Für Lieven Gheysens führten die Autos bayerischer Provenienz, die ihn schon seit seiner Kindheit faszinierten, von anfänglicher Leidenschaft zu späterer Berufung. Sein im belgischen Harelbeke beheimateter Handel mit dem treffenden Namen Bavaria Classics spezialisierte sich zunächst auf die Modelle aus Süddeutschland, ehe die Ziele immer weiter gesteckt wurden. Inzwischen bietet Gheysens auch hochwertige Sammlerautos anderer Marken an genauso wie eine kleine, feine Selektion großer Klassiker.
Heute birgt sein großzügig und modern gestalteter Showroom mit angeschlossener Werkstatt eine wahre Schatztruhe automobiler Juwelen, die den Geschmack eines jeden Enthusiasten ansprechen dürften. Wo sonst könnte man einen Aston Martin One-77 in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Willys Jeep entdecken, eine Familie von Ferrari 250 GTE und noch eine Auswahl an makellosen BMW E30 M2, die bei Petrolheads eines bestimmten Alters für Schnappatmung sorgen? Wir haben uns mit Lieven Gheysens über den Markt, über die wachsende Nachfrage nach Youngtimer und natürlich über die Schönheit eines Autos made in Bayern unterhalten.
Was sind Ihre frühesten Erinnerungen ans Auto?
Mein Vater baute in der Normandie Flachs an, und als kleiner Junge in den frühen achtziger Jahren begleitete ich ihn und seinen Schwager bei den Fahrten durch Felder und über Waldwege, um andere Landwirte zu besuchen. Er hupte an jeder Kreuzung damit andere Fahrer gewarnt sein würden, dass wir mit hohem Tempo heranrauschten. Obwohl ich weiß, wie schlecht es einem auf einer Rückbank werden kann, habe ich diese Ausflüge genossen. Einer meiner Lieblingsonkel war Autohändler, gab es ein Familientreffen, durfte ich sein neuestes sportliches Modell hautnah erleben. Als ich älter wurde, träumte ich davon, einmal selbst bei diesen Ausflügen am Steuer zu sitzen.
Wie hat sich Ihre frühe Passion weiterentwickelt?
Wann immer es ging, habe ich meine Ferien in Autowerkstätten verbracht. Zunächst bei Cady Cars, wo mich der Mechaniker damit beschäftigte, stundenlang Kotflügel und Motorhaube eines Austin-Healey auf Hochglanz zu polieren, im Autohandel meines Onkels half ich dann im Ausstellungsraum und in der Werkstatt aus. Ihm habe ich auch zu verdanken, dass ich die 24 Stunden von Ypres während der brachialen Gruppe B-Ära miterleben konnte. Der Event fand quasi in unseren Garten statt!
Erzählen Sie uns ein wenig von Ihrer Karriere vor Bavaria Motors und wie es dazu kam, dass Sie Ihre eigene Firma gegründet haben.
Ich begann als Verkäufer bei einem großen VW- und Audihändler und manchmal baten mich Kunden, nach einem bestimmten Gebrauchtwagen zu suchen. Das erste Mal, das ich mir selbständig ein Auto zum Wiederverkauf sicherte, war in München - eine fantastische Stadt, die einen enormen Eindruck hinterließ. Sie verkörpert Tradition, Erfolg, Wertschöpfung und Stolz - das entsprach meinen Träumen.
Eigensinnig, immer noch jung und furchtlos, gründete ich 2005 zusammen mit einem Partner meine eigene Firma. Das war der Beginn von Bavaria Motors, benannt nach meiner Leidenschaft für die Autos, die in dieser Region Süddeutschlands gebaut wurden. Im Jahr 2010 kauften meine Frau und ich die Anteile meines Partners auf und bezogen 2013 den neu errichteten Showroom mit Werkstatt in Harelbeke bei Kortrijk hier in Belgien.
Es gibt einen wunderbaren Mix aus modernen Sportwagen, Luxuswagen und eine feine Auswahl an Klassikern in Ihrem Showroom. Welche Philosophie prägt Ihr Unternehmen?
In den frühen Tagen von Bavaria Motors haben wir noch nicht Klassiker angeboten, aber mit den Jahren entwickelte sich bei mir doch die Nostalgie und das Interesse - ich wollte die Vorgänger der aktuellen Sportwagen und ihre besondere Geschichte kennenlernen. So, wie unser Kundenstamm sich vergrößerte, wuchs auch dessen Wohlstand und deshalb wurde ich auch beauftragt, bestimmte Klassiker für sie ausfindig zu machen.
In unserem Business dreht sich alles um den Kunden - wir suchen und bieten die gewünschten Autos an, allerdings nur, wenn wir selbst in der Lage sind, Wert, Provenienz und Qualität eines Fahrzeugs zu beurteilen. Wir wollen so etwas wie Leuchtturm an Sicherheit, Vertrauen und Integrität für unsere wachsende Zahl an internationalen Kunden darstellen. Hochwertigste Autos, bester Service und ein enges Verhältnis zum Kunden - das beschreibt unsere DNA.
Sie offerieren auch eine bestechende Auswahl an Youngtimer, vor allem BMW M-Modelle...
Sie waren meine Traumwagen, als ich noch klein war, und jetzt habe ich sie in meinem Showroom! Sie erinnern mich an meine Jugend. Meine Liebe zu ihnen ist grenzenlos. Das motiviert mich auch, sie auf den Markt zu bringen und sie meiner Generation anzubieten. Denn sie sind auch in den Vierzigern, arbeiten hart, sind aber genauso nostalgisch wie ich. Diese Autos werden von ihren Besitzern regelmäßig gefahren, deswegen ist Verlässlichkeit besonders wichtig.
