Mit den Zeiten ändern sich die Herausforderungen. So auch bei der Reiseplanung. Wer heute auf Reisen geht, muss sich allenfalls rechtzeitig entscheiden, ob er in der Business-Class nun auf der 1A oder doch besser auf der 2A sitzen möchten, ob er den Lederkoffer packt oder doch besser den durablen Schalenkoffer. Das war früher ganz anders: Vor hunderten von Jahren war das Überwinden der Wegstrecke an sich die eigentliche Aufgabe und diese war gespickt mit zahlreichen Herausforderungen. Das, was heute als selbstverständlich gilt und Grundlage einer jeden Reiseplanung ist, war damals gerade erst im Entstehen: solides und verlässliches Kartenmaterial.
Genau aus diesem Pioniergeist erwächst die besondere Faszination historischer Land- und Reisekarten, geht der Mythos von historischen Globen und Atlanten aus. Die London Map Fairs, die in diesem Jahr vom 16. bis zum 17. Juni in der Royal Geogrpahical Society stattfindet, zelebriert diesen Anlass und bietet vermutlich einmalige Kaufgelegenheiten. Es ist europaweit die größte Verkaufsbörse ihrer Art und sie gehört so unbedingt nach London, wie die Raben in den Tower. Und das in den Räumen ehrwürdigen Royal Geographical Society, wo einst berühmte Entdecker und Abendteuer wie Livingstone, Scott und Shackleton ein- und ausgingen. Der Eintritt ist gleichwohl kostenfrei.
Unserer Meinung nach stellen historische Karten und Atlanten für ausgewiesene Classic Driver ein hervorragendes Sammelgebiet dar, welche die individuelle automobile Kollektion auf anspruchsvolle Weise bereichert und der „Kunst des Reisens“ huldigt. Denn das Automobil ist schließlich mit der Kartografie auf engste Weise verbunden. Historische Fahrzeuge wie Karten machen dies in ihrer Gegenwart einem unmittelbar bewusst. Zudem schreiben wir in diesem Jahr den 500. Geburtstag von Gerard Mercator. Der gilt als renommiertester Kartograf überhaupt. Er stellte den ersten Weltatlas zusammen. Das National Maritime Museum in Greenwich behütet bis heute seinen Globus aus dem Jahre 1541. Kartografisches Know-How war seinerzeit eindeutig machtvolles Hoheitswissen. Mit dem antiken Globus wurden Grenzen gezogen, Handel geplant und getrieben, Expeditionen vorbereitet und durchgeführt und tatsächlich Weltgeschichte geschrieben. Karten waren seit ihrer Entstehung Sammelgegenstände und ein Ausdruck von Wohlstand und humanistischer Bildung. Auch sogenannte Map Fairs gibt es bereits seit vielen hundert Jahren. Zu Zeiten von Gerard Mercator fanden diese allerdings erstaunlicherweise zumeist in Frankfurt am Main statt.
Der erste Atlas von England und Wales erschien im Jahre 1579. Die erste nach einheitlicher Systematik erstellte Ordnance Survey Karte von Großbritannien übrigens bereits 1693. Bis heute gelten diese Kartenwerke als verlässliche Planungsinstrumente - bei Seefahrern, Seglern, Landvermessern und Reisenden beispielsweise. Für den Straßenverkehr gilt der britische Kartograf John Ogilby als Wegbegründer, der im 17. Jahrhundert die möglichst direkten Verbindungen zwischen Städten auswies. Exemplare seiner Karten sind in London ab rund 300 Pfund erhältlich - ein besonderer Classic Driver Tipp. Und auch, wenn historische Karten Jahrhunderte überdauern: dass Papier im Falle von gedruckten Karten alles andere als geduldig sein kann, zeigt sich spätestens bei der Teilnahme an einer Oldtimer-Rallye. Wer mit Roadbook, Landmarks, Tripmaster und Stoppuhren navigiert, weiß allzu gut, wovon ich rede und wird sich spätestens dann der Faszination der Kartografie kaum entziehen können.
Fotos: Oxford Digital Library