Beim ersten Anblick mochten die zahllosen, auf Hochglanz polierten klassischen Holzboote, die unter der Sonne Kaliforniens auf den Wellen des Lake Tahoe schaukelten, sich noch gleichen wie ein Ei dem anderen. Doch wenn man aufmerksam entlang der Piers schlenderte, entdeckte man langsam die kleinen Details, die das charakteristische Design von Marken wie Chris-Craft, Gar Wood oder Riva definieren. Der Schauplatz dieses nautischen Schönheitswettbewerbs war zugleich die perfekte Bühne für die großen Namen im amerikanischen Schiffsbau – italienische Schiffe waren naturgemäß seltener anzutreffen.
Spass an der Freude
Das Wetter war gut aufgelegt und melodischer Jazz sorgte für den musikalischen Rahmen. Alles hier wirkte auffallend informell und um einiges entspannter, als man das von Concours-Veranstaltungen für klassische Automobile kennt. Man hatte geradezu den Eindruck, von der Gemeinschaft der Bootsenthusiasten freudig empfangen zu werden: Jeder Eigner erläuterte begeistert die Qualitäten seines dümpelnden Klassikers – ganz gleich, ob er mit einem kundigen Preisrichtern oder einem Boots-Novizen aus dem Publikum sprach.
Die Magie des Namens
In ästhetischer Hinsicht war die Concours-Flotte einfach umwerfend schön. Zum einzigartigen Charakter der Boote gehörten auch die liebevoll aufgemalten Namen am Heck. Laut maritimer Tradition bringt es Unglück, ein namenloses Schiff in See stechen zu lassen. Also hatten viele Besitzer ihrer Kreativität freies Spiel gelassen. Zu unseren Favoriten zählten natürlich „Miss Puddle Duck”, „Fin & Tonic” und „La Dolce Riva”. Letzteres Boot sollte auch die Herzen der vielen Besucher erobern, welche die zeitlos eleganten Super Tritone für den People's Choice Award auserkoren.
Vom Donner getroffen
Auch das wohl bekannteste und vermutlich wertvollste hölzerne Rennboot der USA – die „Thunderbird” – war nach vier Jahren an den Lake Tahoe zurückgekehrt, um an der feierlichen Übergabe der Trophäe, die von ihr inspiriert wurde, teilzunehmen. Die Thunderbird Perpetual Trophy wird an den Solitär unter diesen Holzwundern verliehen. Aber auch für die anderen hoffnungsvollen Eigner gab es Auszeichnungen – wie etwa den Preis „Best in Class” mit einer Frederique Constant Runabout und einer detailreichen Glastrophäe als Belohnung. Der Jordy Carlton Memorial-Preis für „Best of Show” ging an „Midnight Thunder”, einem kleinen Custom-Runabout mit Dreifach-Cockpit, das 1937 von Gar Wood gebaut und von der Sierra Boat Co. wundervoll restauriert worden ist.
Publikumslieblinge
Es waren so viele schöne Boote am Start, dass etliche unserer Meinung nach mit der Siegertrophäe hätten davonbrausen können. Zum Beispiel die „007”, eine Chris-Craft Cobra von 1955 mit mächtiger goldener Finne und einer fantastischen Form. Oder die „Maybe Not II”, ein Hydroplane, das die Nunes Brothers 1926 bauten und das den Wolf des berühmten US-Cartoonisten Tex Avery trägt. Und dann war da noch die Barracuda Sportster von 1955. Dieses Boot ist nicht nur wegen seiner Form, den von Automobilen inspirierten Heckflossen und der pfirsischfarben-weißen Farbkombination außergewöhnlich, sondern auch wegen seiner Geschichte: Vater und Onkel des Eigners hatten die Barracuda als letzte von sieben Exemplaren gebaut; vor ein paar Jahren entdeckte der Besitzer das Prachtstück in einer Scheune wieder und erweckte es zu neuem Leben.
Rauschender Abgang
Als alle Preise vergeben und die Sonne sich allmählich zum Horizont senkte, gab es den fulminanten Schlusspunkt des nautischen Wettbewerbs mit dem traditionellen „Roar Off”. Eine „Ehrengarde” von modernen Booten führte alle Concours-Teilnehmer zu einer Runde um den See – für die Badegäste an den Stränden des Lake Tahoe eine eindrucksvolle Gelegenheit, die historischen Boote einmal mit Vollgas zu erleben. Und wer zufällig gerade Wasser war, ließ sich vom aufwühlenden Wellengang der hölzernen Schönheiten stilvoll durchwirbeln.
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2017