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Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung

Beim Defilée der Automobilikonen am Ufer des Comer Sees werden die mondänsten Schönheiten von gestern und morgen gekürt. Die schnöde Gegenwart muss derweil draußen warten. Jan Baedeker hat sich für Classic Driver unter die Hautevolee gemischt und berichtet.

 

Für die Elitären und ästhetisch Sensiblen unter den Autombilfreunden ist der Concorso d’Eleganza Villa d’Este so etwas wie ein Hortus Conclusus, ein Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung: Weder die seelenlosen Massenmobile unserer Zeit, noch das ballonseidene Messepublikum stören hier die Komposition – man bleibt „unter sich“, genießt das eindrucksvolle Bergpanorama um den frühsommerlichen Comer See und erfreut sich bei einem Glas Aperol Spritz dem Schaulauf der großen Klassiker und Prototypen. Seit 1873 dient das Grand Hotel Villa d’Este gutbetuchten Reisenden als Sommerresidenz, die Liste der namhaften Gäste reicht von Lord Byron bis zu Sharon Stone. Selbst der scharfzüngige Reisende Mark Twain, eigentlich dem amerikanischen Lake Tahoe zugetan, lobte die Ruhe und Gelassenheit des oberitalienischen Seenlandschaft. Diese luxuriöse Lässigkeit bestimmt auch heute noch den Rhythmus des Concorso: Man schlendert hindurch zwischen Karosserieskulpturen von Bugatti, Delahaye und Talbot-Lago, bewundert futuristische Concept Cars, hält Smalltalk mit Concorso-Bekanntschaften aus aller Welt und stellt im Geiste bereits die Liste der persönlichen Favoriten zusammen.

Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung

Im Jahr 1929 wurde der Concorso d’Eleganza im Park der Villa d’Este erstmals ausgerichtet – damals noch als Schönheitswettbewerb für neue Automobilmodelle. Seit 2000 ist BMW als Schirmherr für Tradition und Entwicklung verantwortlich – und beweist dabei glücklicherweise wenig Sendungsbewusstsein aber viel Fingerspitzengefühl. Anders als in den Vorjahren wurde der Concorso-Termin dieses Mal jedoch nicht im April, sondern Ende Mai angesetzt, um Überschneidungen mit der Autoshow in Peking zu vermeiden. Neu im Programm war zudem der Concorso e Mostra di Motociclette, bei dem auf dem Gelände der benachbarten Villa Erba klassische Motorräder gekürt wurden, und eine hochdotierte Versteigerung des kanadischen Auktionshauses RM, die mehr als 23 Millionen Euro einspielen konnte. Ansonsten hieß es im Ablaufplan für den Samstag wie gewohnt: Ausstellung der Automobile vor der Villa d’Este, Begutachtung durch geladene Gäste und die Jury, Wahl des „Coppa d’Oro“ – den begehrten Publikumspreis für Klassiker – und Parade aller Nominierten.

Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung
Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung

Erste Blickfänger waren auch in diesem Jahr wieder die Konzeptstudien: Von 18 Prototypen, die um den Concorso d’Eleganza Design Award konkurrierten, feierten immerhin drei Exoten ihre Weltpremiere. Der leuchtend rote Aston Martin V12 Zagato, der an den legendären Aston Martin DB4GT Zagato von 1960 anknüpfen soll, konnte bei der Abstimmung nicht nur das Pubikum überzeugen – sondern auch einen ersten Käufer gewinnen. „Ich konnte einfach nicht wiederstehen“, lächelte der aus dem Mittleren Osten eingeflogene Sportwagenfreund bei Vertragsunterzeichnung. Beim 24-Stunden-Rennen am Nürburgring soll der in Gaydon von Hand gefertigte Zagato gleich im Doppelpack antreten – und dabei auch gegen den Ferrari P4/5 Competizione des amerikanischen Sammlers James Glickenhaus starten. Der Sichtcarbon-Rennwagen auf Basis des Ferrari Enzo wurde bei Pininfarina als Einzelstück im Stil der P-Serie der 1960er Jahre aufgebaut. Einen klassischen Schönwetter-Ferrari hat sich derweil Peter Kalikow aus New York bauen lassen: Mit dem offiziell in Maranello gefertigten Ferrari Superamerica 45 feiert der Sammler seinen ersten Ferrari-Kauf vor 45 Jahren. Abseits des Wettbewerbs präsentierte BMW als Weltpremiere den 328 Hommage – eine von Adrian van Hooydonk und Karim Habib entworfene Studie zum 75. Geburtstag des großen BMW 328.

Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung
Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung

Die eigentliche Quelle der Inspiration beim Concorso d’Eleganza ist natürlich der Wettbewerb der klassischen Automobile, in dem herausragende Modelle der 1930er bis 1970er Jahre in verschiedenen Kategorien um die Gust der Juroren – darunter Experten wie Winston Goodfellow, Hideo Kodama und der Earl of March – buhlen. Es ist immer wieder verblüffend, mit welcher Hingabe und welchem künstlerischen Feinsinn im vergangenen Jahrhundert am Mythos Automobil gearbeitet wurde. Die Vorkriegs-Klassiker mit ihren gewaltigen Karosserien, barocken Kurven und Art-Deco-Insignien sind teils derart aufwändig restauriert, als wären sie erst gestern ausgeliefert worden. Ausgezeichnet wurden später unter anderem ein Delage D8 S Roadster von 1933, ein Talbot-Lago T23 Coupé Royal mit Karosserie von Figoni & Falaschi von 1938 und ein Rolls-Royce Phantom II Special Town Car von 1933 – das teuerste Automobil seiner Zeit – sowie ein Bugatti 57 Ventoux von 1937. Den Coppa d’Oro Villa d’Este verliehen die Besucher einem Alfa Romeo 6C 2500 SS mit Bertone-Karosserie von 1942 aus der Sammlung von Signore Corrado Lopresto.

Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung

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Routinierte Concorso-Besucher wissen: Sobald die Stimme von Simon Kidston aus den Lautsprechern ertönt und die ersten Motoren donnernd starten, beginnt der Kampf um die besten Plätze bei der Parade. In diesem Jahr hatte der vielsprachige Moderator und talentierte Storyteller eine besondere Assistentin zur Seite gestellt bekommen: Der amerikanische Kurvenstar Christina Hendricks dürfte Kennern der erfolgreichen Retro-TV-Serie Mad Men unter dem Namen Joan Holloway bekannt sein – beim Concorso stahl sie den meisten Hochglanz-Automobilen im knapp geschnittenen Sechzigerjahre-Kleid die Show. Mithalten konnte da letztlich nur noch der knallrot-kurvige Alfa Romeo 33 Stradale – der von Franco Scaglione gebaute Mittelmotor-Sportwagen wurde zwischen 1967 und 1971 nur 18 Mal gebaut und konnte nicht nur die Trofeo BMW Group und damit den Jury-Gesamtsieg verbuchen, sondern auch noch einen Publikumspreis. In der Tat sind es heute vor allem die Sportwagen der 1950er bis 1970er Jahre, die beim Schaulauf für Emotionen sorgen. Für seinen „Fifties Chic“ wurde ein wunderbarer, zweifarbig in blau und grün lackierter Ferrari 212 Export mit Vignale-Karosserie ausgezeichnet, der Klassensieg in der Kategorie „New Dawn – Small Car, Big Performance“ ging nicht weniger berechtigt an einen außergewöhnlichen Siata 400 F von Balbo.

Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung

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Einen Preis für den brutalsten Motorsound gibt es beim Concorso d’Eleganza Villa d’Este noch nicht – in jedem Fall wären in dieser Kategorie der 1961er Maserati 63 „Birdcage“ mit seinen unglaublichen Maschinengewehr-Endrohren und der goldlackierte 1965er Ford GT40 Mk II mit seinem gewaltigen Sieben-Liter-V8-Motor angetreten. Wie die weißbejackten italienischen Kellner zwischen diesen brüllenden Rennsport-Monstern traversieren, um ohne eine Mine zu verziehend San Pellegrino und Espresso Macchiato zu servieren, ist ein Bild für die Götter. Wie unberechenbar dagegen das lombardische Wetter auch im Mai noch zuschlagen kann, zeigte sich, als beim Start der letzten Nominierten plötzlich Blitze vom Himmel zuckten und sich nur wenige Augenblicke die Schleusen für einen monumentalen Regenguss öffneten.

Concorso d'Eleganza Villa d'Este 2011: Paradiesgarten mit Zutrittsbeschränkung

Die Teilnehmer nahmen es gelassen, öffneten die gereichten Schirme und beendeten ihr Defilée – wie Adrian van Hooydonk am Steuer der nicht annähernd wasserfesten BMW-Designstudie – mit stoischer Nonchalance. Gegen die nassen Füße werden vielen Teilnehmern letztendlich auch ein paar trockene Martinis an der Hotelbar geholfen haben.

Fotos: Nanette Schärf, Gudrun Muschalla, Jan Baedeker