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Beim Road Trip nach Le Mans in einem 911 Sport Classic holen wir unseren inneren Steve McQueen hervor

Wie kommt man zur Le Mans Classic im Jahr des 100. Jubiläums des legendären Rennens? Man könnte nach Paris fliegen und dann den Zug nehmen oder man macht es so, wie es sich gehört. Folgen Sie uns auf einen Road Trip in einem limitierten Porsche 911 auf den Spuren der großartigen sportlichen Heritage

Ein Donnerstag in Zürich, 10 Uhr vormittags. Wir sitzen wieder im 911 Sport Classic. Es ist genau dasselbe Auto, das uns bereits zweimal in diesem Jahr Vergnügen bereitet hat. Das erste Mal war im Februar während eines Winter Driving-Events von Porsche in Samedan, wo er sich bei Drifts auf der Engadiner Eisbahn als großartiger Gefährte erwies. Das zweite Mal war erst kürzlich vor zwei Wochen beim Porsche Festival Mollis, wo Porsche Schweiz eine riesige Geburtstagsparty zur Feier von 75 Jahren Porsche und 60 Jahren 911 feierte.

Bei beiden Gelegenheiten konnten wir nur kurz hinters Steuer dieser auf nur 1.250 Stück limitierten Edition. Jetzt bietet sich auf den über 1.600 Kilometern nach Le Mans und zurück die Chance, unsere Beziehung zu vertiefen. Wir planen auf der Route zwei Haltepunkte. Der erste Stopp? Der Hauptsitz von TAG Heuer mit Werk und Museum in La Chaux-de-Fonds.

Auf dem Weg dorthin verschlingt der Sport Classic mühelos die Kilometer und mit Blick auf die Geschwindigkeitsbeschränkungen – bekanntlich sind Schweizer Bußgelder empfindlich hoch – fahren wir nach knapp zwei Stunden beim Eingang vor. Erstes Fazit: Dieses Auto ist erstaunlich komfortabel. Wenn man nicht den Sportauspuffknopf drückt und dafür den Fahrmodus „Normal“ aktiviert, dann ist dieser 911 ruhig, innen großzügig dimensioniert und stellt sich Straßenunebenheiten mit nonchalanter Würde. Diese Fahrt wird ein Leichtes.

In entspannter Vorfreude auf weitere Reiseeindrücke betreten wir das Gebäude, um unter der kundigen Führung von TAG Heuer Heritage Director Nicholas Biebuyck eine Tour des Museums und des Archivs zu bekommen. Wir sind überwältigt von der reichhaltigen, mit dem Motorsport eng verknüpften Historie der Uhrenmarke. Natürlich wussten wir von dem legendären Rang als offizieller Zeitnehmer von Rennen, Rallyes und als Partner von Teams, darunter Porsche, McLaren und Ferrari. Aber wenn man einmal den Umfang des Engagements von Jack Heuer und der von ihm gegründeten Marke studiert – die inzwischen zum LVMH-Konzern unter CEO Frédéric Arnault gehört – und selbst die Zeitmesser sowie anderes Zeitnahme-Equipment mit eigenen Augen erlebt, dann ist der Gesamteindruck schlichtweg atemberaubend.

Hier liegt Derek Bells Heuer Autavia aus und jene, die Jo Siffert trug. Möchten Sie gerne einen Blick auf Ronnie Petersons vergoldete Carrera werfen, die eine gravierte Widmung von Jack Heuer höchstpersönlich besitzt? Im nächsten Schaukasten prangt die persönliche Uhr von Jean Campich – der offizielle Zeitnehmer der Scuderia Ferrari, den man „The Pianist“ nannte, weil er gleichzeitig virtuos mehrere „Centigraph“ bediente während der 24 Stunden von Le Mans zwischen 1971 und 1979. Und dann stehen wir ehrfürchtig vor dem Heiligen Gral: Steve McQueens Monaco, eine der Modelle, die er während der Dreharbeiten zu diesem von uns allen verehrten Motorsportfilm mit Kultstatus am Handgelenk hatte.

Aber wo sind denn die anderen Uhren, die der „King of Cool“ trug? Keine Sorge. Nicholas führt uns durch eine Seitentür ins Archiv, wo mehr als 3.000 andere Uhren aufbewahrt werden und beginnt, Schubladen zu öffnen. In einer von ihnen liegt eine andere McQueen-Monaco mit den Originalpapieren auf denen „Nach Le Mans 1970 geliefert“ steht.

Sie liegt in einem Schrank zusammen mit einem der Rennanzüge, die Steve während der Dreharbeiten trug. Nachdem er von Jo Siffert und Derek Bell ins Fahren des 917 eingewiesen worden war, bat er die Kostümabteilung um eine Montur, die seine Filmfigur Michael Delaney wie ein „real racing driver“ aussehen lassen würde. Übrigens: Die Firma Hinchman besitzt noch das Telegramm mit McQueens Maßen, Sie könnten also eine exakte Replik dieses Anzugs für sich selbst bestellten. Zum Beweis holt Nicholas noch einen aus einem anderen Schrank. 

Um alle die anderen Chronographen zu würdigen, die wir bei unserem Besuch gesehen haben, müssten wir ein Buch schreiben! Manche wie die sehr frühe Handaufzug-Autavia besitzen heute einen Wert von rund 150.000 Euro, andere sind nicht mit Geld aufzuwiegen wie die Uhr, die Jochen Rindt trug bei seinem Crash in den Hafen von Monaco oder jene von James Garner aus John Frankenheimers Rennepos „Grand Prix“.

