Die himmelwärts gerichteten Läufe der vier Seite an Seite montierten Gewehre glänzen in der Spätsommersonne, die auch den Palast von Hampton Court erleuchtet. Das riesenhafte und in wundervoller Art Deco-Manier gestaltete Automobil auf dem sie befestigt sind, ist ein Rolls-Royce Silver Ghost von 1919, der seinerzeit vom Maharadscha von Patiala bestellt wurde und nun neben einem frisch restauriertem McLaren F1 parkt. Diese Zusammenstellung verrät an sich schon viel über die Bandbreite des Concours of Elegance.
Beide Fahrzeuge sind Teil des 60 fantastische Automobile umfassenden Teilnehmerfeldes des eigentlichen Concours - ein Schönheitswettbewerb, der nicht nur im Klassikerkalender sehr angesehen ist, sondern auch hohe Qualität verspricht. Und als Alleinstellungsmerkmal besteht die Jury auch nicht aus externen Fachleuten, sondern diese rolle kommt den Teilnehmern selbst zu.
Die „Grand Arrival” vor Hampton Courts malerisch manikürten Gärten schenkte einem die erste Gelegenheit, die Concours of Elegance-Klasse von 2019 zu bestaunen. Und was für Teilnehmer ausgewählt wurden! Das Feld der Hoffnungsvollen reicht von einem Napier L49, der zu Beginn des 20. Jahrhunderts das Licht der Welt erblickte, bis zum eleganten Touring Superleggera Sciádipersia, den wir vor noch seinem Debüt beim Genfer Automobilsalon vorgestellt haben. Diese bedeutende Parade, die perfekt in Reih und Glied vor der aristokratischen Kulisse des Schlosses aufgeboten wurde, ist so schön wie sie vielfältig ist.
Ebenfalls zu bewundern in diesem Aufgebot der automobilen Geschichte war der wohl wichtigste erhaltene Ferrari, eine 166MM Barchetta, die sowohl bei der Mille Miglia wie bei den 24 Stunden von Le Mans siegte. Diese Barchetta war eine aus dem Quartett dieser zierlichen offenen Tourer, die in Formation direkt vor dem Palast parkten.
Zu den anderen bemerkenswerten Autos, die uns fesselten gehörte beispielweise der schrullige Scout Scarab von 1936 - möglicherweise Urvater aller Minivans - sowie der Alfa Romeo 1900 Competizione SS mit charakteristisch eigenwilliger aber prachtvoller Karosserie von Zagato. Und der kühne Ruf CTR „Yellow Bird”, Protagonist des Kultfilms „Faszination”. Firmengründer Alois Ruf konnte man dabei beobachten, wie er bester Laune zwischen seinen Concours-Konkurrenten vorbei schlenderte.
Als wiederkehrendes Leitmotiv in diesem Jahr, gibt es auch vom Concours of Elegance einen würdigen Geburtstagsgruß für Bentley im 100. Jahr der Marke. Wichtige Autos, die zu diesem Anlass anreisten, waren unter anderem „Old No. One”, der berühmte Speed Six von 1929, und der legendäre Blue Train an dessen Steuer Woolf Barnato 1930 dem gleichnamigen Zug zwischen Cannes und Calais ein Rennen geliefert hatte, das er auch gewann. Wenig Automobile verkörpern den Glamour und die Romantik von Bentleys Vorkriegsära wie dieser besondere Wagen.
Nicht minder beeindruckend neben den Concours-Klassikern ist die weltweit erstmalige Ausstellung von allen von Zagato entworfenen Aston Martin, denn es gilt auch in diesem Jahr das 100. Jubiläum des Mailänder Designstudios zu würdigen. Astons Beziehung zu Zagato ist zwar bekannt und gut dokumentiert, aber dennoch vergisst man leicht, wie viele auch exzentrische Fahrzeuge dieser langlebigen anglo-italienischen Partnerschaft entsprungen sind.
Eigenartig: Es waren nicht die aufreizenden Kurven des grandiosen DB4GT Zagato, der unter seiner Registrierung „1 VEV” Berühmtheit erlangte, noch der eigenwillige Keilkörper des Virage Shooting Brake, die bei uns heftiges Begehren auslösten. Diese Auszeichnung geht an den für den Motorsport spezifizierten V12 Zagato, ein bedrohlich wirkendes Exemplar, das in dieser Form 2011 bei der Villa d`Este debütierte und anschließend beim aufreibenden 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring dabei war.
Auch eine Reihe von Classic Driver-Händler wie Tom Hartley, Nicholas Mee & Company, Frank Dale & Stepsons und Fiskens hatten sich diesen wichtigen Termin im Kalender notiert. Wie gewohnt makellos gekleidet, diesmal in einem attraktiven Schottenkaroanzug, fuhr Gregor Fisken im allerersten serienmäßigen Jaguar D-Type als Concours-Teilnehmer vor. Hampton Court bot zugleich auch den Schauplatz für die öffentliche Premiere des Ecurie Ecosse LM69 als schöner, hyperschlanker Retro-Hommage an den Jaguar XJ13-Prototyp.
Ob nun der Ort, die Qualität der beim Concours of Elegance ausgestellten Automobile, der Titelsponsor A. Lange & Söhne oder einfach die Art, wie Seine Königliche Hoheit Prinz Michael of Kent lässig entspannt in seinem Bentley Blower ankam und locker vor der Eingangstür parkte - es passte alles auf wunderbar unaufgeregte Art zusammen.
Elegant, von Understatement geprägt und unnachahmlich britisch in der Präsentation ist der sehr fotogene Concours of Elegance ein Vergnügen für den flanierenden Autoliebhaber. Sollten Sie das Glück haben, an diesem Wochenende in London zu sein, dann lassen Sie sich einen Besuch des Hampton Court Palace keinesfalls entgehen.
Fotos: Tom Shaxson für Classic Driver © 2019