**Tobias Aichele ist nicht nur eine gut vernetzte Schlüsselfigur der deutschen Motorrad-Klassikerszene, als Autor hat er auch zahlreiche Bücher über den Porsche 911 und den Mythos der Marke geschrieben. In der Böblinger Motorworld betreibt er mit Premiummotorrad und Premiumfahrzeug zudem zwei international renommierte Showrooms für zwei- und vierrädrige Klassiker. Classic Driver-Autor und Fotograf Rémi Dargegen hat sich mit Tobias Aichele über seine Leidenschaft unterhalten.
Was ist Ihre älteste Erinnerung an Motorräder und Autos?
Wer mich kennt, wird es nur schwer glauben: Bis zum Führerschein haben mich weder Motorräder, noch Autos interessiert. Dann, mit 18, befiel mich dieser Virus ohne Schlüsselerlebnis, unheilbar und mit großer Leidenschaft. Neufahrzeuge haben mich nicht interessiert. Vielmehr kaufte ich mir eine kaum genutzte BMW R 75/6 in Nürburgring-Grün, welche ich übrigens heute noch besitze. Mit 50 PS war man damals übrigens verdammt schnell. Meine Mitschüler in der Abitursklasse staunten nicht schlecht. Kurz danach dann meine erste Auto-Liebe. Sie fiel auf den Volvo P 1800 „Simon Templar“, heute für mich noch ein hoch exklusiver und faszinierend schöner Wagen.
Wie ist es zu Ihrer Leidenschaft gekommen?
Über den historischen Motorsport. Ich kaufte mir mit 20 Jahren in einem Museum in Italien eine Moto Parilla 175 F3 Competizione, meldete mich beim Oldtimer Festival auf dem Nürburgring an und restaurierte den kleinen Renner vor Ort. Ich dachte mir nämlich, dass dort die Spezialisten sind, welche mir helfen können. Die Rechnung ging voll auf. Während des Trainings – ein Pflichttraining gab es damals nicht - war das Motorrad zwar noch zerlegt, aber zum Rennen war ich am Start und wurde immerhin Neunter. Fortan konnte ich nicht mehr aufhören. Zurückblickend ist es schon erstaunlich, was man im Oldtimer-Sektor durch Leidenschaft, in Kombination mit Fleiß und einem geschickten Händchen, so erreichen konnte. Ich bekam von zu Hause kein Geld für meine Hobbys, auch nicht als Student. Also arbeitete ich jede freie Minute, zunächst bei einem Getränkemarkt – und dann kam der Traumjob bei PS, der Motorradzeitung, als Test- und Fotofahrer.
Ist Leidenschaft ist zweiseitig: exklusive Motorräder und besondere Porsche begeistern Sie. Welche Fahrzeuge mögen Sie am liebsten und warum?
Die Oldtimer-Szene ist heute schon manchmal befremdend. Zu viele Wichtigtuer und Spekulanten dominieren über Leidenschaft und das wirkliche Interesse an den alten Kulturgütern. Doch meine Leidenschaft beispielsweise zu Porsche ist so groß, dass ich das aushalte und aussitze. Mental aber gehöre ich derzeit mehr in die Motorrad-Szene. Durch die stark wachsende Café-Racer-Bewegung herrscht dort sogar eine Art Aufbruchstimmung. Motorradfahren ist einfach wieder cool – und zwar generationsübergreifend. Bei Motorrädern ist die Leidenschaft auch noch bezahlbar. Mit Vorkrieg habe ich zugegebenermaßen wenig am Hut. Mich faszinieren natürlich auch die Ikonen wie eine Brought Superior, eine Vincent Black Shadow, eine MV Agusta 750 S oder eine Ducati 750 SS „Rundmotor“. Begeistern aber kann ich mich besonders für die Veredler der sechziger und siebziger Jahre. Eine Egli-Vincent ist formal schwer zu übertreffen, eine Egli Honda 1100 R – diese gehört in jedem Fall zu meinen Lieblings-Motorrädern – sieht gut aus und verzaubert durch die schiere Kraft, übrigens noch heute; eine Rickman 750 four ist dann wieder einfach schön.
Wie leben Sie diese zwei Leidenschaften?
Wenn ich mich für die Teilnahme bei Veranstaltungen entscheide, engagiere ich mich auch entsprechend. Ich freue mich auf Motorrad-Festivals wie Glemseck 101 oder Wheels and Waves – und habe entsprechend vorbereitete Fahrzeuge im Handgepäck. Auch der Concorso d'Eleganza Villa d'Este gehört für mich zu einer Pflichtveranstaltung, als Teilnehmer, mit optimal vorbereiteten Fahrzeugen und der passenden Garderobe. Hinzu kommen zahlreiche Motorsport-Veranstaltungen, welche ich ebenfalls als Teilnehmer besuche, mit Motorrädern oder Rennwagen. Bei allen Veranstaltungen sind meine Teilnahmen eher Inszenierungen, leidenschaftlich und detailverliebt vorbereitet. Dabei spielt auch oftmals meine Freundschaft zu zahlreichen Rennfahrer-Legenden eine Rolle.
