Beim Goodwood Revival 2016 wurde die Runde der Credit Suisse Forum Stammgäste Sir Stirling Moss, Jochen Mass, Derek Bell und Alain de Cadenet um Indycar-Hero Dario Franchitti und Le Mans-Sieger David Brabham erweitert. Zeremonienmeister Henry Hope-Frost hatte die delikate Aufgabe, solch gern frei von der Leber redenden Persönlichkeiten nicht vom Thema abschweifen zu lassen. Denn schließlich ging es in diesem Jahr um die spannende Frage „Geschlossenes Cockpit gegen Einsitzer - der Weg zum Motorsport Ruhm.“
„Mich reizten Grand Prix-Rennen“, bekannte Alain de Cadenet, „doch schon meine erste Frau drohte damit, mich zu verlassen, wenn ich mich nur einem Formel 1 näherte. Sie hielt sie für wirklich gefährlich, doch gestattete sie mir stattdessen einen Start in Le Mans – dabei galt Le Mans damals fälschlicherweise als vergleichsweise sicher.“ Auf die Frage, warum sich Alain - untypisch für ihn – dem Druck der damaligen Frau de Cadenet beugte, antwortete „AdC“: „Nun, Brigitte Bardot war damals die attraktivste Frau auf der Welt - und meine erste Frau war nur knapp dahinter die zweitschönste...“
Derek Bell, dessen Name durch seine fünf Le Mans-Siege unzertrennbar mit Sportwagen verbunden ist, hält Einsitzer auch in Zukunft für einen unverzichtbaren Teil des Motorsports. „Es gibt weltweit nichts Vergleichbares. Und Formel 1 ist die ultimative Spitze der Pyramide, egal ob wir sie nun für die aufregendste Disziplin halten oder nicht.“
Das Forum diskutierte als nächstes über die Schwierigkeiten und Komplikationen, die einem jungen Fahrer von heute auf seinem Weg nach oben begegnen. Oft – so die vorherrschende Meinung – entscheide der Kontostand des Fahrers und nicht das reine Talent darüber, wer einen begehrten Cockpitplatz erhasche. Sir Stirling erinnerte sich, wie er erst einen Maserati 250F aus eigener Tasche kaufen musste, um damit den Mercedes-Oberen sein Talent zu demonstrieren. „Doch damals reichten ein paar und nicht 100 Mechaniker. Und ich lieh anderen Fahrern wie Mike Hawthorn das Auto, um ein wenig Geld zurückzubekommen.“
Wie schon bei früheren Credit Suisse Historic Racing Forums schweifte die Diskussion dann doch noch zu anderen Themen ab. Wie zum Gegensatz zwischen den leider oft überschuldeten Traditionsstrecken und neuen Pisten nach Design Hermann Tilke. Nicht überraschend lieferte auch hier Sir Stirling wieder die besten Anekdoten. „Damals fuhr ich fast jedes Wochenende auf einer Strecke, die der Stadt gehörte. Dabei habe ich eines schnell gelernt: Wenn man hinterher noch eine Runde drehte und den Leuten zuwinkte, bekam man im nächsten Jahr mehr Startgeld.“
Und nun kam Moss erst richtig in Fahrt: „Es gibt heute all diese Regeln, Zeitstrafen und so was – für mich ein Haufen Mist“, so sein typisch unverblümter Kommentar zur modernen Motorsportszene. „Ein Fahrer sollte rausgehen, die anderen Jungs schlagen und gewinnen – ganz einfach.“ Hope-Frost legte noch einen drauf, indem er sich über die 45-Startplätze-Strafe für Fernando Alonso in Spa lustig machte: „Damit hätte er dann fast beim GP von Belgien in Zolder antreten können!“ Allgemein beklagt wurden die überkomplizierten Regeln im modernen Motorsport und das Fehlen einer unverfälschten Spannung. „Doch genau die gibt es noch hier – und das ist der Grund dafür, dass wir hier in Goodwood 100.000 Zuschauer haben“, so de Cadenet. So passte die lebhafte, unterhaltsame und einstündige Diskussion wieder bestens zum unnachahmlichen Spektakel des Revival Meetings. Man kann Credit Suisse nur dafür danken, solche furchtlose Persönlichkeiten so freimütig raufen zu lassen – auch wenn es bei dieser Gelegenheit nur verbaler Art war.
Fotos: Remi Dargegen für Classic Driver