Auf dem Genfer Salon im März zeigt die Carrozzeria Touring die Serienversion einer neuen Disco Volante. Derzeit wird in Mailand noch auf Hochtouren an dem Außnahmesportwagen gearbeitet. Classic Driver durfte exklusiv hinter die Kulissen blicken.
Ein Jahr ist es her, dass Touring-Designchef Louis de Fabribeckers in Genf eine Neuinterpretation des Alfa Romeo C52 von 1952 präsentierte. Das Original war wegen seiner futuristischen Flunderform schnell „Disco Volante“ – also fliegende Untertasse – getauft worden. Bei der Studie von 2012 handelte es sich noch um ein lackiertes Tonmodell. Doch das Feedback war überwältigend, und so wurde entschieden, eine Kleinserie der neuen Disco Volante für wohlhabende Sammler auf die Straße zu bringen. Auf Basis des Alfa 8C wird seit Monaten und in mühevoller Handarbeit an der Umsetzung des Designs in einen ersten fahrbaren Prototyp gearbeitet. Etwa 4.000 Arbeitsstunden stecken in dem nach Touring-Tradition in der Mailänder Werkstatt gefertigten Juwel. Wer es eilig hat, kann die Nummer 1 im Anschluss an den Genfer Salon erwerben, bis zu fünf weitere Exemplare werden auf Bestellung und nach den individuellen Wünschen der Kunden produziert. Wir haben den Karrosseriemeistern bei ihrer Arbeit über die Schulter geblickt – und begleiten die Entwicklung von den ersten Schritten bis zum Debüt in Genf in den kommenden Wochen mit einer exklusiven Artikel-Serie.
Wer sich für eine moderne Disco Volante entscheidet, muss nicht nur die finanziellen Mittel, sondern auch etwas Geduld aufbringen: Von der Einlieferung des Alfa 8C bis zur ersten Probefahrt mit dem Straßenmodell vergehen etwa sechs Monate. Für Louis de Fabribeckers war es essentiell, nicht nur die Eleganz und den Geist der ersten Disco Volante in die Neuzeit zu transportieren, sondern auch ein alltagstaugliches und universell einsetzbares Automobil zu kreieren. So genügt die „Fliegende Untertasse“ nicht nur den obligatorischen EU-Vorgaben, sie eignet sich auch für ausschweifende Reisen durch Europa: Im langgestreckten Heck verbirgt sich ein großer Gepäckraum. Und ein großes Panoramaglasdach sorgt für ein lichtdurchflutetes Interieur und ein großzügigeres Raumgefühl. Gelebter Gran Turismo, sozusagen. Doch noch ist die Disco Volante nicht auf der Straße – gehen wir also nochmals ein paar Schritte zurück.
Die Geschichte beginnt mit der Ankunft eines weißen Alfa Romeo 8C in den unschreinbaren Werkshallen der Carrozzeria Touring in einem Industriegebiet im Norden von Mailand. Und mit einem umgekehrten Puzzle. Denn der Wagen wird fast komplett auseinander genommen – nur das Chassis, der Antriebsstrang und die mechanischen Teile bleiben. Der Rest, also Karosserieteile, Ausstattungselemente aus dem Innenraum und zahllose Kabel, wird penibelst etikettiert und eingelagert. Im nächsten Schritt wird der italienische Patient in den sogenannten Operationssaal gefahren, wo er auf einer Referenzplattform erst einmal umfassend gescannt wird, um bei den folgenden chirurgischen Eingriffen keine Fehler zu machen. Wie in einer Schönheitsklinik (oder beim Schlachter) werden nun die Schnittlinien aufgezeichnet. Dann beginnt die Operation am offenen Chassis – es wird geschnitten und gesägt, aber auch verstärkt und überarbeitet. Am Ende steht die Grundstruktur eines neuen Automobils, der Disco Volante 2013. Zu sehen ist hiervon jedoch nocht nicht viel.
Parallel zur Arbeit am Spenderwagen werken die Karrosseriebauer an einem sogenannten Tonmodell, das heute jedoch aus hochdichtem Baumharz besteht und den Designplänen bis auf den Millimeter entsprechen muss. Von Hand wird das Modell geglättet, Hohlräume werden anschließend mit flüssigem Plastik ausgegossen. Das fertige Mock-Up ähnelt dem fertigen Automobil nun schon sehr. In erster Linie dient es jedoch – wie schon zu Zeiten der ersten Disco Volante von 1952 – den Karrosseriebauern als Referenz für die handgeklopften Karosserieteile aus Aluminium, für die Touring einst so berühmt wurde. Einst wurden die Elemente mit einem Gummihammer und Stümpfen aus Eichenholz in Form gebracht, heute greifen die Carrozziers zum Elektro-Hammer. Und auch der Einsatz von Carbonfaser ist nicht tabu – auch wenn der Werkstoff bei der neuen Disco Volante eher kleinteilig verwendet wird.
Dann kommt der Zeitpunkt für den Referenzkäfig – eine Gitterkonstruktion aus weichem Stahl, die präzise um die Konturen des Baumharz-Modells herum verschweist wird. Im Anschluss wird der Käfig als Anleitung für die Verbindung des Chassis mit allen vohandenen und neuen Teilen aus Aluminium, Carbon und Glas. Die Anpassung der Karosserie und die folgenden Schritte präsentieren wir Ihnen in der nächsten Folge.
Weiterführende Links Weitere Informationen zur neuen Carrozzeria Touring Disco Volante erhalten Sie auf der Website www.touringsuperleggera.eu oder per Email an [email protected]. Auf dem Genfer Salon 2012 haben wir mit Designchef Louis de Fabribeckers über die neue Disco Volante gesprochen. Das Interview lesen Sie im Classic Driver Magazin. |
Text: Steve Wakefield
Fotos: Carrozzeria Touring