Aber anders als gedacht: So faszinierend frech einzelne Details auch sein mögen. Mit dieser offenkundigen Typbezeichnung geht es nicht. Was meinen Sie?
Fotos: Richard Pardon