Bei der alljährlichen Hommage an die legendäre Mille Miglia ist nichts unmöglich. Die Polizei ermuntert, rote Ampeln zu ignorieren und halb Italien ist auf den Beinen, um prachtvolle Klassiker anzufeuern. Classic Driver war hautnah bei den grandiosen 1.000 Meilen dabei.
Einmal dabei sein - ein Lebenstraum
Für Enthusiasten ist die Neuauflage dieser 1.000 verrückten Meilen ein Lebenstraum: einmal dabei sein, um das einmalige Aufgebot legendärer Sportwagen zu erleben und die Stimmung entlang der Route aufzusaugen. Es ist ein großartiges Erlebnis, wenn man zum ersten Mal selbst teilnimmt - vor allem die ersten Kilometer haben es in sich. Denn die Italiener haben ihre ganz eigene Art, dieses Klassiker-Spektakel zu organisieren. Die Polizei drückt nicht nur ein Auge zu, nein, sie fordert geradezu auf, Top-Speed zu fahren. Egal, ob in der Stadt, auf Landstraßen oder in einem Tunnel. Bei der Tour Auto in Frankreich beispielsweise sollte man sich unbedingt an die Straßenverkehrsordnung halten. Bei der Mille Miglia ist alles außer Kraft gesetzt, inklusive der Bedeutung einer roten Ampel oder eines Stopp-Schildes. Mit 160 km/h durch ein Dorf brausen? Kein Problem.
Rimini, Bergpässe, das Herzen Roms
Man könnte die Mille Miglia als einen Mix aus Le Mans Classic und Tour Auto beschreiben. Wie in Le Mans kann man höchst unterschiedliche Automobile aus der aktiven Zeit dieses Rennens zwischen 1927 und 1957 bewundern, und wie beim französischen Klassiker ist die Streckenführung faszinierend und herausfordernd. Morgens erlebt man beim Start die Küstenstraßen rund um Rimini, nachmittags meistert man Bergpässe und nachts kommt man im Herzen von Rom an.
Ein merkwürdiges Zeitgefühl
Die Mille Miglia dauert nur dreieinhalb Tage, aber durch den Rhythmus des Fahrens schnurren die Tage zusammen. Gerade hat man am Donnerstag Brescia verlassen und schon ist es Sonntag und man passiert wieder die Stadtgrenze. Die Tage sind lang, die Nächte kurz. Aber als Neuling lernt man rasch, dass dieses merkwürdige Zeitgefühl ein ganz wichtiges Erlebnis der Mille Miglia ist. Unvergesslich für jeden Teilnehmer: die nächtlichen Rennetappen auf kurvigen, schmalen italienischen Straßen.
Bühne für große Sportwagen
Bei dieser Hommage an eines der legendärsten Straßenrennen bereitet man den großen Sportwagen wieder jene Bühne, für die sie geschaffen wurden. Wie einst vor über 60 Jahren sind alle versammelt: kleine, wuselige Flitzer, die nur italienische Enthusiasten auf Anhieb erkennen, Legenden wie die Jaguar C- und D-Types, Mercedes-Benz SSK und allein 20 300 SL, Bentley 4.5 litre, Ferrari, Aston-Martin, und, und, und.
Eine besondere Pointe
Das Rennen 2015 bot noch eine besondere Pointe, denn Sieger wurde ein Bugatti T 40 aus dem Gründungsjahr 1927. Und während sich Menschen und Maschinen von der Tour erholen, gilt wie immer: Nach der Mille Miglia ist vor der Mille Miglia!
Photos by Rémi Dargegen for Classic Driver © 2015