Sie betreiben im Oldtimerhandel zwei Firmen, Premiumfahrzeug und Premiummotorrad. Wann haben Sie diese Entscheidung getroffen und was unterscheidet Sie von den meisten anderen Händlern?
Nachdem ich drei Jahrzehnte in der Oldtimer-Landschaft zu Hause war, gründete ich vor drei Jahren Premiummotorrad. Premiumfahrzeug folge ein Jahr später, als logische Konsequenz. Die lange Erfahrung verknüpft mit der dadurch erlangten Kompetenz unterscheidet mich von zahlreichen Mitbewerbern. Im Oldtimer-Sektor habe ich fast alles erlebt. Ich fuhr beispielsweise schon im Jahr 2000 beim historischen Grand Prix in Monaco oder in Goodwood. Heute bin ich sehr froh über diese frühen Erfahrungen. Denn, es ist als Händler ein großer Vorteil, wenn man historische Fahrzeuge artgerecht bewegen kann – und wenn man selbst schon einige hochwertige Oldtimer besessen hat. Das schafft Vertrauen beim Kunden. Bevor ich jemandem einen Oldtimer zur Vermarktung anvertrauen würde, würde ich mich erkundigen, welche Oldtimer mein Ansprechpartner selbst besessen hat. Wer noch nie einen Oldtimer hatte, kann auch nicht damit umgehen. Interessant ist beispielsweise der Aufbautag von Messen. Wie oft werden von unerfahrenen Händlern große Motoren durch zig Kaltstarts „geschlachtet“. Das sind technische Ignoranten. Nur, wer „mit eigenem Geld“ Erfahrungen gesammelt hat, geht würdig mit der alten Technik um. Ich sage das in dieser Deutlichkeit, auch wenn sich dadurch möglicherweise einige auf den Schlips getreten fühlen.
Können Sie uns mehr über Ihre Liebe zu Porsche erzählen?
Ja, nach den Motorrädern und dem Volvo war der Wunsch nach dem ersten 911 – meinem Kindheitstraum - nur folgerichtig. Bei einer Tankstelle wurde ich 1985 fündig und mit den Worten begrüßt: „Der lässt sich aber nicht auf Turbo-breit umbauen!“ Das interessierte mich auch nicht, ich ging der Frage aber trotzdem nach. Der Wagen habe einen zu kurzen Radstand für die Verbreiterungen, erklärte mit der Werkstattmeister. Auch so kamen uns einige Details an dem Wagen seltsam vor, wie die verchromten schmalen Felgen, die Holzvertäfelungen an den Armaturen, die Nadella-Gelenkwellen und die komplizierte Vergaserbatterie mit den drei Pumpen . Ja, ich kaufte mir einen Ur-Elfer von April 1965 und fing mit der Restaurierung an. Die Kosten haben mir als Student zugegebenermaßen die Tränen in die Augen getrieben. Doch kaum einer konnte mir fundiert über diese Urversion Auskunft geben. Also fing ich an zu recherchieren – und daraus wurde im Jahr 1993 mein erstes Buch: Porsche 911 – Forever young. Und der Ur-911 begleitete mich über zehn Jahre und wurde immer wieder vom Porsche Museum für Jubiläen und andere besondere Anlässe ausgeliehen. Im Laufe der Jahre gesellten sich weitere Fahrzeuge der Marke hinzu – und es steht fest: Der 911 ist für mich wie ein Maßanzug. Das Konzept mit dem traktionsstarken Heckmotor und den Notsitzen ist für einen Sportwagen einmalig. Durch meine journalistischen Tätigkeiten bin ich alle Generationen gefahren und bevorzuge heute die Mitte der 50-jährigen Bauzeit, also das G-Modell. Diese 911-Genetration taugt als Alltagsfahrzeug und ist Oldtimer zugleich. Ein G-Modell zu fahren ist 911-Fahren pur.
Und wie kann man so viele Bücher über Porsche schreiben?
Summa summarum habe ich tatsächlich über zehn Bücher über den 911 und den Mythos der Marke geschrieben. Vor zehn oder gar 20 Jahren gab es auch längst noch nicht so eine Flut an Neuerscheinungen und ein Autor konnte noch viele neue und fesselnde Themen finden. Ich denke da beispielsweise an die Geschichte über den Schrottplatz von Rudi Klein in Los Angeles mit damals rund 300 Mercedes und rund 200 Porsche-Fahrzeugen. Ich bekam als einziger Journalist Zugang.
Wo führt der rasante Preisanstieg bei Porsche-Klassikern hin?
