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BMW X6 ActiveHybrid: Aller Anfang ist schwer

Mit 2,5 Tonnen, 485 PS und einem cW-Wert von 0,36 ist der BMW X6 Active Hybrid alles andere als ein Ökoauto. Und dennoch: Dank zweier E-Motoren im Getriebe gelingt dem SUV der Spagat zwischen Top-Performance und zeitgemäßem Konsumverhalten.

Es geht mal wieder nicht voran. Die Sonne scheint und der Wochenendverkehr staut sich über die gesamte Länge des Ocean Boulevard in Miami Beach. Stoßstange an Stoßstange schiebt sich die Blechkaravane im Schritttempo vorwärts. Normalerweise kein Grund zur Besorgnis, doch seit Benzin in dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten um rund 30 Prozent teurer geworden ist und Begriffe wie Umweltschutz und Erderwärmung immer mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung rücken, ist auch die Zeit des ungestörten Flanierens mit dem SUV vorbei. Das unablässige Zucken der Tanknadel, bedingt durch den hohen Stadtverbrauch der allgegenwärtig eingebauten V8-Benziner, macht einfach schlechte Laune. Und dazu spürt man diese vermeintlich missbilligenden Blicke. Sie haben mittlerweile auch die letzte Insel der einst glückseligen V8-Ritter erreicht. Ja, ein SUV braucht eben im Stadtverkehr seine 20 Liter, das ist jetzt ein Problem. Was in Europa schon vor Jahren für erregte Diskussionen über das Für und Wieder der höher gelegten Sport- und Transportwagen sorgte, führt nun auch in den USA zu spürbaren Absatzeinbußen und sozialer Ächtung.

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Der Beginn einer neuen Ära

Doch heute fährt das schlechte Gewissen einmal nicht mit, denn ich fahre elektrisch. Jeder Meter, den ich auf dem Weg zum Flughafen Miami im Stau zurücklege, gibt den Technikern von BMW Recht. Es geht auch anders. Spät, aber doch noch rechtzeitig, haben die Münchner die Notbremse gezogen. Zwar waren die bei BMW bislang zum Einsatz gelangenden V8-Benzinmotoren nicht so durstig wie die Modelle der amerikanischen Konkurrenz, doch mit dem X6 ActiveHybrid hat BMW einen neuen Trumpf im Ärmel.

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Kernstück des neuen Antriebes ist ein stufenloses Automatikgetriebe mit zwei integrierten Elektrosynchronmotoren und einem permanenten Allradantrieb. Dieses Two-Mode-Aktivgetriebe genannte Aggregat wurde in Zusammenarbeit mit Daimler, GM und Chrysler in den USA entwickelt und feierte sein Debüt in ähnlicher Form im Mercedes-Benz ML 450 Hybrid. Für den Einsatz im BMW X6 wurde der Antrieb nochmals deutlich verfeinert. So ist im Sinne einer markentypischen sportlichen Fortbewegung eine direkte Anwahl von einzelnen künstlich erzeugten Fahrstufen via Schaltpaddel am Lenkrad ebenso möglich, wie auch der permanente Allradantrieb über eine besonders dynamische Kraftverteilung nach Art des Hauses verfügt.

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Besonders stolz sind die BMW-Techniker auf die optimal gelungene Abstimmung der Übergänge zwischen dem reinen elektrischen Fahrbetrieb, dem energiegewinnenden Bremsverhalten (Rekuperation) im Schubbetrieb und der hohen Dynamik beim Beschleunigen. Dann nämlich unterstützen die beiden 91 und 86 PS starken Elektromotoren den 407 PS starken, turbogeladenenen 4,3 Liter V8-Direkteinspritzer im Bug in seiner Tätigkeit. In nur 5,6 Sekunden stürmt der immerhin 2,5 Tonnen schwere X6 ActiveHybrid so auf 100 km /h. Der Vortrieb findet auf freien deutschen Autobahnen erst bei 236 km/h ein Ende, bei Wahl des optionalen Sportpaketes sind es sogar 250 km/h.

