Für die Teilnahme an jeder Spielart des Motorsports ist ein gewisses Maß an Tapferkeit unabdinglich. Die Geschwindigkeiten und Fliehkräfte, die Formel-1-Fahrer erleben, erfordern eine gehörige Portion Mut und starke Nackenmuskeln, während sich Rallye-Fahrer ebenso furchtlos auf wechselnden Untergründen um blinde Kurven und über blinde Kuppen wagen. Die bildlich gesprochen größten „Eier“ im gesamten automobilen Kosmos brauchen jedoch jene todesmutigen Männer und Frauen, die sich in eher einem Kampf-Jet als einem Auto ähnelnden Projektilen zwängen, um damit auf die Jagd nach neuen Geschwindigkeits-Weltrekorden zu Land und Wasser zu gehen. Der Kalifornier Craig Breedlove (1937-2023) war ein solcher Mann.
Für seine auf den November 1965 terminierten Rekordversuche hatte sich Breedlove zwei Ziele gesetzt: einen neuen Geschwindigkeitsrekord zu Land aufstellen und die Schallmauer durchbrechen. Mit einer Länge von 10,66 Meter war die „Spirit of America Sonic I“ um ein GE J79-Turbinentriebwerk aus einer McDonnell F-4 Phantom herum gebaut Mit einem Nachbrenner ausgestattet, erzeugte es einen atemberaubenden Schub von knapp 15.000 Pfund. Der „Colaflaschen“-förmige Rumpf schmiegte sich so eng wie möglich an das Triebwerk, so dass gerade noch genug Platz für den Piloten, eine bordeigene Sauerstoffversorgung und vier Räder blieb. Apropos Räder: Goodyear, neben Shell Hauptsponsor des Projekts, entwickelte eigens Reifen für die geschmiedeten Aluminiumfelgen von Sonic I. Zur Verzögerung dienten Scheibenbremsen und ein sonst eher bei Kampf-Jets und Dragstern eingesetzter Bremsfallschirm.
Breedloves harte Arbeit zahlte sich am 2. November 1965 aus, als er mit Sonic I auf den Bonneville Salt Flats in Utah einen Rekord von 555,485 mph (893,966 km/h) aufstellte. Doch die Bestmarke sollte nicht lange Bestand haben, schnappten ihm doch Art Arfons und „Green Monster“ am 7. November den Titel mit 576,553 mph (927,872 km/h) wieder weg. Bereits am 15. November kehrte Breedlove an den Salzsee zurück, wo er mit 600,601 mph (966,573 km/h) erfolgreich Revanche nahm und damit als erster Mensch überhaupt die 600 mph-Schwelle überschritt. Danach ermutigte er seine Frau, Lee Breedlove, zu einem Versuch im Sonic I, die es ihm mit einem neuen Weltrekord für Frauen (308,506 mph/496,492 km/h) dankte.
Obwohl es Breedlove nie gelang, die Schallmauer zu durchbrechen, hielten er und Sonic I den Landgeschwindigkeitsrekord für weitere fünf Jahre – ehe dann Gary Gabelich mit dem Raketenauto „Blue Flame“ 1979 ebenfalls in Bonneville erstmals die 1000-km/h-Marke (1001,66 km/h oder 622,404 mph) durchbrach. Es dauerte dann bis 1997, bis der britische Kampfpilot Andy Green im „ThrustSSC“ erstmals und als bis heute einziger Mensch die Schallmauer durchbrach.
Der 1975 vom Indianapolis Motor Speedway Museum erworbene Sonic I wird bei der RM Sotheby’s Auktion in Miami am 27./28. Februar versteigert und damit erstmals für Privatpersonen oder ein anderes Museum erreichbar. Als einzigartiges Zeugnis amerikanischen Erfindungsreichtums und Produkt einer optimistischen Ära, in der alles möglich schien.