Wie wählen Sie die Autos aus, die Sie verkaufen wollen?
Die meisten Klassiker, die wir im Showroom zeigen, haben wir in Kommission von leidenschaftlichen Sammlern, die Teile ihrer Kollektion immer wieder rotieren und uns den Verkauf dieser kostbaren Fahrzeuge anvertrauen. Wir ergänzen diese mit einem kleinen Inventar an interessanten Autos, die eine Geschichte zu erzählen haben und eine spannende Historie aufweisen. Natürlich passieren viele dieser Modelle nur dann unsere Werkstatt für einen umfassenden Check und Auslieferung, weil wir sie nur nach Auftrag suchen und gemäß den expliziten Vorstellungen des Kunden.
Wie unterscheidet sich in den letzten Jahren der Markt für moderne Luxus- und Sportwagen von jenem für Klassiker?
Wir spüren durchaus den Einfluss geänderter steuerlicher Regeln im Markt für moderne Luxuswagen - wir verkaufen inzwischen sogar ein paar Elektroautos. Die Mehrzahl der Top-Sportwagen und Supercars werden privat gekauft, manchmal sogar als Sammlerstück, und da bleibt die Nachfrage ungebrochen. Unsere Kunden sind vor allem erpicht auf spezielle Serien und limitierte Editionen. Das Geschäft mit Klassikern hat auch seine Tücken - bestimmte Fahrzeuge, um die ein Hype entstand, können sehr schnell auch wieder aus der Mode kommen. Aber gepflegte und gut dokumentierte Autos aus einer vertrauenswürdigen Quelle wie Bavaria Motors, die ebenfalls von einer korrekten Wertbemessung begleitet werden, sind weiterhin eine gute Investition.
Wie wird nach Ihrer Meinung in Zukunft der Sammlermarkt von der wachsenden Nachfrage nach jungen Klassikern geprägt werden?
Die Verbindung zur Käufergeneration ist wesentlich und wichtig - junge Leute heute haben keinen Bezug zu Vorkriegswagen und künftige Generationen könnten völlig die Liebe zum Verbrennungsmotor verlieren. Sie könnten sich vielleicht gar nicht mehr vorstellen, dass man ein Auto einst betanken und selbst fahren musste. Klassische Autos entwickeln sich dann eher in Richtung eines Kunstgegenstands als einer Antiquität. Natürlich wird sich am Markt durch den Generationenwandel das Interesse in Richtung jüngerer Fahrzeuge konzentrieren. Gute Händler sollten sich als Konsequenz daraus durchaus auch von Kunstspezialisten beraten lassen.
Warum gibt es in Ihrem Büro so viele Memorabilien von Porsche?
Ich werde nie meine Begegnung mit einem grandiosen Porsche 930 Turbo in Oak Green Metallic vergessen. Es geschah während einer Reise mit meinen Eltern zur Côte d´Azur und wir machten Zwischenstation am Genfer See. Der Porsche sah fabrikneu aus. Ich hatte noch nie etwas so schönes erblickt - der Eindruck hat sich in meiner Netzhaut eingebrannt. Der Porsche 959 in Rothmans-Farben von Jacky Ickx zählt ebenfalls zu meinen Lieblingen. Er hat mich sogar so begeistert, dass ich mir sofort ein ferngesteuertes Tamiya-Modellauto kaufte. Ein Porsche war auch mein erster „erschwinglicher” Traumwagen. Ich habe mir an der Messe in Essen einen Boxster gekauft.
Wie der Namen meiner Firma beweist, habe ich eine stark ausgeprägte Verbindung zu Süddeutschland. BMW, Audi und Porsche waren die ersten Autos, die ich bezog, als ich mit meinem Business startete. Und obwohl wir unser Inventar auf andere Marke erweitert haben, schlägt mein Herz bei speziellen Modellen von BMW und Porsche einfach höher. Ich habe drei Töchter und eines Tages will ich sie zu ihren Hochzeiten in meinem BMW Bavaria von 1975 kutschieren, denn er entstand in meinem Geburtsjahr.
Welcher ist Ihr favorisierter moderner Sportwagen und warum?
Die moderne Verkörperung der ultimativen Porsche-Philosophie ist der 991 GT3 Touring - ein manuell geschaltetes Auto, dass rohe Kraft mit Verlässlichkeit und einer nicht auftrumpfenden Karosserie verbindet. Man kann ihn tatsächlich im Alltag benutzen. Dieser GT3 ist zugleich ein Gentleman auf normalen Straßen und ein Rennbiest auf der Strecke, oder auf der Autobahn.
Und Ihr Liebling unter den Klassikern?
Da wähle ich den Ferrari F40, der mit 30 Jahren nun hier in Belgien als Klassiker gilt. Ein echter, kompromissloser Supersportwagen und ein Tribut an 40 Jahre Ferrari. Heute gilt er als eine Art früher Hommage an Enzo, weil er kurz vor dessen Tod 1988 ausgeliefert wurde. Außerdem verdankt er sich dem ersten veritablen Supersportwagen, dem fantastischen 288 GTO.
Was fahren Sie in Ihrer Freizeit?
Meine Frau und ich haben Gleichmäßigkeits-Rallyes für uns entdeckt und sind in Belgien und auch im Ausland unterwegs. Wir haben viel Spaß dabei, obwohl sie manchmal eine Beziehung ausreizen. Kürzlich fuhren wir mit unserem Porsche 911S 2.2 von 1970 mit - Adrenalin pur!
Fotos: Rémi Dargegen für Classic Driver © 2019