Inspiriert von dieser faszinierenden Heritage haben wir uns unseren ganz eigenen zeitmessenden Partner für diese Tour abgeholt. Die fantastische 39 mm-TAG Heuer Carrera Chronograph „Glassbox“ aus Edelstahl mit blauem Zifferblatt, die exakt selbe Uhr, die Hollywoodstar Ryan Gosling in der jüngsten Werbekampagne des Unternehmens getragen hat. Mit dem gewölbten Saphirglas und dem Automatikwerk mit Kaliber TH20-00 ist sie perfekt für meine schmalen Handgelenke und eine Uhr, die zudem perfekt zum 911 Sport Classic passt und zu einem geradezu maßgeschneiderten Besuch der Le Mans Classic.

Es bleibt noch Zeit, andere Bereiche des Werks zu besuchen. Die Abteilung für Prototypen, wo Gehäuse und Gliederbänder entworfen werden, die dann via 3D gedruckt werden, um ihre Design- und Praxis-Meriten zu testen. Dann folgt die Montage, wo Männer und Frauen in Laborkitteln diese Zeitmesser in einer sterilen Umgebung zusammenbauen sowie der Versuchsraum, in dem die Uhren in Wasserdruckbehälter platziert werden, um auf Undichtigkeit zu prüfen, anschließend werden die Uhren auf 45 Grad erhitzt. Sollte Kondensation sichtbar werden, dann ist das ein Zeichen für einen Fehler in der Uhr. Wir besuchen auch noch die Trainings- und Aftersales-Abteilungen – hier werden alle Arten von Kundenexemplaren repariert. Wir haben übrigens einen dieser coolen Laborkittel mit TAG Heuer-Logo gekapert, rasen zu unserem 911 und fahren los in Richtung der Grenze zu Frankreich!

Nach einer Übernachtung in einem Château in Burgund, wo wir zum Dinner ausgezeichnete Chablis und Meursault genießen, freuen wir uns auf eine vierstündige Spritzfahrt nach Le Mans über gepflegte französische Autobahnen. Der Sport Classic ist innen so großzügig wie eine Limousine und verhält sich wie ein perfekter Begleiter. Locker lässt sich in ihm unser ganzes Gepäck verstauen: Zwei Weekender, zwei Laptoptaschen, Kameraausrüstung, JP Rathgens Loro Piana-Smoking. Tatsächlich ist es in der Kabine so bequem, dass ich diesen Artikel on the road schreibe. Wir sitzen nicht beengt Schulter and Schulter, sondern können beide sogar die Armauflage mit dem aufgeprägten Schriftzug „Porsche Exclusive Manufaktur“ auf dem Semi-Anilin-Leder nutzen. Dies ist ein angenehmer Ort, um einfach zu verweilen – die warmen Holzapplikationen auf dem Armaturenbrett und das schöne goldene 911-Emblem verleihen einen Hauch von qualitätsbewusster Inszenierung.

Wenn wir anhalten, werden wir mit Komplimenten überhäuft. Menschen bitten, sich ins Auto zu setzen und Fotos von unserem limitierten Elfer machen zu dürfen. Der Entenbürzel-Spoiler, die Motorsportaufkleber, die fantastischen 21-Zoll-Fünfspeichenleichtbauräder und das Double Bubble-Dach tragen alle dazu bei, diesem 992 Sport Classic eine gewisse Allure zu verleihen. Kurz vor Le Mans beschließen wir, die letzten 50 Kilometer der Reise auf kleinen Landstraßen zu absolvieren. Und da offenbart sich – wie es sich für jeden Porsche gehört -, dass unser spezieller Langstreckenbegleiter eine zweite, sehr sportbetonte Natur besitzt.

Nun ist der Zeitpunkt für die Modi Sport und Sport Plus gekommen. Beide ermöglichen die Auto-Blip-Funktion des manuellen Schaltgetriebes, die Umdrehungen beim Runterschalten angleicht. Und wir wollen die kernige Auspufffunktion nicht vergessen! Das Auto verwandelt sich sofort vom Autobahn-Grand Tourer in eine präzise agierende Rennmaschine. Es schießt aus den Kurven heraus, mit der Kraft von 543 PS und einem Drehmoment von 600 Nm entfesselt. Mit gewichtssparenden Merkmalen wie Karbonfaser für Dach und Haube liegt das Leergewicht nur knapp über 1.500 Kilo. Der 911 mag sich nicht sonderlich leicht anfühlen, aber dank brachialer Bremsen, breiten, stark haftenden Michelin-Reifen und exzellentem Lenkverhalten sitzt der Sport Classic verlässlich auf der Straße, auch dann, wenn man sich in einer Kurve verschätzt hat.

Ich lasse die PDCC-Aktivfederung in Soft-Mode, weil die Straßenoberfläche nicht gänzlich eben ist, doch selbst dann fühlt sich der Porsche straff wie jeder echte Sportwagen an. Wenn ich nur eine winzige Kleinigkeit zu bemängeln hätte, dann die, dass die manuelle Schaltung etwas straffer sein könnte und der Kupplungsweg kürzer. Dann wäre das Fahrerlebnis im Sport Classic sogar noch begeisternder. 

Wir haben die 50 Kilometer auf Nebenstraßen hinter uns gelassen und erreichen Le Mans. Ich kontrolliere die Uhrzeit auf der „Glassbox“-Carrera. High Noon. Das Qualifying für die Endurance Racing Legends startet gleich. Wir wünschten uns sehnlich Steve McQueen zu sein und lassen unseren zufrieden tickenden 911 Sport Classic auf dem Parkplatz zurück. Auf zum Track, um echtes Rennfeeling zu erleben!

Fotos: Błażej Żuławski