Es ist in unserer globalen Welt nachvollziehbar, dass ein Carrera RS von 1972/1973, ein nur in kleiner Stückzahl gebauter Elfer des ersten Modelljahrs, oder beispielsweise die S-Modelle mit den ersten Sechsstempelpumpen immer teurer werden. Den Hype auf alle Turbo-Modelle und der neuzeitlichen Sportversionen kann ich dafür weniger nachvollziehen. In jedem Fall führt der Preisanstieg dazu, dass die Fahrzeuge zu Standmobilen werden. Die Besitzer versklaven sich selbst. Hat ein Auto nur 50.000 Kilometer oder weniger auf der Uhr, wird es nicht mehr gefahren, da jeder Mehrkilometer zu einem Wertverlust führen könnte. Selbst wirkliche Porsche-Enthusiasten lassen sich von diesem Umstand geißeln. Dadurch verschwinden teure Porsche zunehmend aus der Veranstaltungs-Landschaft. Im Straßenverkehr sind sie ja längst nicht mehr zu sehen. Schade.
Denken Sie, dass es noch einen Platz für Leidenschaft gibt, wenn so viel Geld im Spiel ist?
Die Leidenschaft ist längst in den Hintergrund gerückt. Insgesamt ist die Preisspirale durchaus kritisch zu sehen. Spekulanten und Finanz-Jongleure dominieren heute die Porsche-Welt. Enthusiasmus? Fehlanzeige. Gier? Ja, die neue Triebfeder.
Beim Ausüben Ihrer Leidenschaft spielen Ihre Freundin und Ihre beiden Töchter eine große Rolle. Wie leben Sie das Thema gemeinsam?
Wir freuen uns auf gemeinsame Motorrad-Festivals. Es gibt übrigens kaum etwas schöneres, als mit der Familie dieser Leidenschaft nachzugehen. Und auch eigens organisierte Veranstaltungen sind bei uns Familiensache. Da muss jeder ran – und macht das auch gerne.
Eine Ihrer beiden Töchter hat eine besondere Leidenschaft für Motorräder. Sie hat ihr eigenes Motorrad und begleitet Sie bei besonderen Events. Sind Sie stolz darauf und wie teilen Sie diese Leidenschaft mit ihr?
Ja, Chiara ist jetzt 19 und hat eine AJS 18 C aus dem Jahr 1959, welche Sie übrigens selbst ankicken kann. Natürlich bist Du als Vater stolz auf Deine Tochter, wenn Sie so ein Thema leidenschaftlich lebt. Wichtig ist dabei aber, dass sich die jungen Menschen von selbst engagieren, eine innere Triebfeder haben. Das ist bei Chiara so. Sie fordert mich dann auch mit Sonderaufgaben, wie beispielsweise: „Papa, für Wheels and Waves brauche ich ein Surfbrett an meiner AJS. Kannst Du das bitte machen. Ich besorge auch das Surfbrett.“ Natürlich kann ich.
Was ist das Motorrad, mit welchem Sie am liebsten gefahren sind?
Welches Motorrad ich am liebsten gefahren bin, kann ich nicht mehr genau sagen. Wichtig ist für mich, dass ich immer wieder Schlüsselerlebnisse habe; wie beispielsweise erst vor wenigen Wochen auf dem Hockenheimring im Rahmen eines Sonderlaufes für historische Rennmaschinen. Ich fuhr erstmals eine Kaczor-BMW, wir waren nach wenigen Metern wie verschmolzen. Kein Motorrad wurde vorausfahrend geduldet, keines. Das war der pure Fahrrausch. Fest steht aber auch, dass mich die neue Lotus C-01 in ihren Bann gezogen hat, für welche ich auch gleich den europaweiten Vertrieb übernommen habe. Und Motorräder mit Sonderrahmen wie Egli, Michel, Rickman oder Rau faszinieren mich schon immer. Diese oft in sehr kleinen Stückzahlen hergestellten Edelbikes habe auch großes Potential.
Und mit welchem Porsche hatten Sie am meisten Spaß - und warum?
Auf der Suche nach der Porsche-DNA in Reinkultur bin ich auf zwei Fahrzeuge gestoßen: den 550 Spyder und der RS 2.7 Lightweight von 1972/1973. Diese beiden Fahrzeuge machen süchtig und verkörpern das pure Fahrvergnügen.
Was ist Ihr Traum-Porsche, wenn das Budget keine Rolle spielt?
Es sind der 550 Spyder und der 908. Ich halte mich aber mit so theoretischen Fragen nur ungern auf. Vielmehr suche ich nach noch bezahlbaren Alternativen. Auf der Rennstrecke macht ein Behnke-Porsche, ein Chanabé-Porsche oder ein KMW fast genauso viel Spaß wie der 908. Und beispielsweise ein Devin oder ein Daetwyler sind die Alternative zum 550 Spyder.
Fotos: Rémi Dargegen for Classic Driver © 2016