Doch das ist auf dem Ocean Drive pure Utopie. Fünf bis zehn Stundenkilometer erreiche ich auf der Höhe des ehemaligen Wohnhauses von Gianni Versace, allerdings völlig emissionslos, denn nach dem Lösen der Bremse rollt der Hybrid-X6 mit ruhendem Drehzahlmesser lautlos an. Dabei muss ich keineswegs auf den gewohnten Komfort verzichten. Der Klimakompressor läuft dank eignem Antrieb ebenfalls weiter und liefert eine standesgemäße Kühlung. Und auch alle anderen elektrischen Verbraucher zeigen sich vom Wechsel des Antriebes unbeeindruckt. Erst als die Ampel Ecke 5th Street von grün auf rot springt und ich in erster Reihe die nächsten Meter zügig zurücklegen kann, springt der V8 an und schiebt unter typischem Achtzylindersound mächtig nach vorn.

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Der anschließende Bremsvorgang bringt dem durch die Stop-and-Go-Fahrt schon arg gestressten Akku etwas Energie zurück. Geregelt wird der Energiehaushalt von einer aufwändigen Leistungselektronik, die unter dem exklusiv für dieses Modell erdachten Buckel, bei BMW hört so etwas auf den Namen „Powerdome“, der Motorhaube ruht. Doch so richtig erholt sich der Akku nicht mehr von der andauernden Belastung der vergangenen halben Stunde Stadtverkehr, wie auf dem Display des Energiemonitors zu sehen ist. Doch es reicht, um die nächsten Kilometer wieder rein elektrisch zu gleiten. Ein schönes Gefühl. Lautlos und irgendwie überlegen. Endlich auf dem Highway angelangt, tritt der E-Antrieb in den Hintergrund. Der V8 liefert ein BMW typisches dynamisches Fahrgefühl. Der X6 hängt trotz seines um 260 kg erhöhten Gewichtes gut am Gas und bietet Performance vom Feinsten. Lediglich die etwas hölzerne Federung auf Querfugen, die der geänderten Feder-Dämpfer Abstimmung geschuldet ist, unterscheidet ihn von seinen herkömmlichen Brüdern. Am Flughafen angekommen, kann ich sogar das umfangreiche Reisegepäck ohne Probleme verstauen, denn das NiMH Batteriepack hat BMW unterhalb des Kofferraumbodens untergebracht, mit dem Ergebnis, dass auch dieser X6 einen gleich großen Kofferraum hat wie seine Brüder.

Am Ende der Fahrt lässt sich der Lohn der Arbeit der Ingenieure schwarz auf weiß auf dem Display der Bordrechners ablesen. Der Verbrauch des X6 ActiveHybrid sank im Vergleich zu einem in der Leistung vergleichbarem X6 mit herkömmlicher Antriebstechnik um rund 20% auf akzeptable 14,3 Liter bei einem Schadstoffausstoß von 231g/km. Ein Wert, der sich je nach Anteil des rein elektrischen Fahrbetriebes problemlos verbessern ließe, wäre da nicht die etwas zu geringe Kapazität der Batterie, derentwegen BMW den Verbrenner öfter aktiviert als einem lieb ist. So Bedarf es schon des sehr gemächlichen amerikanischen Überlandverkehrs und eines sensiblen Gasfußes, um den X6 über eine längere Distanz bei maximal 65 km/h rein elektrisch fahren zu können. Sobald das Gaspedal auch nur ein wenig zu hektisch Richtung Auslegeware gedrückt wird, ist es mit der grünen Welle wieder vorbei. Schade, denn mit etwas Übung und vorrausschauendem Fahren wird das Erhalten des rein elektrischen Fahrens zu einem Wettbewerb mit der Technik, den man ja auch mal gewinnen möchte. Ob einem dieses Vergnügen allerdings den happigen Preis von 106.000 Euro wert ist, den BMW zur Markteinführung im April 2010 errechnet hat, muss jeder für sich selbst entscheiden. Doch auch wenn sich die rund 20.000 Euro Mehrpreis (ausstattungsbereinigt) zum Standard-X6 nie über den geringeren Verbrauch wieder einfahren lassen, so ist es doch ein gutes Gefühl, den derzeit leistungsstärksten Hybrid der Welt zu bewegen.

Text: Sven Jürisch
Fotos: Sven Jürisch



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